Re: Jazz: Fragen und Empfehlungen

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vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

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gypsy tail windDas such ich nachher gleich… bzw. hab’s grad schon in einem Stapel entdeckt… werd mich wieder melden dazu! Hast Du’s schonmal irgendwo erwähnt? (Moran-Thread starten?)

deine stapel machen mir angst ;-)
nein, ich habe „10“ noch nicht erwähnt, aber irgendwo fiel der name und du meintest, dass dich das nicht vom hocker gerissen hätte bisher. ich habe mich sehr für moran gefreut, dass er rauf und runter gelobt wurde dafür, manchmal gibt es ja auch den fall, dass hypes zurecht entstehen. ich finde ihn aber eigentlich immer gut, in allen möglichen kontexten – sein spiel ist originell und sehr robust (durchaus auch als ernsthaften andrew-hill- und jaki-byard-fackelträger, die ja seine lehrer waren).

gypsy tail wind
Und wenn ich grad dabei bin… ob das mit Vijay Iyer wirklich was wird… ich hab da so meine Zweifel. Hab ihn auch live gesehen (im Duo mit Rudresh Mahanthappa) und empfinde seine Musik als sehr kalt, sehr akademisch, sehr „schau mal was ich tolles weiss und wie ich das alles umsetzen kann“… irgendwie oft fast mathematisch. Mir fehlt da bisher ein direkter Zugang, den ich irgendwann auch bei den Leuten haben will, die mich konzeptionell sehr faszinieren (was ich bei Iyer nicht behaupten könnte, pardon). Für mich hat Iyer etwa die Ausstrahlung eines genialen App-Entwicklers von Mac… irgendwie alles mathematisch, brillant, aber kalt.

da sind wir uns sowas von einig…

gypsy tail wind
Hattest Du das schon mal erwähnt? Werde also Ausschau halten… wer spielt denn da sonst noch mit? Und das wär wohl auch was für Alex, oder?

akinmusires band ist genau so jung wie er, aber vor allem er überzeugt, mit tollem ton, guten kompositionen und einer ziemlich souveränen zurückhaltung. hier (LINK) ein schönes MY-times-porträt über ihn. die cd heißt WHEN MY HEART EMERGES GLISTENING.

gypsy tail wind
Ich will mich jetzt nicht zum Siechtum des wirtschaftsdiktierten Niedergangs des Bildungssystem äussern, aber ein Unterschied liegt wohl darin, dass damals viele Kurse belegten auf Musikhochschulel, oder mal ein Jahr studierten, während in der heutigen Papierli-gläubigen Zeit jeder einen Bachelor oder Master oder Postdoc oder was weiss ich für einen Schrott braucht… er muss ja später auch mal seine Brötchen verdienen (sprich ins Lehrerfach wechseln) können und darum braucht man einen ordentlichen Abschluss und all das… die Verbürgerlichung des Musikers. Ich will ja nicht sagen, in den 50ern, als alle dauernd an ihrer Drogensucht starben, sei alles besser gewesen, will kein Bohème-Leben verklären, über das ich nichts weiss… aber dass sich da ganz grundlegende Dinge verändert haben, scheint mir auf der Hand zu liegen. Und diese Veränderungen halte ich für einen zentralen Faktor darin, dass der „Mainstream“ heutzutage so irrelevant, akademisch und museal geworden ist… dass man Jazz eben quasi als Repertoire-Musik an der Hochschule lernt. Das halte ich für eine fatale Entwicklung.

darüber habe ich so noch nie nachgedacht und finde das sehr einleuchtend.

und noch kurz zu ravi coltrane:
ich finde ihn auch keine wirklich zentrale figur im heutigen jazz und bin auch ein wenig enttäuscht. er ist ja auch ein steve-coleman-protegé und hat lange mit neuen rhytmischen konzepten experimentiert und einen anderen weg als die young lions versucht. das erste album (MOVING PICTURES) war wirklich toll, auch sein beitrag zu den letzten aufnahmen seiner mutter fand ich sehr berührend. aber insgesamt ist das doch immer mainstreamiger geworden, der ton immer gesetzter, alles immer biss- und kraftloser. natürlich hat er ein riesen potential und ich würde ihn auch gerne mal wieder live sehen – vielleicht magst du ein bisschen berichten, alex?

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