Re: Jazz: Fragen und Empfehlungen

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gypsy-tail-wind
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Ja, freut mich ebenfalls, das zu lesen – und umso mehr, dass ein paar meiner Tipps gut angekommen sind!

Bei Adderley würd ich mal mit „Live in Europe“ und „Mercy, Mercy, Mercy“ weitermachen, das sind die folgenden zwei Besetzungen seiner Band, erstere im Sextett mit dem tollen Yusef Lateef (von dem ich „Eastern Sounds“ zum Einstieg empfehle), letztere mit einer etwas späteren Band, zurück im Quintett. Beide Male ist Joe Zawinul als Pianist bzw. auf „Mercy, Mercy, Mercy“ auch am Fender Rhodes dabei, das Titelstück hat er ebenfalls komponiert… tolle Scheibe, die live im Studio vor geladenen Gästen aufgenommen wurde.

Was Joe Henderson betrifft: von Horace Silver brauchst Du unbedingt „Song for My Father“, dann würd ich vielleicht eher mal „In’n’Out“ anhören. Die ist auch mit Kenny Dorham, aber mit einer „härteren“, zupackenderen Rhythmusgruppe, das geht mehr ab. Oder Kenny Dorhams „Una Mas“, das geht dann mehr in die Groove-Richtung und das Titelstück ist unwiderstehlich.

Von da gleich zu Mobley, denn der spielt auf Dorhams sehr schönen „Whistle Stop“ mit, das aus seiner vielleicht besten Zeit (um 1960) stammt. Der vorbehaltlosen Empfehlung für „Soul Station“ schliesse ich mich an, füge noch „Workout“ an, auf dem Grant Green zu hören ist (ebenso wie Pianist Wynton Kelly, der auf beiden Scheiben mitwirkte).

„My Point of View“ find ich wohl das schwächste aller Hancock-Alben für Blue Note (aber gut ist es nichtsdestotrotz). Die chronologische Vorgehensweise ist spätestens dann, wenn Du richtig vom Jazz-Virus gepackt bist, immer gut, aber ich würde vielleicht doch in diesem Fall eher zu „Empyrean Isles“ und „Maiden Voyage“ raten. Auf beiden spielt Freddie Hubbard Trompete, auf letzterem zudem George Coleman Tenorsax, ein eher unterschätzter Musiker, der um 1963/64 auch bei Miles war – bevor dieser Wayne Shorter kriegen konnte, dessen „Speak No Evil“ ich ebenfalls empfehle, und mit Shorter, Miles, Ron Carter und Tony Williams würd ich auch noch „Miles Smiles“ von Davis unbedingt empfehlen.

Und wenn wir bei Miles sind… von „Miles Smiles“ bis zu „In a Silent Way“ ist der Weg nicht soooo weit, die tollste Station dazwischen ist wohl „Filles de Kilimanjaro“, das Du Dir auch anhören solltest, funky, sehr relaxed, der Einfluss von Jimi Hendrix ist da, die offenen Grooves, das Fender Rhodes… wird Dir bestimmt auch gefallen!

Von Milles zu Gil Evans… wenn er Dein Einstieg in grosse Besetzungen sein soll, dann hör Dir „Out of the Cool“ an – atmosphärischeren Big Band Jazz wirst Du kaum finden! Das wäre allenfalls ein Ausganspunkt, um bei George Russell weiterzumachen, oder auch, um in die Vergangenheit zurückzugehen („Atomic Basie“ vielleicht, etwas von Ellington, z.B. „Black Brown & Beige“… von Ellington ginge dann ein Tür auf zu Charles Mingus, „Mingus Ah Um“ und „Black Saint and the Sinner Lady“… und von Mingus und Russell wäre der Weg in die Avantgarde nicht mehr allzu weit, z.B. mit Eric Dolphys „Out to Lunch“, auf dem Freddie Hubbard und Bobby Hutcherson mitwirken… von da zu Andrew Hills „Point of Departure“ mit Kenny Dorham, Eric Dolphy, Joe Henderson und derselben Rhythmusgruppe wie auf „Out to Lunch“: Richard Davis und Tony Williams… und ehe Du Dich’s versiehst, wirst Du vielleicht gar noch zum – Gott behüte! – Free Jazz Fan… :-) ).

Genug der gelegten Fährten… viel Spass beim weiteren Ziehen von Kreisen! Geh den Sidemen nach, und verfolge, was immer Dir wert scheint, und Du wirst immer neue Musiker und Alben entdecken, das kommt von allein!

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