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Auf „Somethin‘ Else“ – gerade dem simplen Titelstück – hat Miles, der schlaue Fuchs, diese neuen Konzepte zuerst ausprobiert, auf „Milestones“ gibt’s ein Gemisch aus Blues, Bop und modal (wobei man Blues ja auch schon fast modal ist, je nachdem, was man am Ende wirklich spielt), auf KoB gab’s dann fast nur noch Modales (der „All Blues“ hat Changes, die etwas komplexer sind als reguläre Blues-Changes, die in „Freddie Freeloader“ zu hören sind, wo richtigerweise dann der Pianist zum Einsatz kommt, der mit solcher Musik mehr anstellen konnte, Wynton Kelly).
Das grosse Faszinosum ist natürlich „Flamenco Sketches“, in dem nur die Abfolge der Tonleitern festgelegt ist, aber jeder Solist selbst bestimmt, wann er zur nächsten wechselt. (Ich hab das Gefühl, ich hätte die Details dazu schon mal irgendwo gepostet.)
Ich glaube eigentlich sowieso, dass das mit dem „Modalen Jazz“ überbewertet wird. Einerseits weil’s im Blues wie gesagt immer schon die Möglichkeit gab, enorm reduziert zu spielen, in einer Skala oder ein paar wenigen Skalen zu bleiben (eben „modal“ zu spielen), andererseits auch, weil es später eben ein Mittel unter anderen war. Das zweite Quintett machte mit den Stücken von Shorter und Hancock nicht modalen Jazz, da gibt’s Akkorde und Strukturen (verdammt komplizierte dazu), aber es gab halt auch die Möglichkeit, das alles äusserst reduziert zu verwenden, und mit Hancock/Carter waren auch Leute dabei, die in alle Richtungen gehen, jegliche „Hinweise“ der Solisten sofort aufzugreifen bereit waren.
Bei Coltrane ist es vielleicht stärker so, dass er ab einer gewissen Zeit mehr modales gespielt hat – aber am Ende ist es doch nur ein Mittel zum Zweck, kein eigener Stil oder sowas… es ist auch nicht so, dass es keine Akkorde mehr gäbe. Es ist eher so, dass die reduzierte harmonische Grundlage dem Solisten viel mehr Optionen offenlässt, dass er eben auch irgendwelche Kirchentonarten spielen kann, dass er diverse Akkorde (oder Linien, die sich ja immer irgendwie in Akkorde aufschlüsseln liessen, wenn man daran denn interessiert wäre) über den gleichen Background legen kann.
Und ganz so neu war das natürlich alles sowieso nicht, es kam einfach durch Miles gross heraus, hatte plötzlich in der ganzen Musikwelt grosse Wirkung (weil alle Gitarristen jetzt meinten, sie könnten jedes Stück einfach E spielen und so lange solieren, wie sie wollten, wohl ;-))
Im ernst: es gab George Russell und Gil Evans, beide für Miles nicht unbedeutend, es gab schon bei Tristano völlig freie Improvisation, noch in den Vierzigern. Aber das waren eben Randbereiche, während diese Spielweise mit Miles dann in der Mitte der Jazzwelt auftauchte und für Aufsehen sorgte (Dolphy gab’s auch noch, dessen „Red Planet“ oder wie es hiess später zu „Impressions“ wurde, und ursprünglich ganz eng mit „So What“ verwandt war).
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