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FriedrichSonntagabend, zwei Flaschen JEVER und 14 Jazztracks eines Blind Fold Tests zu kommentieren. Es gibt schlimmeres.
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Oh, bestimmt! Prost! (Hier gab’s ein paar spezielle Biere aus der Appenzeller Brauerei und zum Abschluss ein dunkles Leffe… aber jetzt ist Bier leider alle).
#2.1
FriedrichBraucht man noch zu erwähnen, dass das orientalisch klingt und eine offenbar ungewöhnliche Taktart hat? Dadurch hat es natürlich schon gleich eine gewisse Prägnanz. Der monotone Groove trägt das Stück und die Klarinette klingt wie Basar und Schlangenbeschörer. Eigentlich ein schöner Kontrast, einerseits der repetetive Groove und andererseits das Gedudel des Bläsers. Hypnotisch. Gefällt mir. Toller Opener.
Yeah! Leider gibt’s von der Session nur ein weiteres Stück und die beiden einfach greifbaren Alben der Band sind stilistisch einiges freier geraten. Und das hier ist doch ein 4/4-Takt, einfach mit einem ungewöhnlichen Rhythmus drüber… oder hör ich da was nicht?
#2.2
FriedrichHier wird es gleich viel lyrischer und nachdenklicher. Deine Neigung zu gezielt gesetzten Kontrasten meine ich auch schon bei Teil 1 festgestellt zu haben. Wenn #2.1 eine plakative Prägnanz hatte, so vermisse ich genau diese hier. Mehr Mood als Groove. Klingt für mich etwas nach Kammermusiksaal. Nicht so mein Fall.
Kammermusiksaal? Das hör ich hier absolut nicht. Prägnanz gibt’s zumindest für den geneigten und geübten Hörer freierer Spielarten zuhauf hier (siehe vorgartens schöne Beschreibung ganz zu Beginn des Threads!). Aber um Moods geht’s natürlich schon…
#2.3
FriedrichNach dem Trio ein größeres Ensemble. Klingt für mich aber trotzdem nach Kammermusiksaal. Irgendwie konstruiert, durchkomponiert (was keine qualitative Wertung sein soll) und bei diesem gestrichen Bass oder Cello schaue ich auf’s Display, wie lange das Stück noch geht.
…und mit Moods geht’s hier erst recht weiter… ist übrigens ein absolut normal besetztes Quintett hier (tp-ts-p-b-d).
#2.4
FriedrichDas hat – zumindest am Anfang – mehr Schmiss. Ändert aber dauernd das Tempo und das Thema und bekommt dadurch etwas szenisches. Weiß nicht, ob ich diesen Film wirklich sehen möchte.
ferry hatte damit (auch mit #2.3) ja auch seine Mühe… mir gefällt, wie die dichten Rhythmen im Thema anfangs aufgebrochen werden durch die langsameren Teile. Dann wie die Bläser im Piano-Solo begleitend eingreifen, während der Pianist (übrigens der einzige mir völlig unbekannte der Gruppe) zeigt, dass er wohl auch schon Cecil Taylor gehört hat. Der Altsaxer ruft die Truppe dann zusammen, soliert mit sattem, schönen Ton – sein Solo ist für mich hier der grosse Höhepunkt! Wie er die Linien aneinanderfügt, sich unterbricht, schreit… dann wird das Tempo verdoppelt, Trompetensolo (von einem Herrn übrigens, der anderswo ein – wie ich finde, vorgarten übrigens auch – Glanzlicht setzt… auch die anderen beiden Bläser hört man anderswo noch, ebenso Bassist und Drummer) ist hier wirklich nicht sooo toll, aber gefällt mir doch ganz ordentlich.
#2.5
FriedrichDer Einstieg mit dem kraftvolen Piano gefällt mir schon mal sehr. Aber dann zerfasert das für mich, der Groove geht mir verloren. Ach ja, ein Bass-Solo! Muss das sein? Ach, auch noch ein Drum-Solo? Steht das im Arbeitsvertrag, dass jeder Musiker ein Solo haben darf?
Das Ende gefällt mir dann wieder.
Ich versteh die Abneigung gegen Bass- und Drum-Soli nicht… insofern kann ich hier eigentlich gar nichts sagen. Wem das nicht passt, dem wird der Track auch nicht besonders passen, logisch. Und schade.
#2.6
FriedrichKirchenorgel goes Free Jazz. Muss man auch mal ausprobiert haben.
Ja, fand man wohl damals… ob dem so ist? Ich weiss es nicht wirklich. Aber das Sopransax ist auch ganz ok und das ganze zumindest ein interessanter Versuch.
#2.7
FriedrichFilmusik von CHINATOWN oder TAXI DRIVER? Nein, ist es natürlich nicht, lässt aber so eine Stimmung von nächtlicher Straßenszene im Film Noir aufkommen. In sofern gefällt mir das. Der Trompeter hat einen unglaublich weichen und reinen Ton. Die anderen Bläser schmücken das sehr schön aus. Sehr professionell, vielleicht etwas brav gemacht. Aber insgesamt sehr schön. Man muss da einfach auch mal diese Meisterschaft anerkennen!
Ja, an Filmmusik kann man hier in der Tat denken… kommt aus dem Archiv, keine Ahnung, zu welchem Zweck das ursprünglich aufgenommen worden ist. Die Trompete find ich sehr, sehr toll. Der Herr hier passt übrigens nicht recht ins Konzept… aber die ganze Band und die Session schon. Das schöne Altsax wurde glaub ich hier noch nie richtig erwähnt… steht natürlich im Schatten der Trompete, gefällt mir aber auch sehr. Und der Pianist ist auch gut (auch er übrigens auf mehreren Tracks zu hören).
#2.8
FriedrichDie Stimmung bleibt, es wird aber etwas karger. Hat auch wieder was kammermusikartiges. Dazu passt besser ein Glas Wein als eine Flasche Bier. Aber sehr schön.
Kammermusik hör ich hier eigentlich nicht, einfach eine klassische Ballade. Wenn ich ergänze, dass das auf einem US-Label erschienen ist, wird’s vielleicht zu erraten sein.
(und katharsis könnte es allenfalls auch kennen…)
#2.9
FriedrichDa ist er wieder, der scharfe Kontrast! Ein demonstrativ knackiges Thema, fast schon etwas persiflierend parodistisch. Die Posaunen und der Drummer geben alles. Dann gibt es noch einen Boogie. Hat ein bisschen was von Jazzfrühschoppen. Finde ich aber amüsant.
Oh, wenn’s die Art Jazz zum Frühschoppen gäbe, dann wäre ich da regelmässig anzutreffen! (Nur eine Posaune, aber eine von Weltklasse!)
#2.10
FriedrichDu scheinst auf Posaunisten zu stehen. Ist das MISTY? Ist natürlich eine schöner Kontrast mit der Flöte, die parallel zur Posaune spielt und dann die Führung übernimmt. Wir bleiben auch damit im Kammermusikalischen.
Es ist ein Original des Posaunisten, den ich nicht sehr gut kenne, aber die Scheibe, von dem dieses Stück stammt, liebe ich schon länger!
#2.11
FriedrichKammermusiksaal par excellence! auch wenn die so tun, als würden sie den Blues spielen … Wer bin ich, das zu beurteilen? Ich habe sehr löchrige Kenntnisse des Genres Jazz und spiele kein Instrument. Die – von mir hier vermutete – technische Meisterschaft beeindruckt mich, aber ansonsten lässt mich das kalt.
Damit bist Du nicht allein… bei mir dauerte es einige Jahre, bis ich den Pianisten wirklich mochte (hab ihn auch mal live gehört). Ich mag es, wie er aus einfachsten Ideen tolle Musik machen kann. (Und er passt auch nicht ganz ins Konzept des BFT, falls jemand etwas rätseln möchte…)
#2.12
FriedrichHalloh! Hannibal zieht mit 30 Kampfelefanten über die Alpen! Das Ganze wird dann – leider – doch nicht so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Schlichter Beat und eine Nummernrevue der Solisten. Für mich wieder ein bisschen wie Jazzfrühschoppen, aber auch nicht unamüsant.
Souljazz im Big Band Format… muss man nicht mögen, klar. Ich wollte den Barisaxer drin haben. Die Solisten (einer von ihnen ist der Leader) sind alle auch auf anderen Tracks anzutreffen (zwei von ihnen sind mit fünf Tracks wohl die meistgehörten Musiker des BFT).
#2.13
FriedrichZwei eigenartig miteinander verschachtelte Themen höre ich. Und dann kommt noch ein drittes dazu. Das ist eher sowas wie neue Musik, die auch Jazz als Stilmittel einsetzt. Gerät rhythmisch völlig aus den Fugen, das ist lustig. Klingt für mich auch schon wieder etwas parodistsch, kabarettartig. Macht mir aber Spaß.
Es gerät zwar manches aus den Fugen, aber im Gegensatz zu anderen ähnlichen Bands der europäischen Avantgarde gibt’s hier eben doch einen Rahmen, ein Konzept, eine Komposition (die übrigens nicht aus dem Jazz kommt). Für mich eine grossartige Scheibe!
#2.14
FriedrichEine betrunkene Brass Band? Passt gut zu meinen zwei JEVER.
Prost! Für eine Brass Band sind allerdings ein paar Saxophone und Bässe zuviel zu hören…
FriedrichVielen Dank für den Blind Fold Test. Mit Teil 1 konnte ich etwas mehr anfangen als mit Teil 2, aber war fast durchgehend reizvoll. Habe keinen einzigen Musiker ekannt und bin vor allem gespannt auf das Konzept, das hinter dieser Zusammenstellung steckt.
In diesem Sinne: Gute Nacht für heute!
Danke für Deine Rückmeldungen! Das Konzept habe ich weiter oben genannt…
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