Re: Das Baritonsaxophon im Jazz

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katharsis

Registriert seit: 05.11.2005

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Ich habe das Folgende mal aus dem bft-Thread geholt, damit hier weiter diskutiert werden kann:

gypsy tail wind
Um nur mal die Extreme zu nennen:
Carney ist der Hawkins des Bari (im Sound wie in der Bedeutung!)
Mulligan ist das Fliegengewicht (im Sound, nicht in der Bedeutung!)
Adams ist der aggressivste, härteste, „schärfste“, sein Übername war nicht zufällig „the knife“!
Chaloff ist weich, lyrisch, üppig (Adams mochte ihn gar nicht, aber Adams mochte ja ausser sich, sich, sich und sich… und Carney eh keine Barisaxer)

Dazwischen gibt’s natürlich Schattierungen, es gibt Cecil Payne, Shahib Shihab (beide find ich recht schwer zu fassen, aber Shihab fasziniert mich enorm mit seiner völlig zeitlosen Musik), auch Jerome Richardson, später Ronnie Cuber, heute ganz besonders Gary Smulyan… und es gab um Mulligan andere Pres-Leute wie Bob Gordon (gross! aber viel zu früh tot), Med Flory, Jimmy Giuffre (der am Bari aber auch einiges zupackender spielt als Mulligan, eigentlich überhaupt zupackender als die meisten Westküsten-Saxer, auch am Tenor).

Weiteres natürlich gerne im Barisax-Thread oder sonstwo!

Die Leute, die Du nennst, kenne ich alle, allerdings mehr oder weniger gut. Trotzdem war das Baritonsax nie derart in meinem Fokus, dass ich auf die Personalstile geachtet hätte. Und das obwohl mir die Klangfarbe sehr gut gefällt, eigentlich sogar besser als die des Alts, das ich teilweise kreischender und spitzer empfinde, auch wenn es da bedeutende Unterschiede gibt.

Von Carney kenne ich nicht allzuviel, da insbesondere Ellington noch zu viele schwarze Flecken auf meiner Jazz-Landkarte ausmacht (dazu vielleicht auch mehr, demnächst im Big Band-Thread, um Deine andere Frage vorwegzunehmen). Faszinierend finde ich jedoch die emotionale Nähe zwischen Carney und dem Duke und wer weiß, was aus Ellington geworden wäre, oder welchen Stellenwert er heute überhaupt hätte, hätte er nicht Musiker wie Gonsalves, Hodges, oder eben Carney gehabt.

Auch Mulligan ordne ich weniger als herausragenden Baritonsaxer ein (was er zweifelsohne ist), sondern als prägenden Musiker und Bandleader, der eine zeitlang den Westcoast Jazz dominieren und prägen durfte und dann den Weg für Bands ohne Akkordinstrument geebnet hatte. Das zeigt auch schon seine Bedeutung als Arrangeur und ‚Klangkünstler‘, denn in diesem Rahmen sehe ich eigentlich seine Hauptbedeutung, gerade auch im Gegensatz zu anderen Kollegen. Interessant finde ich übrigens seinen etwas veränderten Ton in den Aufnahmen mit Ben Webster. Durch dessen weichen, gutmütigen Klang klingt Mulligan scharf, schneidend und aggressiver.

Mit Pepper Adams hast Du natürlich Recht. Ich habe mir gestern noch eine Milestone-Aufnahme zusammen mit Thad Jones angehört und da kommt der ‚approach‘ schon gut zum Tragen. Als Post-Bop-Saxer ist er vielleicht der klassischte Hardbop-Baritonsaxer, der von Dir genannten. Wenn ich im Kopf überschlage, wo er überall dabei war, dann ist das schon eine beeindruckende Menge an Aufnahmen, gerade auch was die Bandbreite der Leute anbelangt, mit denen er gespielt hat. Kennst Du das Album zusammen mit Hubbard, Pearson und Willie Nelson, welches mit unterschiedlichen Namen vermarktet wurde?

Chaloff ist auch noch ein blinder Fleck bei mir, auch wenn ich ihn wegen der Vielseitig- und Ernsthaftigkeit sehr zu schätzen gelernt habe. „Blue Serge“ ist natürlich einer der kleinen, großen Klassiker und auch „Fabel of Mabel“ mag ich sehr, wegen der offenen, aber irgendwie auch konzentrierten Anlage der Musik.

Sahib Shihab mag ich darüber hinaus auch sehr, sehr gerne, gerade was seine Leaderalben betrifft. Die Session mit dem dänischen Jazz Orchester ist ein großartiges Stück Musik, das ich aber zu lange nicht mehr gehört habe. Auch „Summer Dawn“ mag ich sehr gerne. Shihab sehe ich ein bißchen, wie einen etwas gemäßigteren Yusef Lateef an, dem aber auch die Ausdrucksfähigkeit der unterschiedlichen Instrumente sehr wichtig ist, wie auch die künstlerische Freiheit, die er damit erreichen kann. Auch Roland Kirk ist da nicht weit entfernt, da er in einer ähnlichen Weise die Instrumente spielt und damit oft sehr perkussiv klingt.
Aber auch hier gibt es noch viel zu entdecken, leider ist das nicht immer einfach zu finden.

Von Cecil Payne kenne ich darüber hinaus auch noch ein bißchen was, aber vielleicht am wenigsten von allen.

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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III