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alexischickeHard Pop
Das ist, wenn Dippermouth mit einer Morgenerektion erwachte? :lol:
nail75WMs Problem ist nicht, dass er keine Ahnung hat…
:lol:
katharsisDas bezweifel‘ ich. Ganz ehrlich!
Nicht übertreiben bitte – siehe:
tejazzDas mit der Ahnung vom Jazz würde ich so nicht bei Wynton Marsalis sehen.
Ohne gypsy damit zu nahe treten zu wollen, den Kosmos von ihm und WM kann ich gar nicht überblicken und traue beiden daher auch immens viel zu.
Aber gypsy hat für mich schon mal den Vorteil (neben seiner „Verfügbarkeit“ usw.), daß er über Meinungen anderer nachdenkt und ggf. seine eigene korrigieren kann.
Das Empfinden habe ich bei Wynton Marsalis nicht. Wobei ich seine Ausführungen auch seit Jahren nicht mehr verfolge. Vielelicht ist er ja inzwischen „altersweise“ geworden.Ich habe das jetz mal kurz gehalten, weil ich meine, darüber nicht fünf Seiten schreiben zu müssen/sollen. Meine Grundeinstellung läßt sich auch so herauslesen.
Und Lobeshymnen auf gypsy werden ja nicht nur von mir ab und an gestreut, da reduziere ich dann auch mal.;-)
Lobeshymnen brauch ich nicht! Und klar, man sollte immer und überall seine Meinungen hinterfragen, sich Gedanken machen, von welchen Prämissen man ausging, um zu einer Ansicht zu gelangen, sich überlegen, ob das alles immer noch zutrifft und gegebenfalls auch alles über den Haufen werfen können.
Das gehört nunmal zum kritischen Denken mit dazu.
Dass Marsalis genau das nicht tut (siehe nails Einwurf) macht ihn so… gefährlich. Zudem hat er die grösste Finanzmacht hinter sich, die je ein Jazz-„Promoter“ (im weitesten Sinne) hatte, das Lincoln Center, die wenigen Amerikaner, die sich für Jazz interessieren, glauben zu grossen Teil wohl wortwörtlich, was er (oder Burns, der sich quasi zu seinem Helfer degradieren liess) erzählen. Das Problem ist nicht Unwissenheit sondern ideologische Festgefahrenheit. Wynton Marsalis ist für mich quasi der Neo-Con-Ideologe des Jazz (und nein, man bewahre mich vor Leo Strauss-Vergleichen, das hat dieser nicht verdient… ich denke da eher an freundliche Zeitgenossen und Dicks wie Cheney oder Rummy).
redbeansandricewas ich übrigens neulich in alten Jazz Podium Heften aus den 50ern ziemlich bemerkenswert zu lesen fand, war wie klar Behrendt die Kette bis Hard Bop schon zu dieser Zeit formuliert hat (während andere der Autoren Philly Joe Jones in Miles erstem Quintet für den heruntergekommenen Jo Jones hielten, solche Sachen…); keine Mainstreamdebatte mehr, aber ist doch klar, dass für eine Einordnung nicht nur zählt, was man macht, sondern auch wann man es macht, Vorreiter ist nur der erste und vielleicht noch der zweite… natürlich weiß Wynton Marsalis Sachen über Jazz, die dir und gypsy immer verschlossen bleiben werden – das ändert aber nichts daran, dass seine verbalen Äußerungen ihn als dämlich und borniert erscheinen lassen – davon, jemals Trompetensoli wie er über How High The Moon zu spielen, davon könnt ihr nur träumen – das heißt aber nicht, dass man irgendwas auf seine jazzhistorischen Ergüsse geben muss…
in Sachen:
Blues-Ragtime-Dixieland-New Orleans-Swing-Bebop-Cool Jazz-Hard Bop-Free Jazzklar ist Ragtime irgendwie isoliert und gut abgegrenzt, mit Blues ist das schon schwieriger, wenn man die Liste streng chronologisch sieht, wird es zweifelhaft, die Trennung Dixieland/New Orleans hat mich noch nie so richtig überzeugt, klar ist da was dran, aber wenn ich abwäge ‚was die Unterscheidung bringt‘ vs ‚an wievielen Stellen sie problematisch ist‘ find ich sie nicht mehr so super – ich hatte immer das Gefühl, dass diese Trennung zu einer Zeit eingeführt wurde, als noch niemand abschätzen konnte, wie weit und breit sich der Jazz entwickeln würde, dass man sie im Nachhinein eher nicht mehr gemacht hätte… klar, Swing war der nächste Schritt und auch Bebop war nochmal wirklich was anderes … die Unterscheidung Bebop/Cool/Hard Bop ist dann schon wieder ziemlich schwer, ich fänd es ähnlich natürlich, den Bebop Begriff aufzuweichen, so dass John Lewis, Birth of The Cool… drunterfallen, und den Rest vom Cool Jazz in ein Swing Revival mit Bop Anleihen zu packen… wie dem auch sei, jenseite von New Orleans, Swing, Bop, Free find ich diese Unterteilung nicht übermäßig überzeugend…
Von Berendt halte ich viel, auch in Unkenntnis seiner frühen Schreibereien (was ist eigentlich mit diesen Jazzpodium-Ausgaben… hab ich neulich auch mal dran gedacht, krieg ich die dereinst? Oder was war damit schon wieder? Eilt ja alles nicht, vielleicht im Herbst persönlich?).
Was Deinen Vorschlag zum Aufweichen von Bop betrifft: in diese Richtung hab ich auch schon gedacht, man kann den sogenannten Cool Jazz von Leuten wie Miles, Lewis oder dem frühen George Russell durchaus als eine Facette des Bop sehen, anderes (die Brothers, die eher mainstreamigen RCA-Sachen) durchaus als Erweiterung des Swing betrachten.
Andererseits ist der Begriff Bebop eben doch recht schön umrissen, wenn man ihn strikte auf die Jahre 1944-49 anwendet (in denen es auch noch wenig Cool Jazz gab, Tristano lass ich übrigens gern als Bopper durchgehen) und es wäre auch schade, das aufzugeben.
Die Linie mit Blues und Ragtime beginnen zu lassen ist arg verkürzt, wenn man schon zum Blues zurückgeht müsste man auch die anderen Elemente berücksichtigen, Spirituals, Work Songs, Marching Band Musik (inkl. des verhassten John Philipp Souza) und anderes (wohl auch die europäische Tradition über die Oper, Verdi etc… New Orleans war der erste melting pot, in dem alles zusammenfand). Diesbezüglich will ich mich eines Tages komplett durch Allen Lowes tolle „Devilin‘ Music“ CD-Boxen und Booklets arbeiten, da wird in vielerlei Hinsicht völlig quer gedacht und verknüpft. Soweit ich da hereingelesen und -gehört habe (etwa die ersten drei CDs der ersten Box) fand ich das enorm anregend und faszinierend. (Seine Blues-Box wäre dann das nächste, aber die hab ich noch nicht.)
Was nun Dixieland und New Orleans betrifft: da ist doch die Reihenfolge vertauscht? New Orleans sind die Hot Fives, Luis Russell… dann folgte der Zug nach Chicago (schon King Oliver reiste dahin) und ich hab das irgendwie so im Kopf, dass Dixieland eben die Musik aus dem Süden (südlich der Mason-Dixon-Line ist eben Dixieland) ist, wie sie dann aber nicht nur im Süden sondern in Chicago und wenig später auch in New York gespielt wurde… und das bald auch von Weissen (bemerkenswert etwa der Zirkel um Eddie Condon, der bis in die 50er in Condons Klub und einer langen Reihe von Konzerten in der New Yorker Town Hall Dixieland-Musik erster Güte gespielt hat).
Die Revivals setzen dann schon Ende der 30er ein, als Bunk Johnson wiederentdeckt wurde. Es entstanden auch Label, die das dokumentierten und in den 50ern und bis in die frühen 60er zog sich das weiter, auch Atlantic und Riverside begannen, diese „alte“ Musik zu dokumentieren, in teilweise schon fast an ethnologische Studien erinnernder Feldforschung. Gleichzeitig spielte in New York in den 50ern z.B. auch mal Roy Eldridge in einem Dixieland-Setting, Kid Ory und Red Allen tauchten wieder auf, nahmen für Norman Granz neue Alben auf… und irgendwann tauchte selbst Earl Hines wieder auf (und Roy Eldridge war neben Coleman Hawkins an den tollen „Grand Reunion“ Aufnahmen für Limelight beteiligt). Um all das zu fassen scheint mir „Mainstream“ eben doch ein sehr geeigneter Begriff zu sein (das ist eben die erste Bedeutung aus der oben geführten Diskussion – die zweite mag man verwerfen, man verzeihe es mir aber, wenn ich nicht gänzlich drauf verzichten mag).
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #157: Benny Golson & Curtis Fuller – 12.11.2024 – 22:00 / #158 – 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba