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vorgartenzu der reaktion konnte ich mich nicht verhalten, dein urteil war ja nicht begründet. gleichzeitig verstehe ich solch eine wegbeiß-reaktion bei connick sehr gut und bin mir selbst überhaupt nicht sicher, ob ich ihn mag. und ich glaube auch, dass er seine identität (auch als sänger) noch nicht gefunden hat. aber der saxophonist hier die spannendste stimme? nein! wenn dir bei nicole mitchell das bunte leben fehlt und du ihr spiel leicht akademisch findest, wirkt der hier für mich so, als hätte er new yorker straßen bislang nur betreten, um auf dem schnellsten wege in die musikbibliothek zu kommen.
Stimmt natürlich, dass meine Reaktion nicht begründet war… aber doch, ich halte den Saxophonisten hier mit all seinem Retro-Chic dennoch für die individuellste Stimme. Bei Connick höre ich wie gesagt Ansätze, aber eben keine ausgereiften sondern nur unausgegorene… und natürlich kann man sagen, der Sax-Stimme hier fehle das Leben – das ist eben kein Kriterium, das ich überall anlege, ich halte auch Paul Desmond oder in jüngerer Zeit Michael Moore für enorm interessante Stimmen und gerade Desmond ist auch nicht für Rubens’sche Üppigkeit bekannt.
vorgartenich fange da auch gerade erst an. mir geht es um das gefühl von irrelevanz, in sozialer und künstlerischer hinsicht. wenn die phase der energetischen fire music mitte bis ende der 60er noch bürgerrechtsbewegte protesthaltung war und – wenn auch kommerziell irrelevant – eine musik mit geschwellter brust, ist doch kurz danach alles weggebrochen: wertschätzung, respekt, auftritts- und aufnahmemöglichkeiten, einkünfte, politische identitäten, präsenz. all das, was – unter verlust der heimatbindung – in europa noch halbwegs zu finden war. ich frage micht: wie hat sich das in die musik eingeschrieben, wenn man (vor den young lions) nicht mehr selbstbewusst sagen konnte: ich bin musiker, ich spiele jazz. ich glaube, ohne das jetzt auf die schnelle begründen zu können, dass das die musik für mich so spannend macht: die fire music bleibt präsent, die irrelevanz führt zu individualistischen konzepten (man hört ja, womit lowe da alles herumprobiert), aus der melancholie entsteht schönheit. das wiederum hat die young lions überlebt, wenn man an den sound von gayle, ware, parker, ward, dixon, lincoln, ali usw. denkt.
Sehr interessant, was Du hier andenkst. Wenn Du sagst, man hätte vor den Young Lions nicht selbstbewusst sagen können: Ich spiele Jazz – dann halte ich das doch für eine ziemlich überspitzte Formulierung. Es gab ja in den USA auch die Loft-Szene, in der viele der Leute aktiv waren, die zuvor in Europa waren… ich höre natürlich auch diese gewisse Leere oder Melancholie oder auch Orientierungslosigkeit und was darin entstehen kann empfinde ich wie Du teilweise als enorm spannend – wohl gerade auch, weil kein fester Rahmen mehr da ist, keine klaren Erwartungen (ausser den eigenen, an denen wohl auch mancher Musiker gescheitert ist), die man zu erfüllen hat. Was übrig bleibt ist gewissermassen die Kunst an sich. Und ja, was manche dieser Leute heute machen fasziniert mich in den meisten Fällen auch immer noch ungleich stärker als was die jüngeren Generationen machen.
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