Re: Jazz: Fragen und Empfehlungen

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gypsy-tail-wind
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redbeansandricedas kann man sicher so sehen – aber wieviele Stunden aufgenommenen puren Bebop gibt es dann? 10? ich find das macht irgendwie keinen Sinn, da ist es natürlicher zu sagen, sie konnten ja nicht allen Bebop im ersten Jahr schon spielen, waren ja auch nur eine handvoll Leute… so wie zwei Alben eines Künstlers nicht immer gleich klingen… und bei Raeburn etwa hast du auch 1945 schon Markenzeichen des Cool Jazz… Bop und Cool scheinen mir schon (maximal) zwei Facetten der gleichen Revolution zu sein…

Das sehe ich beides ähnlich. Ich meine, wenn man den Bop so eingeschränkt sähe, dann wäre z.B. Barry Harris gar kein Bopper mehr. Und dann wird’s langsam absurd.

Dazu, Bop und Cool als zwei Facetten zu sehen, tendiere ich auch immer stärker ja. Quasi mit einer Gewichtsverlagerung… also 1945/46 war Cool so in etwa auf Tristano, Thornhill und Raeburn beschränkt, Bop war viel breiter – und das verschiebt sich dann gegen Ende der 40er und noch stärker in den frühen 50ern (als auch der West Coast Jazz in New York einen gewissen Einfluss entfaltet und sei es nur über quasi Geistesverwandte wie Al Cohn und Zoot Sims, Stan Getz oder Jimmy Raney – aber grad bei den beiden ist ja schon alles wieder viel komplizierter als bloss „hot vs. cool“). Der West Coast Jazz lief ja dann so bis 1954 sehr gut, dann kam die Retourkutsche mit Horace Silver, Art Blakey und den Jazz Messengers, Clifford Brown/Max Roach, dem neuen Miles Davis Quintett etc. Da ging’s dann tendentiell mit dem West Coast Jazz eher wieder bergab (sehr pauschal gesagt natürlich, das Chico Hamilton Quintet entstand ja da erst und war nicht nur erfolgreich sondern auch musikalisch sehr toll, zumindest in den ersten paar Jahren) und der Cool Jazz war auch schon fast verschwunden bzw. rettete sich noch ein wenig in den Third Stream oder in Gruppen wie das Modern Jazz Quartet oder die Jimmy Giuffre 3.
Man kann das ganze quasi als Pendelbewegung sehen – es ist an sich immer beides da und auch auf beiden Seiten immer Musik von bester Qualität, aber die Popularität schwankt quasi hin- und her und die Musik verändert sich dabei auch und findet neue Formen zwischen den beiden „Extremen“ (also das grossartige Shelly Manne Quintet mit Candoli und Kamuca von ca. 1960 hätte mit denselben Leuten wohl fünf Jahre früher noch ganz anders geklungen und Victor Feldman wäre – weil viel zu funky – gar nie in die Band aufgenommen worden).

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