Re: bft 4 – vorgarten

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vorgarten

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gypsy tail windPardon, aber ich muss einfach nochmal…

sehr gerne!;-)

gypsy tail wind
Da muss ich ein wenig widersprechen: Ra hat doch eine Mischung aus Small Group Approach und Big Band Sound gepflegt, in dem eben für Intimität immer Raum war

das wusste ich nicht und muss ich überprüfen. ich finde ras bigband-konzepte so vielschichtig, dass ich auf aufnahmen mit kleineren besetzungen bisher wohl kaum geachtet habe.

gypsy tail wind
Der Saxophonist ist doch hier die spannendste Stimme, nicht? Es gibt ja beim Übergang zum Piano auch diesen seltsamen Zeitsprung (nach vorne, nicht etwa zurück zu Monk!)… Connick müsste wohl mehr Piano spielen, um da seine Identität zu finden – auch wenn da ansatzweise doch was zu hören ist, das interessant werden könnte, wenn es denn eben richtig umgesetzt würde. Ich will das als Kompliment verstanden haben, nicht als die zweite Runde von Connick-Abwatschen. Hätte mich übrigens über eine Reaktion Deinerseits gefreut damals, als ich ihn heftig abgewatscht habe… das blieb so einfach im Raum stehen, war aber (wie ich auch geschrieben hatte, wenn mich nicht alles täuscht) nichts mehr als eine sehr spontane Reaktion, die ich einfach nicht zurückhalten konnte.

zu der reaktion konnte ich mich nicht verhalten, dein urteil war ja nicht begründet. gleichzeitig verstehe ich solch eine wegbeiß-reaktion bei connick sehr gut und bin mir selbst überhaupt nicht sicher, ob ich ihn mag. und ich glaube auch, dass er seine identität (auch als sänger) noch nicht gefunden hat. aber der saxophonist hier die spannendste stimme? nein! wenn dir bei nicole mitchell das bunte leben fehlt und du ihr spiel leicht akademisch findest, wirkt der hier für mich so, als hätte er new yorker straßen bislang nur betreten, um auf dem schnellsten wege in die musikbibliothek zu kommen.

gypsy tail windVon Zeitlin muss ich endlich mal das Mosaic Select haben… sehr interessant, auch wenn ich mir in meinem Urteil noch keineswegs sicher bin, dafür kenne ich seine Musik noch viel zu schlecht.

ich auch. bislang nur CATHEXIS und LIVE AT THE TRIDENT. auf der GRITS & GRAVY von eric kloss ist die tolle zeitlin-komposition REPEAT zu finden (hat redbeans ja verlinkt – macht auch in jaki byards spielweise mehr spaß). bisher höre ich ihn als bill-evans-aufguss – ohne die bill-evansschen untiefen. das passt also, dass katharsis von connick direkt auf zeitlin kommt.

gypsy tail windFlucht nach Europa… ist das eine Abkopplung von der Bürgerrechtsbewegung? Hab ich mir nie so recht überlegt. Frustration und Flucht als Gegenbewegung zum Verarmen aber Kämpfen in der Heimat? Ist wohl alles etwas zu zugespitzt… aber grundsätztlich höchste Sympathie dazu. Da ist viel schöne Musik zu hören, die irgendwie zwischen Stuhl und Bank fällt, die aber in den meisten Fällen sehr viel mehr zu bieten hat als die ganzen Post-Musiken (Post-Bop, Post-Trane, Neo-Klassizimus, Young Lions). Lowe ist auf jeden Fall eine der grossen Stimmen der schwarzen Musik. Du kennst in diesem Bereich wohl mehr Musik als ich und hast Dich hier viel mehr vertieft. Würde mich interessieren, wenn Du an passender Stelle hie und da etwas vorstellen würdest (Alben, Musiker, lokale Szene, was immer), was Dir besonders wichtig ist!

ich fange da auch gerade erst an. mir geht es um das gefühl von irrelevanz, in sozialer und künstlerischer hinsicht. wenn die phase der energetischen fire music mitte bis ende der 60er noch bürgerrechtsbewegte protesthaltung war und – wenn auch kommerziell irrelevant – eine musik mit geschwellter brust, ist doch kurz danach alles weggebrochen: wertschätzung, respekt, auftritts- und aufnahmemöglichkeiten, einkünfte, politische identitäten, präsenz. all das, was – unter verlust der heimatbindung – in europa noch halbwegs zu finden war. ich frage micht: wie hat sich das in die musik eingeschrieben, wenn man (vor den young lions) nicht mehr selbstbewusst sagen konnte: ich bin musiker, ich spiele jazz. ich glaube, ohne das jetzt auf die schnelle begründen zu können, dass das die musik für mich so spannend macht: die fire music bleibt präsent, die irrelevanz führt zu individualistischen konzepten (man hört ja, womit lowe da alles herumprobiert), aus der melancholie entsteht schönheit. das wiederum hat die young lions überlebt, wenn man an den sound von gayle, ware, parker, ward, dixon, lincoln, ali usw. denkt.

gypsy tail wind
Der Zusammenhang ist einfach klar. Das Basslick kommt von Silvers Stück – das mag für Dich keine Rolle spielen, lässt sich aber nicht wegdiskutieren. Lustigerweise ist mir bei meinem ersten BFT auf Organissimo etwas ähnliches passiert: ich hatte eine wunderschöne Version von „Blood Count“, gespielt vom Tenorsaxer Andy Scherrer, drin – ohne allerdings damals die klassische Version von Johnny Hodges zu kennen. Geht dann irgendwie einfach nicht mehr, wenn man die mal kennt und um ihre Bedeutung weiss… das ist in diesem Fall hier viel weniger deutlich, aber wie gesagt: es lässt sich einfach nicht über dieses Stück schreiben, ohne „Song for My Father“ zu berücksichtigen!

klar fällt mir jetzt die ähnlichkeit auf. und natürlich kannten die drei musiker hier den father song. aber die basslinie hat ja nicht diesen treibenden drive wie bei silver, sondern eine rhythmische verschleppung, macht die musik viel träger, weswegen masekela ja immer wieder diese spannung erzeugen kann (anfeuern, ausbrechen und dann wieder dieses ermattete sich-reinfallen-lassen). wegdiskutieren wollte ich es aber nicht.

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