Re: john lenwood "jackie" mclean

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gypsy-tail-wind
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Der Rest von 4, 5 and 6 wurde eine Woche später eingespielt, auf Parkers „Confirmation“, dem mit über elf Minuten längsten Stück des Albums, spielen sowohl Byrd als auch Hank Mobley mit, die Gruppe wird für diese eine Nummer zum Sextett. Das Thema wird im bouncenden Medium-Up-Tempo präsentiert, Taylor und Wakins‘ Begleitung ist erstklassig. McLean spielt das erste Solo, wirkt aber etwas fahrig, seine Pausen oft so lang, dass man sich wundert, ob er nicht mehr weiter weiss. Doch dann folgt er plötzlich wieder mit tollen Ideen. Byrd ist der zweite Solist die lyrische Sparsamkeit von „Contour“ ist teilweise noch zu hören. Waldron setzt zu Beginn seines Solos aus, was Taylor für ein paar Spielchen mit rim shots nutzt. Byrd wirkt hier jedenfalls sicherer als McLean. Mobley soliert als dritter, ist eindeutig der reifste der Bläser, mit samtenem Ton und Linien, die sich geschmeidig wie eine Katze bewegen. Waldron folgt, dann folgen Exchanges der Bläser und im abschliessenden Thema kriegt Taylor die Bridge.
Mit „When I Fall in Love“ folgt eine weitere viel zu schnell gespielte Ballade, wieder im Quartett gespielt, mit einem send-off über einem pedal point – aber das ist auch schon die einzige Abwechslung hier. Wie schon der Opener des Albums, „Sentimental Journey“, hat auch dieses Stück gewisse Ähnlichkeiten mit den Standards, die McLean ein paar Jahre später auf dem Blue Note Album „Swing, Swang, Swingin'“ einspielen sollte.
Die letzte Nummer des Albums, wieder im Quintett mit Byrd, ist Mal Waldrons „Abstractions“, das einzige wirklich langsame, lyrische Stück des Albums, und das am deutlichsten arrangierte. McLean spielt das klagende Thema, Byrd spielt eine leise Gegenmelodie, zum Teil wohl improvisiert, Watkins und Waldron spielen halftime, Taylor an den Besen. Nach McLeans bittersüssem Solo übernimmt Byrd mit Dämpfer, dann folgt Waldron.

Am selben Tag nahm Hank Mobley sein Album Mobley’s Message (PR 7061) auf, an dem Byrd, Watkins und Taylor sowie der Pianist Barry Harris mitwirkten. McLean erwiderte den Gefallen und spielte auf dem Stück „Au Privave“ mit. Parker und Bebop waren auch auf Mobleys Album sehr päsent, es beginnt mit „Boucing with Bud“ und „52nd Street Theme“. Mobley spielt zudem den Standard „Little Girl Blue“ (und im Gegensatz zu McLean war er schon perfekt in der Lage, langsame Tempi zu spielen und eine Ballade auch Ballade sein zu lassen), und zwei Originals, „Minor Disturbance“ und „Alternating Current“. Abgesehen vom letztgenannten Stück ist das Album auf dem Twofer Messages zu finden, auf dem zudem das ganze „Second Messages“ von Mobley zu finden ist. Es gab diesen Twofer schon als Doppel-LP mit dem auf der CD fehlenden Stück (PR 24063)
Molbey, McLean, Byrd und Harris spielen erst ein kleines Intro, dann folgt das Thema, unisono von Byrd und Mobley präsentiert. Mobley spielt ein kurzes Solo, wirkt dabei etwas müde, dreht dann in der Bridge aber auf und endet mit einer makellosen Passage in double time. McLean fängt ähnlich ruhig an, sein Ton ist etwas verhalten, öffnet sich aber mit der Zeit und sein Solo wird immer frischer und überzeugender. Byrd soliert mit Dämpfer, Taylor lässt ein paar Male aufhorchen. Nach Soli von Waldron und Watkins treten die Bläser in einen Dialog, bevor das Thema wiederholt wird.
Auch das hier ganz klar keine Sternstunde – Mobleys beide Prestige-Alben sind seltsam gedämpft, reichen wedern an die Savoy-Sessions geschweige denn an die Blue Note Alben aus den 50ern oder seine Sideman-Auftritte mit Blakey und Horace Silver heran.

Im August trafen Byrd und Farmer für eins der typischen Prestige Jams aufeinander, das resultierende Album hiess Two Trumpets (PR 7062). Die Rhythmusgruppe war dieselbe wie auf „Mobley’s Message“: Barry Harris (p), Doug Watkins (b) Art Taylor (d), und ausser auf den Balladen-Features der Trompeter ist McLean als Kontrast mit dabei.
Taylor treibt im ersten Stück „The Third“ sofort mächtig, die Solisten in diesem Blues in Moll von Donald Byrd sind: Byrd, McLean, Farmer, Harris und Watkins (für einmal arco), dann folgen sechs Chorusse von Fours, in denen Farmer zuerst zu hören ist.
Das zweite Stück ist ein bekanntes: Kenny Drews „Contour“, das schon auf McLeans „4, 5 and 6“ zu hören war. Farmer, McLean, Byrd und Harris sind die Solisten, dann folgen fours mit Taylor, in der Reihenfolge Byrd, McLean, Farmer und Byrd.
„Dig“ ist die dritte Sextett-Nummer, auch das ein altbekanntes Stück. Harris soliert zum Auftakt, dann folgt McLean, Watkins walkt für zwei Chorusse, Taylor kriegt zwei, und erst dann folgen die Trompeter: Farmer (3x), Byrd (3x), Farmer (2x), Byrd (2x), dann teilen sie sich einen Chrorus, bevor McLean nochmal zwei kriegt und die Trompeten dann für fünf weitere in den nächsten Dialog treten. Mit über vierzehn Minuten Dauer ist Miles‘ Komposition das Herzstück des Albums, es steht am Beginn der zweiten Seite.
Die Balladenfeatures enden jeweils die Seiten, zuerst „When Your Lover Has Gone“ (Farmer) und dann zum Abschluss Byrd mit Monks „‚Round Midnight“.
McLean bietet in dieser Besetzung einen guten Kontrast, von den Trompetern gefällt mir erneut Farmer besser, obwohl Byrd etwa auf „Contours“ ein hervorragendes Solo beisteuert und sich mit seiner Version von „‚Round Midnight“ keineswegs verstecken muss (Taylor trommelt darauf einen satten Groove mit den Besen, Watkins greift ein paar double stops). Harris klingt weicher und voller als Waldron, die Rhythmusgruppe mit ihm hat einen anderen Charakter.

Am 31. August 1956 nahm McLean sein nächstes Album für Prestige auf, dieses Mal in einer einzigen Session: Jackie’s Pal (PR 7068). Gemeint ist Bill Hardman, der Trompeter, mit dem McLean 1956 auch bei Mingus gespielt hat – von dort gingen die beiden im August gemeinsam zu Art Blakeys Jazz Messengers. Die Mingus-Connection wird diurch Mal Waldron verstärkt, die Rhythmusgruppe hat McLean sich vom neuen Miles Davis Quintett geliehen: Paul Chambers und Philly Joe Jones. Damit ist die Band abgesehen von Waldron eine ganz neue, und sie klingt auch hörbar anders. Hardman spielt heisser als Byrd (oder Farmer), Chambers und Jones weicher, weniger treibend als Watkins/Taylor. Damit fehlt hie und da etwas der push, den besonders Taylor mit seinem stellenweise recht aggressiven Getrommel McLean gab. Das scheint diesen aber wenig zu hemmen und schon in seinem eröffnenden „Sweet Doll“ spielt er ein tolles Solo. Philly Joe begleitet aktiv, kommt aber viel weniger druckvoll-aggressiv rüber als mit Miles‘ Band. Hardmans Solo ist draufgängerisch, es folgen Waldron und Chambers (arco).
„Just for Marty“ stammt von Hardman, arbeitet im Thema mit einer Art pedal point und Auflösung in swingendem 4/4. McLean spielt wieder ein schönes Solo, Hardman folgt, sein Solo ist oft etwas verschmiert, unsauber, aber es macht Spass, wie er drauflos spielt, seine Geschichte erzählt. Die Rhythmusgruppe will mir aber nicht so richtig passen – Chambers/Jones waren wohl mit Waldron keine wirklich geeignete Kombination, dieser wirkt auch sehr verhalten in seinem Solo. Am Ende gibt’s Fours von McLean/Hardman mit Philly Joe, in denen dieser mal ein wenig mehr aufdreht.
„Dee’s Dilemma“ stammt von Waldron, das Stück wechselt von Moll in Dur und zurück, die Reihenfolge der Soli ist wieder dieselbe: McLean, Hardman, Waldron, sowie Chambers (pizzicato). Das Stück bringt dennoch endlich etwas Abwechslung, weil es eine bestimmte Stimmung heraufbeschwört und die Musiker offensichtlich etwas mehr fordert.
Hardmans „Sublues“ ist ein Blues mit Soli von allen, inklusive Philly Joe. Hardman soliert hier zuerst, Waldron setzt aus, Chambers/Jones wechseln bald in double time, Hardman erzählt seine Geschichte, bleibt auch im doubletime, als Waldron reinkommt und Chambers/Jones wieder ins ursprüngliche Tempo zurückfallen. McLeans Solo ist schön, es fehlt ihm aber auf dem ganzen Albun diese brennende Intensität, die seine beste Musik auszeichnen sollte, und die machmal ja auch auf frühen Aufnahmen schon aufblitzt.
Waldron, Chambers (arco) und Jones folgen mit ihren Soli.
Von Charlie Parker stammt „Steeplechase“, das (schon wieder) McLean, Hardman, Waldron und Chambers (arco) präsentiert, als kleine Variante am Ende aber noch zwei Runden Fours von McLean und Hardman enthält. Philly Joe kriegt im abschliessenden Thema die Bridge (die McLean am Anfang übernimmt).
Das letzte Stück ist der Standard „It Could Happen to You“, McLean setzt aus, zwischen Hardman hören wir schöne Soli von Waldron und Chambers (pizzicato).
Damit endet ein eigentlich ganz hübsches aber etwas verschlafenes Album, dem es an Abwechslung und brennendem Spiel von McLean mangelt. Hardman ist aber eine Stimme, von der man gerne mehr hören will. Insgesamt höre ich „Jackie’s Pal“ eine Spur vor „4, 5 and 6“, weil es viel kohärenter rüberkommt, auch wenn die Band nicht wirklich perfekt funktioniert.

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