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Ich weiss, dass Pujol in manchen Fällen mit Musikern oder Witwen in Kontakt stand (so bei der tollen Nocturne 3CD-Box, die ich schon einige Mal empfohlen haben muss hier). Dass die Aufnahmen nach 50 (neu wohl ab 70 – gibt’s da schon weitere News?) Jahren nicht mehr geschützt sind, stört mich an sich auch ganz und gar nicht.
Aber da Problem, das sich ergibt – und das sollte auch nail zu denken geben: Jeder kann aber jeder (guten oder eben auch mangelhaften) Quelle ein Reissue basteln. Und da habe ich meine Mühe und meine Fragezeichen. In paar Punkte und Fragen in Kürze:
1) Was heisst es, wenn Pujol sagt, er habe Ree-to-Reel-Tapes gekauft? Wie weit sind die von den Mastern entfernt? Sind das gar schon fertige Master? Bei denen sind die Schutzfristen nämlich anders als bei den Aufnahmen an sich, bzw. sie gelten für 50 Jahre ab dem Datum, als die Master erstellt wurden, wenn Pujol also 70er Master herausgibt, ist das an sich wieder illegal… bloss wie will man das beweisen, wenn um solche Dinge in den audiophilsten Foren keine Einigkeit herrscht…
2) Wenn Pujol so nahe an der Quelle ist, warum klingen denn viele Freshsound CDs so gottsjämmerlich schlecht? Ein junges Beispiel: die an sich tolle Joe Puma CD… das Jubilee-Album (das hat er bestimmt nicht gekauft!) liegt in einer neuen Japan-Edition vor. Da liegen qualitativ Welten dazwischen!
3) Warum gibt Pujol denn so oft Dinge heraus, die erst grad noch erhältlich waren? Warum stellt er so oft depperte Compilations zusammen, von denen jeder geneigte Sammler die eine Hälfte schon besitzt? Das ist für mich nicht seriös und oft sehr ägerlich.
4) Warum verwendet Pujol immer wieder mal originale Liner Notes, wenn diese doch (meines Wissens) bis 70 Jahre nach Ableben des Autors geschützt sind?
Das mag jetzt wieder negativer klingen, als es gemeint ist. Ich bin Fresh Sound für viele Dinge dankbar und ich weiss auch, dass manches (darunter der komplette Fresh Sound New Talents Katalog) völlig legal ist.
Die zentrale Frage, die sich mir nach der Lektüre des Interviews stellt ist in der Tat jene nach der Qualität. Wenn Pujol so nahe an der Quelle ist, wie er sagt – warum klingen seine Reissues denn im Normfall mittelprächtig und in Ausnahmefällen auch ganz schlecht?
Noch was:
So if and when copyright protection is extended to 70 years, that means that from the year the law enters into effect—let’s say in 2012—all recordings from 1962 with a legitimate copyright claim will be protected until the year 2033.
[…]
It’s too soon to say how much the extension of an additional
20 years of protection will affect European labels like mine. Obviously it will be a handicap for most labels here. Jazz fans should also be concerned about this coming change.[…]
Under past laws, many of those albums were just a few years away from qualifying. But that’s going to change. Any hope of our releasing choice recordings from the ’60s and beyond, for example, will vanish with the new law if that recording is copyrighted.
[…]
Why?
JP: In virtually every case, the American labels that own the masters will not be interested in reissuing them, and we cannot either until they are in the public domain in Europe.
Does Fresh Sound use LPs as a source?
Yes, of course, when we need to. We always use clean or
mint LPs, as well 45-rpms and 78-rpms if need be. We also use the most advanced technology to restore and improve the sound of these old recordings, in most cases improving on the original sound.
Meines Wissens wird (würde) die Verlängerung des Schutzes auf 70 Jahre nicht rückwirkend angewendet, d.h. wird der Schutz z.B. 2014 verlängert, bleiben Aufnahmen bis 1963 nicht geschützt. Allerdings vergehen dann 20 Jahre, bis der Schutz für Aufnahmen von 1964 verfällt. Das ist ein Problem, aber in Anbetracht des immensen Reichtums, den man im Jazz von ca. 1920 bis 1960 finden kann, sollte es Fresh Sound kaum das Genick brechen (bzw. falls das einträfe wären sie wohl selber schuld).
Zudem, was die Vinyl-Transfers betrifft: Natürlich tun sie das, immer wieder tun sie das! Es ist ja (wenn man keine solchen Reel-to-Reels besitzt) die einzige legale Weise, Aufnahmen zu veröffentlichen. Ein CD-Remaster dürfen sie ja nicht verwenden – und tun es meines Wissens auch nicht… wie das bei Lonehill und anderen dubioseren Labels aussieht weiss ich nicht, aber ich halte Fresh Sound generell für ein grosses Stück seriöser! Dass sie mit ihren Transfers allerdings den Klang verbessern, darüber kann ich nur lachen… (allerdings sind Fresh Sound LPs gar nicht übel, falls man welche kaufen kann!)
Letztens und wichtigstens: Das zentrale Problem liegt natürlich wie Pujol richtig sagt, im Unwillen der US-Majors (eigentlich sind sie ja längst global), mit den Aufnahmen überhaupt etwas anzustellen.
Die beste Lösung wäre es natürlich, wenn sie anderen Labels gegen sehr geringe Gebühren (anders geht’s ja nicht) Zugang zu ihren Masters böten, damit diese anständig klingende Reissues produzieren könnten.
Das zumindest wäre mein Wunsch… denn wie gesagt: würde Fresh Sound bessere Qualität bieten (und weniger depperte Compilations und weniger rasch nach Vergriffensein von Ausgaben anderer Labels dasselbe wieder auf den Markt werfen), wäre ich ein Fan des Labels!
(For the record: ich besitze 1LP und 70CD, darunter über ein Dutzend Doppel-CDs, sowie je ein Tripel- und ein Quadrupel-Set.)
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba