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Aus dem Musikalischen Tagebuch:
Sokrates30. März 2012
Michael Kiwanuka – Home AgainKiwanuka: Retromania. Warum man sich wohl ein Sounddesign ca. 69-71 zulegt? Hommage, Sentimentalität oder Eskapismus?
Onkel TomVielleicht einfach weil es gut klingt? Nicht jeder lechzt ja so nach „zeitgemäßem“ Sound wie du. Ich bin jedenfalls aufgrund der bisher gelesenen Kritiken an dem Album interessiert (was dann ja auch schlüssig wäre … ;-)).
dr.musicDer alte „Streit“. Heute Nachmittag kommt im DLF ab 15:05 Uhr ein Bericht über Kiwanuka und seinem Album.
SokratesLechzen ist zu stark formuliert, Tom. In der Sache sogar falsch, denn ich stehe nicht besonders auf volldigitale und -komprimierte Produktionen, auf denen nur noch Keyboards und Computer spielen.
Mein Ansatz ist vielmehr, dass ein Künstler in der Gegenwart lebt und hört, wie Musik heute klingt. Von solchen Einflüssen kann man sich ja auch nicht einfach so freimachen – es sei denn, man trifft bewusst die Entscheidung dagegen.
Dass man Anleihen bei anderen Zeiten nimmt, finde ich in bestimmtem Grad sogar unvermeidlich – Musik funktioniert evolutionär. Aber hier ist es so, dass ich kein Detail gefunden habe, dass nicht wie damals klingt. Es ist wie ein vollständige Restaurierung: Arrangements, Sound, Instrumentierung – als hätte es die letzten 40 Jahre nicht gegeben. Deswegen schrieb ich auch Retromania. Als würde Ford wieder den Capri 1:1 aus den Hallen rollen lassen. Als würde Grundig 2012 mit einem S/W-Röhrenfernseher auf den Markt kommen, der zwei Kanäle zeigt.
Findest Du das keinen Gedanken wert? (Ich mag die Musik, sonst hätte ich das Album nicht gekauft.)
Onkel TomDer Capri wäre eine Überlegung wert, der Schwarz/Weiss Fernseher eher nicht.
Natürlich kann/soll man sich solche Gadanken machen. Mir fällt halt bei dir auf, dass du, öfter als die meisten anderen, mit den Begriff „zeitgemäß“ argumentierst. Bei mir spielt das hingegen überhaupt keine Rolle.
gollum1. Vielleicht ist das ja der Grund für seine Entscheidung, an alte Muster anzuknüpfen
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2. Kein guter Vergleich. Das wäre in den meisten Belangen ein (technischer) Rückschritt und reine Nostalgie. Die Entwicklung in der Kunst schafft Neues zusätzlich, ohne Bewährtes messbar zu „überholen“. Das entwertet sich manchmal über die Zeit höchstens selbst. Wenn sich ein Künstler in den Ausdrucksformen vergangener Tage zuhause fühlt, sehe ich keinen Grund, ihm das gleich negativ anzukreiden oder ihm schon deshalb Kreativität abzusprechen, solange er sich nicht auf ein Kopieren beschränkt. Neues in der Kunst funktioniert auch im Detail. Er macht es sich ja nicht einmal leichter, denn meist wird er an den hohen Standards seiner Bezüge gemessen. Entscheidend bleibt das Ergebnis.
dr.music@ Sokrates
Nochmal zu Kiwanuka. Im DLF hieß es heute: „Was man aber schon jetzt über Kiwanukas Musik sagen kann: Selten hat jemand die Retro-Soul-Idee so konsequent umgesetzt. Nicht nur die Songs wirken teilweise wie direkt aus den frühen 70ern, auch ihr Klang. Was sicher auch daran liegt, dass das ganze Album mit analogen Geräten eingespielt wurde.“
Wer macht denn eigentlich richtig „neuen“, modernen 2000er Soul?? Wir haben nun gerade eine riesige Retro-Welle, oder?Für mich entscheidend bleibt wie beim Tomses schon die Qualität der Songs und der Gesamteindruck. Innerhalb welchen Zeitraums sich das dann abspielt, hat eine untergeordnete Rolle.
Sokrates@gollum: Mag sein, dass der Vergleich hinkt, weil er – wie jeder Vergleich – nicht alle Besonderheiten abbildet, aber er veranschaulicht, dass es in der Popmusik und ihren Produktionsbedingungen Veränderungen (um das Wort Fortschritt zu vermeiden ;-)) gibt.
@doc: Der gehighlightete Teil ist eine freundlichere Formulierung meiner Aussage, dass Kiwanuka den Sound anno 70 vollständig rekonstruiert hat. Wurde denn etwas über Kiwanukas Motive gesagt?
Je mehr retro, desto höher der Anteil altmodischer Elemente (Beispiele wären die letzten Platten von Mavis Staples, Al Green, Solomon Burke etc.). Aktueller Soul klingt straffer, direkter und verwendet vor allem in der Rhythmussektion viel mehr Maschinen und neue rhythmische Muster (John Legend, Corinne Bailey Rae, Aguilera, Brandy etc. pp). Er verwendet Einflüsse aus Richtungen wie Hiphop, Contemporary R&B oder Dance, die damals so noch nicht existierten (existieren konnten).
Sokrates21. April 2012
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Michael Kiwanuka – Home Again
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Kiwanuka geht: Nett, aber nur Retro, nix Eigenes.
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„Weniger, aber besser.“ D. Rams