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Vor geraumer Zeit habe ich hier mal um Einsteigerempfehlungen in Sachen Jazz gebeten und prompt eine ganze Palette an Tipps zurückbekommen. Deshalb hier noch einmal vielen Dank, vor allem an gypsy und redbean, sowie ein bisschen Feedback – besser spät als nie.;-)
Unbedingt ausdrücklich erwähnen möchte ich:
-Cannonball Adderley Quintet – Live at the Jazz Workshop, San Francisco 1959. Beim Hören dieser Aufnahmen stellt sich ein großartiges Bar-Feeling ein. Die Atmosphäre ist sehr entspannt, auch dank Cannonball’s lockeren Ansprachen. Man hört den Musikern deutlich an, wieviel Spaß sie bei der Sache haben. So eine Stimmung lässt sich einfach nur mit Live-Aufnahmen einfangen. Das Album „Them Dirty Blues“ ist zwar ebenfalls toll, sowohl die Komposition als auch die Interpretation und Improvisation der Musiker, doch finde ich, dass Adderleys Musik wie geschaffen für solch atmosphärische Live-Darbietungen ist.
-Les McCann & Eddie Harris – Swiss Movement …kann auf ähnliche Weise punkten. Hier sieht man mal, wieviel Atmosphäre und der richtige Vibe ausmachen. Man schickt ein paar Musiker auf die Bühne, von denen ein guter Teil noch nie vorher zusammen gespielt hat und heraus kommt so eine großartige Aufnahme. Und Les McCann soll nach dem Auftritt noch sauer gewesen sein, weil er der Meinung war das Ganze habe überhaupt nicht funktioniert…. Das Album enthält gute Lieder, aber auch solche, die an sich nicht besonders herausstechen und – besser gesagt – auch nicht soo der Brüller sind. Der Reiz bei dieser Aufnahme liegt in den besonderen Umständen, welche die Musiker unglaublich gut gemeistert haben und sogar zu ihrem Gunsten wenden konnten.
-Herbie Hancock – Takin‘ Off …ist ein Feuerwerk an kreativer Energie und beeindruckt mich vor allem durch Hancock’s tolle, einfallsreiche Kompositionen, die gar nicht besonders kompliziert sein müssen. Man hat den Eindruck, er wisse genau, wie man die einzelnen Musiker in Szene setzt und gleichzeitig immer den Blick fürs Ganze behält. Aber auch jedes Session-Mitglied liefert hier eine tolle Leistung ab (mal auffällig wie Dexter Gordon am Tenor Sax, mal unauffällig wie Butch Warren am Bass), eingeschlossen Hancock selber, dessen immer wieder auftauchende Läufe mich als Klavierspieler jedes Mal umhauen.
-Miles Davis – In A Silent Way Zu dem Kerl braucht man nicht mehr viel zu sagen, auch wenn man oft das Gefühl bekommt, es könnte nicht genug über ihn gesagt werden. Absoluter Ausnahme-Musiker, der hier wahrscheinlich DEN Anstoss in Sachen Jazz-Rock gibt. Geht ins Ohr wie sonstwas, ist ausgefuchst, spannend, emotional und technisch umwerfend.
Außerdem habe ich mir noch „Sketches Of Spain“ von ihm und Gil Evans zugelegt, was bis dato das einzige Album mit größerer Besetzung ist. Hier wissen neben Davis‘ gefühlvollem Trompetenspiel vor allem Evans‘ unglaublich präzisen und innovativen Kompositionen zu gefallen.
-Lee Morgan – The Sidewinder …ist eines meiner liebsten Alben, gerade wegen der tollen Besetzung – besonders mit Billy Higgins an den Drums, natürlich Morgan an der Trompete, der eine umwerfende Performance hinlegt, Bob Cranshaw am Bass und auch Joe Henderson am Tenor Sax.
Dessen Auftritt als Leader auf seinem Album „Page One“ hat mich allerdings weniger überzeugt. Irgendwie ist mir sein Stil zu „akademisch“ – spieltechnisch bestimmt von allen Zweifeln erhaben, aber mir steckt da zu wenig Gefühl drin. Oder die Gefühle, die er mit seinem Spiel vermittelt kommen bei mir nicht oder anders an – ganz klar eine Geschmacks- und Auffassungsfrage.
-Hank Mobley – Reach Out! Auch bei dem Album konnte der Funke bisher nicht so ganz überspringen. Woran das liegt, weiß ich nicht so genau, denn Mobley’s Saxophonspiel gefällt mir eigentlich sehr gut (mag wohl wieder an der Nähe zu Grant Green liegen). Ich bekomme beim Hören so ein bisschen das Gefühl, das Album wäre etwas auf Nummer sicher gemacht, ohne große Besonderheiten und das Ganze plätschert nur an mir vorüber. Ist aber natürlich wieder eine Geschmacksfrage, andere mögen das völlig anders hören, wie wahrscheinlich auch du, redbean, als du im „Meine neueste Scheibe“-Thread meintest, das Album gefalle dir sehr gut und meinen Eindruck hören wolltest. Ist aber nun schon eine ganze Weile her, ich weiß…
Weiterhin habe ich mir noch so einige andere Aufnahmen zugelegt, unter anderem solche von Grant Green, dessen „Idle Moments“ ich nun auch endlich besitze. Es ist tatsächlich sein Bestes, der Vibe zwischen den Musikern muss einzigartig gewesen sein, damit solche Aufnahmen wie das Titelstück zustandekommen, das von tollen Improvisationen nur so überbordet. Green ist mit seinem Gitarrenspiel völlig auf der Höhe seiner Kunst und weiß über das ganze Album zu begeistern.
„Grant’s First Stand“ von 1961 ist dank seiner tollen Stimmung immer noch eines meiner Lieblingsalben von ihm, weshalb ich es mit „Stop And Listen“ vom Organisten Baby Face Willette probiert habe, dessen Session-Mitglieder die gleichen wie bei besagtem Album von Green sind (Grant Green – Guitar; Baby Face Willette – Organ; Ben Dixon – Drums). Die kleine Aufstellung funtioniert hier ebenso gut, Willette bietet mit seinem Spiel einen beinahe hypnotischen Klangteppich, der einerseits Green’s ausufernden Solos den benötigten Platz gibt, andererseits auch selber streckenweise zu wunderschönen, gefühlvollen Solos wird. Ben Dixons Schlagzeug federt entspannt im Hintergrund und bietet somit die passende Grundlage. Die drei funktionieren hervorragend zusammen, deshalb hier auch eine ganz klare Empfehlung für dieses Album, gerade wem „Grant’s First Stand“ gefallen sollte, der sollte hier zuschlagen. Die ersten vier Songs (1. Ann Ronnell’s „Willow Weep For Me“, die anderen drei Kompositionen von Willette) sind so großartig, dass sie den etwas schwächeren Mittelteil entschuldigen, bei dem ein bisschen die Luft raus ist. Der letzte Track, eine Interpretation von Nat Adderley’s „Work Song“, ist wieder sehr gelungen und der Bonus-Song „They Can’t Take That Away From Me“ (Gershwin) eine schöne Bereicherung.
Ich hoffe, dass ich mit dieser Empfehlung und den ein, zwei Anregungen zwischen all dem losen Feedback auch etwas konstruktives beigetragen habe.:wave:
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