Re: "Django Unchained" – der neue Tarantino

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bullschuetz

Registriert seit: 16.12.2008

Beiträge: 2,119

talking headNach wiederholtem Sehen des Films für mich die größte Fehlinterpretation.

Warum? Was nail geschrieben hat, ist doch richtig – und eigentlich weniger eine Interpretation als im Grunde Deskription. Inwiefern soll das falsch sein? Die KZ-Parallelen sind ja unübersehbar und sehr betont herausgearbeitet. Tarantino hinterlegt das ja auch mit eine klassischen Frage, die sonst im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus gestellt wird: Wie kann ein Volk, das sich über seinen Kulturzugang eigentlich als hochzivilisiert ausweist, so etwas tun? Es ist sehr bezeichnend, dass „Für Elise“ auf der Harfe intoniert wird. Und die Waltz-Figur wird ganz gezielt als Gegenpol aufgebaut – offensiv und geradezu überkandidelt kulturbeflissen, gebildet, redegewandt, rastet er just da aus und fällt tödlich aus der Rolle, als er sieht, wie in dieser Südstaatenvilla die Hochkultur in völliger Ignoranz zur Erbauung von Skalvenhaltern vereinnahmt wird. Dazu die intertextuellen Spielchen mit Richard Wagner, mit germanischer Mythologie …

In der Tat, phasenweise ist dieser Film eine sehr kluge Reflexion über Zivilisation und Barbarei, verkleidet als trashiger Westernfilm. Nicht, dass dieser Streifen nicht auch da und dort unter Selbstgefälligkeiten des Regisseurs, Längen, Schwächen und Albernheiten zu leiden hätte – aber was nail beschrieben hat, scheint mir doch kaum abweisbar auf der Hand zu liegen.

Inglourious Basterds war eine Rache- und Selbstermächtigungsphantasie gegen die Unerträglichkeit der Geschichte, angesiedelt in Nazi-Deutschland, inszeniert mit Stilmitteln des Western. Django Unchained ist eine Rache- und Selbstermächtigungsphantasie gegen die Unerträglichkeit der Geschichte, angesiedelt im Western-Setting, verweisend auf die Nazi-Parallele. Die beiden Filme sind nicht zufällig direkt hintereinander entstanden, Zwillingsstücke, sie spiegeln sich gegenseitig.

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