Re: Jazz-Neuerscheinungen

#8051427  | PERMALINK

vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

Beiträge: 12,014

eine späte 2011-entdeckung, die mich gerade wirklich begeistert:

ODEAN POPE: UNIVERSAL SOUNDS
porter records 2011

1 Custody Of The American Spirit
2 Mwalimu
3 The Binder
4 She Smiled Again
5 Go Figure
6 The Track
7 Blues
8 Custody Of The American (Bullshit Version)

Odean Pope (ts)
Marshall Allen (as, EWI)
Lee Smith (b)
Craig McIver (dm)
Jim Hamilton (dm)
Warren Smith (dm, perc, voc)

recorded in philadelphia by jim hamilton

ich habe mich nie intensiv mit pope beschäftigt, er ist mir hin und wieder aufgefallen und ich hatte ihn als coltrane-epigonen und tenor-schwergewicht abgespeichert. zuletzt hatte ich es mit der umjubelten trio-aufnahme EBIOTO (knitting factory) versucht, fand sein kompositionen auch sehr gut, sein spiel eigen und auratisch, hatte aber große probleme mit dem jungen drummer craig mc iver, der ständig irgendwo kleben blieb.

nach einer deutlichen empfehlung habe ich mal in diese neuveröffentlichung reingehört und war sofort elektrisiert. seit tagen höre ich nichts anderes mehr. wobei: das ist nicht wirklich „neue“ musik, die beiden saxophonisten sind ja auch schon jenseits der 70 bzw. 80, es gibt fire music, eine ballade, einen blues zu hören. aber das ist es eben auch: in einem ganz besonderen geist ist hier wirklich alles drin, vor allem alles philadelphia-spezifische: coltrane und sun ra, m’boom und space jazz, buddhismus und bipolare störungen.

der clou ist natürlich der drummer-chor, auch wenn mc iver wieder dabei ist. dieses versammelte schlagwerk greift toll ineinander, allerdings alles andere als präzise. nie fallen die drei in den gleichen trott oder beat. eher bekommt UNIVERSAL SOUNDS dadurch diese wall-of-sounds-ästhetik mit den schimmernden, sich permanent verändernden texturen, die ich momentan überall höre (exploding star ochestra, mantana roberts‘ coin coin, mazureks undergound-bands, roscoe mitchell…). vor allem warren smith ist großartig, er findet immer neue sounds, mal kesselpauke, mal glockenspiel, in einem stück singt er sogar in die drums hinein.
die solisten dazu sind auch eine nummer: popes zirkularatmungs-sheets, allens kurzatmige erruptionen und die fantastische komplett-arbeit des bassisten lee smith (kennt den jemand?).

das programm ist vergleichbar abwechslungsreich – jedes stück ist anders, manchmal wird nur thema gespielt, zwei stücke sind bass-solos zum drum-teppich, ein stück ist eine freie improvisation von allen auf seinem EWI. der spirit dahinter ist irgendwie lässig, irgendwie ein bisschen verzeifelt und drängend, aber strukturell von bewundernswerter offenheit – man weiß nie, was als nächstes kommt. und man hat an keiner stelle den eindruck, dass hier was heruntergenudelt oder konventionen gefolgt wird.

und – der sound ist toll! ganz klar, räumlich, schwebend und dazu die saxophone ganz direkt und physisch. (jim hamilton, einer der drummer, hat das aufgenommen).

eigentlich wäre das was für einen bft gewesen, aber das dauert mir jetzt zu lange. große empfehlung!

hier kann man’s hören.

--