john lenwood "jackie" mclean

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  • #7975381  | PERMALINK

    redbeansandrice

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    es ist wohl meine Rolle, hier zu erwähnen, dass Willie Dennis der zweite Ehemann von Tony Fruscellas Ex-Frau Morgana King war (die später als Mama Corleone weltberühmt werden sollte…), und dass Sinatra großzügig mit Geld einsprang, als Dennis überaschend starb…

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    #7975383  | PERMALINK

    vorgarten

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    redbeansandrice
    (sorry vorgarten wg off-topic)

    ne, das ist alles hochspannend, bitte weitermachen!

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    #7975385  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Jimmy Smith nahm den grössten Teil seiner zahlreichen Blue Note Alben im Trio mit einem Gitarristen und einem Drummer auf. Einige Male trommelte Blue Note für ihn allerdings grössere Bands zusammen, so auch am 22. März 1960. Neben seinen regulären Sidemen Quentin Warren (g) und Donald Bailey (d) spielten Blue Mitchell (t), Jackie McLean (as) und Ike Quebec (ts) mit.

    Open House – Das Titelstück des ersten Albums ist eins der drei Stücke, die in der vollen Besetzung entstanden. Die Phrasierung des Blues-Themas entspricht jener von Ellingtons „In a Mellow Tone“ (die Linie ist aber eine gänzlich andere), die Bläser präsentieren das Thema im Wechsel, Bailey trommelt Akzente, Smith pumpt. Blue Mitchell soliert als erster, sein Solo ist linear, lyrisch wie gewohnt – er wird von Smith und Bailey enorm zurückhaltend begleitet, was seinen wunderbaren Ton sehr schön zur Geltung kommen lässt. Wunderbar, wie er sein Solo entwirft, wie er sich Zeit lässt, mit Pausen arbeitet, hie und da den Ton etwas rauher gestaltet, hie und da einen Triller, einen half valve Effekt oder einen kaum angedeuteten growls einstreut, gegen Ende spielt er auch eine tolle Passage in double time, und man nimmt plötzlich wahr, dass Bailey unmerklich seine Begleitung verdichtet hat.
    McLean folgt als zweiter, bewegter, mit sicherem, festem Ton. Bailey spielt immer bewegter, erlaubt sich rhythmische Spielchen mit seinen Fills. McLean und Smith harmonieren perfekt bei ihrer ersten Begegnung im Studio, auch McLeans Solo ist voller Pausen, sein Ton schwer und gross, seine Phrasen zwar noch immer purster Bebop, aber es wirkt ein wenig wie Bebop auf Tranquilizer, Bebop durch einen Schleier, Bebop mit Fell auf der Zunge… also McLean auf dem Weg zu seiner eigenen Musik, eben dieses irgendwie schwere, träge Element in sich trägt, das ihn als scheinbar in sich ruhend wirken lässt. Sehr toll!
    Der dritte Solist ist Ike Quebec, sein rohes Tenor ist nach Mitchell und McLeans schönen Soli ein ziemlicher Anachronismus, bringt aber auch eine völlig neue Stimmung ins Geschehen. Und Smith dreht jetzt auch etwas auf, während Baileys Fills anfangs etwas konventioneller ausfallen, aber nach einigen Durchgängen wieder sehr intensiv und toll sind. Quebec mag im Ton und in der Phrasierung altmodisch, nach Swing-Ära, klingen, aber seine Linien verraten, dass Bop ihm keineswegs fremd war.
    Was bei allen drei Bläsersoli auffällt: alle drei sind in der Lage aus einfachsten Phrasen ein tolles Solo zu konstruieren, ein Solo, bei dem fast der Eindruck entsteht, man könne seine Konstruktion verfolgen noch bevor man es einen Moment danach auch schon hört. Und alle sind sie auch Meister der Stimmung, können mit zwei, drei Tönen alles umkehren, die Richtung ändern, und mit drei, vier weiteren Tönen wieder zurück.
    Smiths Solo folgt, er beginnt langsam, baut eine tolle Stimmung auf, Quentin Warren schaltet sich zum ersten Mal ein, das Trio kommt rasch in Fahrt und man merkt sofort, wie gut eingespielt die drei sind.
    Die drei Bläser spielen dann über einem langsamen Fade-Out wieder abwechselnd die Phrase des Themas… und nach sechzehn Minuten ist diese einfache aber tolle Nummer vorbei. Sie mag etwas lang geraten sein, aber wenn man den Solisten zuhört wird man reichlich belohnt!

    Old Folks – Quebec suchte sich geschmackssicher eine Ballade von Willard Robison als Feature aus. Sein Ton ist etwas sanfter, wunderschön, man hat stets das Gefühl, er könnte noch viel mehr herausholen aus seinem Tenor, aber gerade dadurch entsteht eine Spannung, die Smith dann einigermassen weiterführt, aber geschickt einige lautere Passagen in sein kurzes Solo einstreut. Dann bringt Quebec das Stück zu Ende und Smith wabert, summt und wummert fein vor sich hin, während Bailey das langsame Tempo fein swingt.

    Sista Rebecca ist das zweite Smith-Original und die zweite Nummer mit der vollen Besetzung – ein Blues in Moll. Quebec klingt am Tenor eher so wie auf der Ballade, mit wenig Vibrato und viel Pausen bläst er ein nahezu perfektes Solo, jeder Ton sitzt, jede Linie führt genau dorthin, wo sie muss. Smith und Bailey begleiten ihn aufmerksam. Das ist alte Schule, und wohl eine Spielweise, die damals von den jungen eher misstrauisch oder gar herablassend beäugt wurde, aber auch eine Spielweise, die heutzutage nur noch von wenigen (sehr) alten Musikern beherrscht wird, etwa von Hal Singer.
    Blue Mitchells Solo ist wieder von dieser unglaublichen Strenge, er glänzt mit ökonomischen Linien, die perfekt sitzen und lange Pausen für Baileys Fills lassen. McLean übernimmt dann, sein Ton biegsam, geschmeidig, aber auch wieder von dieser Schwere und Sattheit. Streckenweise scheint der die Changes kurz zu verlassen (die Phrase von ca. 6:01-6:05). Baileys Fills und überhaupt sein Spiel ist bei aller Luftigkeit und Leichtigkeit enorm toll hier!
    Smiths Solo beginnt ruhig, aber der Plan ist klar: Intensität aufbauen und einen orgiastischen Höhepunkt ansteuern. Dabei wird er wieder tatkräftig von Quentin Warren und Bailey unterstützt. Auch er spielt mit einfachen kleinen Motiven, Repetition und Variation, während Bailey die Rhythmen immer dichter webt. Wieder wird das Stück am Ende ausgeblendet, mit elf Minuten ist es kürzer und kompakter als „Open House“.

    Embraceable You – Mit McLeans Balladen-Feature endet das erste Album. Auch er wird nur von Smith und Bailey begleitet (Leonard Feather spricht bei beiden Balladen-Features von „quartet tracks“, aber ich höre eine Gitarre, was nicht aussergewöhnlich ist – Smith hat hie und da, wenn er einen oder mehrere Bläser dabei hatte, Stücke ohne Gitarre aufgenommen). McLeans Ton ist stark und fest, er lässt sich viel Zeit, sehr viel Zeit, Bailey deutet zwar double time an, McLean lässt sich aber nicht zu mehr als ein paar kurzen raschen Läufen verleiten, bleibt nahe am Thema. Nach zwei Alto-Chorussen spielt Smith einen halben, bevor McLean das Thema zu Ende spielt und das Stück mit einer schönen Kadenz enden lässt.

    Wie schon „Open House“ (BST 84269) erschien auch „Plain Talk“ (BST 84296) erst einige Jahre nach der Aufnahme. Wieder besteht das Programm aus zwei langen Jams und zwei Balladen-Features (für Mitchell und ein zweites Mal für Quebec, den Veteranen).

    Big Fat Mama – Das erste lange Stück stammt von Lucky Millinder und wird im Quintett ohne McLean gespielt. Der Groove der Nummer ist ansteckend, Bailey swingt fein, Quebec spielt das erste Solo, mit grosser Klarheit konzipiert und umgesetzt. Mitchell folgt (Bailey greift erstmals zu rimshots) und steht dem in nichts nach, sein Ton ist knackig und frisch. Beide Soli sind warm und lyrisch aber auch swingend, sind frei gespielt aber auch von einer grossen Disziplin.
    Smith folgt mit einem langen, sehr tollen Solo – seinem besten der Session wohl. Er bringt dann am Ende auch das Thema nochmal, das mit seiner jumpenden Linie auch nur mit Orgel wie eine Big Band Nummer klingt (war es ja wohl auch).

    My One and Only Love – Mitchell beginnt sein Feature mit einem frei improvisierten Intro im Rubato, nur sanft von Smith begleitet. Sein Ton ist offen und warm, weich und gross – ein richtiger Blech-Ton eben, wie er sein sollte, singend und fett. Das Thema bläst Mitchell mit etwas mehr Vibrato als gewöhnlich. Smith spielt dann ein kurzes Solo, sehr zurückhaltend und nahe am Thema bleibt er in der von Mitchell gesetzten Stimmung. Dieser übernimmt bei der Bridge wieder und bringt das Stück mit einer grossartigen Paraphrase des Themas zu Ende.

    Plain Talk – Die zweite lange Nummer und das Titelstück des zweiten Albums ist das dritte Smith-Original und das einzige Stück, auf dem McLean auf dem gleichnamigen Album zu hören ist. Wieder soliert Mitchell als erster, wieder überzeugt er mit einem schlafwandlerisch sicher phrasierten, ökonoischen Solo. Wie Nat Hentoff in seinen Liner Notes betont, sind Smith-Warren-Bailey in der Tat eine hervorragende Begleit-Truppe für Bläser, und das wird auch hier wieder deutlich, wie sie Mitchell durch sein Solo folgen, ihn anspornen, ohne je aufdringlich zu werden.
    McLean folgt, sein Solo ebenfalls mit grosser Autorität gespielt, mit viel Raum für Bailey und grossem Gespür für Dramatik. Quebec ist der dritte Solist, sein Solo ebenfalls von grosser Einfachkeit, mit Versatzstücken gespickt, die wir alle schon hunderte Male gehört haben, aber er macht daraus ein Solo, das wie eine Erzählung, eine Geschichte klingt… der alte Seher, der uns Anteil nehmen lässt an seinem Wissen um die Geheimnisse des Jazz. Smiths Solo ist kürzer, am Ende gibt’s einen Shout-Chorus und für einmal ein Fade-Out.

    Time After Time – Ja, das Stück gab’s schon lange vor Cindy Lauper… Quebec kam als Veteran in den Genuss eines zweiten Balladen-Features und hat sich dazu die schöne Ballade von Jule Styne und Sammy Cahn. Smith spielt ein kurzes Intro, dann setzt Quebec ein, spielt das Thema ganz, ganz langsam, mit Vibrato und wieder mit dieser selbstauferlegten Zurückhaltung. Mal lässt er einen Ton schon süsslich singen, wie er das auf seinem Bossa-Album später tun würde, dann stösst er ein paar Töne sehr hart an… mit Bailey geht er kurz ins double time, die balladeske Stimmung bleibt aber unangetastet. Smith agiert zurückhaltend, lässt Quebec viel Raum.

    Im Smith’schen Werk bewegen sich diese beiden Alben wohl mit soliden ***1/2 (oder doch ****?) im Mittelfeld. Es gibt hier nicht die absolut zwingenden oder aufregenden Momente, zu denen Smith in der Lage war, die Band funktioniert bestens, bloss wäre etwas mehr Variantenreichtung (vielleicht auch ein paar kürzere Stücke mehr, auch mal eine schnellere aber kurze Nummer, und vor allem auch mal ein Gitarrensolo) hilfreich gewesen.
    Mir gefällt die Session sehr gut, aber eben: als Einstieg würde ich anderes Empfehlen, wohl locker zehn Alben über diesen beiden ansiedeln.

    Von Jackie McLean kriegt man sehr schöne Soli zu hören, er ist einer von vier Solisten, ragt weder besonders heraus noch fällt er in irgendeiner Weise ab. Sein Spiel ist boppig aber eben von dieser bei ihm später immer deutlicher zutage tretendenden Schwere.

    Übrigens eine kleine Notiz noch zu McLeans Time, Rhythmus, Phrasierung – ich weiss nicht genau, wie ich das formulieren soll, aber der reife McLean, wie er sich in dieser Zeit langsam herauskristallisiert, erinnert mich immer wieder an Dexter Gordon. Beide haben etwas statisches, in-sich-ruhendes, etwas majestätisches auch, sie sind scheinbar völllig unabhängig von ihrem Umfeld, können machen was sie wollen, simple lange Töne blasen, in rasante Linien ausbrechen, Bop-Klisches aufreihen, rhythmische Spielchen treiben… und sie sind doch immer genau da, wo sie eben sind, für sich allein.

    Ich kann das nicht besser formulieren, kann nicht genauer ausführen, was ich meine – ich höre es einfach und es ist für mich evident, keine Ahnung, ob sich sowas mitteilen lässt oder ob diese Sichtweise (und Hörweise) sich anderen erschliesst.

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
    #7975387  | PERMALINK

    vorgarten

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    redbeansandrice wo wir die Debatte hier neulich hatten – wie stehst du zu Leeway?

    LEE-WAY kannte ich bis heute gar nicht, habe ich aber nachgeholt. mir gefällt die sehr gut, ich finde sie unter den vielen lee-morgen-platten recht besonders. da sind ja fünf völlig gleichberechtigte musiker am werk, zumindest ist das konzept so lässig und weitgefasst, dass jeder glänzen kann wie er will. mclean kriegt sogar ein bisschen mehr hall als üblich, um noch ein bisschen mehr zu schweben… die kompositionen, vor allem die beiden von cal massey, sind in ihrer funktionalität sehr atmosphärisch und blakey ist einfach unglaublich cool, wenn er nicht den powerdrummer macht.

    am ende fehlt mir die totale begeisterung, weil die musik doch nie dn bereich des gutgemachten verlässt. aber atmosphäre ist schon da…

    mclean / gordon: ich weiß nicht genau, ob ich verstehe, was gypsy meint. ich habe von gordon nur die GO und höre die fast nie, weil ich das kaum ertragen kann, wie aufreizend (bzw. manchmal auch nur träge) er dem beat hinterherhängt. das macht mclean zwar auch manchmal, aber nicht immer – und insgesamt hat sein spiel doch mehr biss und aggressivität, oder?

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    #7975389  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgartenmclean / gordon: ich weiß nicht genau, ob ich verstehe, was gypsy meint. ich habe von gordon nur die GO und höre die fast nie, weil ich das kaum ertragen kann, wie aufreizend (bzw. manchmal auch nur träge) er dem beat hinterherhängt. das macht mclean zwar auch manchmal, aber nicht immer – und insgesamt hat sein spiel doch mehr biss und aggressivität, oder?

    Ich liebe diese Lässigkeit bei Gordon! Er ist der Grösste! :sonne:

    McLean hat definitiv mehr Biss ja, vom Temperament her sind sich die beiden nicht besonders ähnlich. McLean konnte die Lässigkeit nie, gar nicht – hätte auch nicht zu ihm gepasst… bzw. er hat den letzten Rest Lässigkeit 1962 abgelegt, zum Glück, und zu seiner intensiven, stets drängenden, treibenden, suchenden Persönlichkeit gefunden.

    Aber das, was ich meine, bewegt sich tiefer drin im Spiel, es ist ein Element, aber es ist eins, das für mich bei beiden doch recht wichtig ist. Ich kann’s aber nicht besser umschreiben als oben und will mich nicht einfach wiederholen.

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    #7975391  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    vorgartenmclean wuchs in einer der musikalisch fruchtbarsten perioden der amerikanischen musikgeschichte im sugar hill district in harlem auf und wurde schon als teenager für sein spiel respektiert und von den stars der szene gefördert. hatte freunde und schulkameraden wie sonny rollins, art taylor, walter bishop und kenny drew, lernte by doing mit 15 bei bud powell harmonien und improvisieren, bei charlie parker (und durch die weigerung seiner mutter, ihm ein tenorsaxophon zu kaufen) die besonderen schönheiten des altsaxophonspiels kennen, durch das gleiche vorbild auch den gebrauch der harten droge (obwohl ihn parker auf bessere vorbilder wie horace silver hinwies, deren professionalität auch den gesunden lebensstil einschloss), wurde von sonny rollins und miles davis auf ersten plattenaufnahmen vorgestellt (DIG und MILES DAVIS, VOL. 1), leitete 1955 seine erste leader-session für prestige (THE NEW TRADITION, mit mal waldron, doug watkins, roland tucker und – auf zwei stücken – donald byrd), war dann kurz teil eines frühen mingus-workshops (mit waldron und j.r. monterose zusammen), in dem PITHECANTHROPUS ERECTUS entstand, das ein frühes feature für mclean beinhaltete (PROFILE OF JACKIE).

    […]

    I. anfänge

    charlie singleton: CAMEL WALKIN‘ (1948)
    miles davis: DIG (1951)
    miles davis: MILES DAVIS, VOL. 1 (1952)

    auf der singleton-aufnahme, die ein r&b-date war und die ich nicht kenne, spielt jackie baritone und kein solo. auf DIG von miles war er 19 und spielt hier neben einem desorientierten und quietschenden sonny rollins ziemlich auf, obwohl er sein instrument erst vier jahre lang bedient. in OUT OF THE BLUE wagt er ein paar halsbrecherische rhythmische experimente, insgesamt hat er nicht den hauch eines problems, bei hohem tempo große souveränität auszustrahlen. auch blakey und mingus waren bei der session dabei – danach brauchte er sich nichts mehr beweisen. auf MILES DAVIS VOL. 1 (blue note) ist mcleans beitrag zwar heraushörbar, allerdings (bei teilweise gleichem material wie auf DIG) vergleichbar blass und damit an das gesamtniveau dieser etwas drögen platte angepasst.

    Also, da bin ich wieder bei „Dig“… siehe schon Post #3 hier im Thread. Das wir hier nichts als einen „desorierntierten und quietschenden Sonny Rollins“ hören halte ich nach wie vor für Unsinn. In der Tat hat Rollins Probleme mit seinem Blatt und es gibt einen (?) richtig ausgewachsenen „Kieckser“ zu hören und einige Stellen, an denen er’s grad noch knapp abwenden kann.
    Ich halte Rollins, McLean und Miles hier alle für ziemlich durchwachsen und insgesamt die Session für recht mittelprächtig. Rollins‘ Solo etwa auf „Out of the Blue“ halte ich aber jenem von McLean im selben Stück für überlegen – schon allein deshalb, weil Rollins seine Sprache spricht, während McLean sich des Idioms von Bird bedient und noch sehr wenig eigenes zeigt. Allerdings ist sein Spiel doch frisch und man kann erahnen, dass von ihm einiges folgen sollte.
    McLean überzeugt mich vor allem auf „Denial“ und „Bluing“, wobei in auf beiden Stücken auch Miles konzentriert und mit viel Drive spielt und Rollins in „Bluing“ vielleicht das beste Solo des Tages bläst.
    Bei „Denial“ hast Du wohl recht, hier klingt Rollins in der Tat ziemlich schwach – macht für mich aber keinen besonders desorientierten Eindruck, sondern kämpft verzweifelt gegen sein schlechtes (wohl steinhartes) Blatt an. McLean spielt hier in der Tat ein schönes Solo und Miles vergeigt dann in den Fours einiges, sein öffnendes Solo ist aber hier der Höhepunkt, mit Extrapunkten für McLean, weil er hier frischen Wind reinbringt.
    „Bluing“ ist wohl eh die beste Nummer des Tages (und des Albums, und vielleicht zwischen „Birth of the Cool“ und der zweite Blue Note Sessiond die beste Studio-Nummer von Miles überhaupt), sehr relaxt, und Rollins gefällt mir hier wie gesagt aussergewöhnlich gut. Auch Bishops Solo zum Auftakt und danach Miles‘ Solo sind sehr schön. Und hier ist eben der Hardbop-Beat, das Hi-Hat auf 2 und 4… eine sehr entspannte Angelegenheit und das war’s anscheinend was die Jungs an dem Tag brauchten, um richtig gut aufzuspielen. Rollins hat zwar immer noch Probleme mit dem Blatt, er weiss aber mittlerweile damit umzugehen, sein Solo hier ist grossartig, wie er mit Pause schafft, Raum lässt, Phrasen repertier, varriert, verdreht, aus Patterns in Linien springt… in der Doubletime-Passage leidet dann sein Ton (was logisch ist unter den Umständen), aber sein Spiel hier ist zum grössten Teil sauber und überzeugt mich absolut. McLean steigt schön ein, klingt aber gar schnell wieder krass nach Parker (schon die dritte Phrase, dann der Auftakt in den zweiten Chorus und der ganze zweite Chorus sowieso). Danach die rhythmische Verschiebung ist toll, aber er weiss daraus auch keinen Ausweg als sofort wieder in Parker-Phrasen zu fallen. Er wirkt auf mich hier ein wenig so, als hätte er viele einzelne Ideen aber noch keinen Plan, was er mit ihnen anstellen könnte.
    „Dig“ finde ich dann eh ein wenig originelles Stück, viel näher am Bebop als am aufkommenden Hardbop. Rollins, Miles und McLean spielen ähnlich gelungene Soli.

    Im Mai 1952 wurde McLean dreimal mit Miles aufgenommen, am 2. und 3. im Birdland und am 9. im Rahmen der ersten Blue Note Session von Miles. Die Band im Birdland war eine eigenartige: neben Miles und McLean bestand sie aus Don Elliott an Vibes und Mellophon, Gil Coggins am Piano, Connie Henry am Bass und Connie Kay am Schlagzeug.

    Ich kenne nur die Session vom 2. Mai, in deren Rahmen zwei Stücke mitgeschnitten wurde. „Confirmation“ beginnt mit einem starken Solo von Miles, sein Ton fest, seine Linien fast durchgängig sicher geführt. Sehr schön, wie Connie Kay so ganz anders als es seinem MJQ-Klischee entspricht, aktiv begleitet, tolle Fills ergänzt, in einen rhythmischen Dialog mit Miles tritt (Kay hatte Wurzeln im R&B, dass er unfähig sei, richtig zuzulangen, war stets ein dumme Behauptung von Ignoranten). McLean übernimmt fliegend von Miles, sein Solo wirkt sicher und klar – anscheinend sass Charlie Parker damals hie und da im Publikum und liess McLean wissen, dass er grosse Stücke auf ihn halte. Elliott, der zu Beginn am Vibraphon zu hören war, spielt dann ein Solo am Mellophon, klingt irgendwie nach Verschnitt aus Posaune und Horn. Jedenfalls macht er seine Sache ganz gut, aber der Sound ist recht seltsam. Miles spielt dann zum Abschluss eine Runde Fours mit Connie Kay.
    Auch das zweite Stück, „Out of the Blue“, wird in rasantem Tempo gespielt, im Thema ist Elliott wieder an den Vibes zu hören, während Kay mächtig Dampf macht und Miles in ein tolles Solo treibt. Miles selbst war übrigens in recht guter Verfassung, zurück aus einem „Heimaturlaub“ in St. Louis, den seine Drogensucht notwendig gemacht hatte – allerdings scheint er auch in St. Louis die Finger nicht vom Heroin gelassen zu haben. Seinem tollen Solo hier hört man jedenfalls nichts an. McLean folgt, die Rhythmusgruppe ist schon am Kochen, als er einsteigt, und er hält die Temperatur oben, klingt immer noch sehr stark nach Parker, aber ist eindeutig in toller Form! Elliott steuert dann ein schönes Vibraphon-Solo bei, und dann endet dieses kurze Dokument auch schon wieder – leider, ohne dass wir von Gil Coggins etwas zu hören bekommen haben.

    Die erste Session von dreien, die Miles in den Jahren 1952-54 für Blue Note aufnahm, gehört keinesfalls zu den Lichtblicken in seiner langen Karriere. Ian Carr hat das Jahr 1952 als „empty and miserable“ beschrieben… dennoch funktioniert der Blue Note Effekt und Miles klingt allen Widrigkeiten zum trotz besser als auf den meisten Studio-Sessions für Prestige (das gilt dann noch stärker für die 1953er Session, im Jahr 1954 war Miles dann eh schon super drauf, hatte endlich seine Drogensucht los und spielte – während Gillespie mit einer drittklassigen Band durch die Lande tingelte – enorm konzentrierte und gute Musik).

    Die Besetzung war eine etwas andere als im Birdland: Miles (t), McLean (as) und Coggins (p) spielten mit J.J. Johnson (tb), Oscar Pettiford (b) und Kenny Clarke (d). Sechs Stücke wurden eingespielt, von dreien sind zudem Alternate Takes erhalten.
    Clarke wirkt oft grobschlächtig und laut hier, Pettiford ist fern seiner üblichen Klasse, auch wenn er hie und da starke Momente hat. Miles selbst… na ja, er macht zwar wenig falsch, aber das ganze wirkt ein wenig so, als habe man völlig auf sicher gespielt. „Dear Old Stockholm“, das schöne schwedische Volkslied, das ein paar Jahre später in der Version mit Coltrane berühmt werden sollte, ist wohl das einzige Zeichen dafür, dass Miles dennoch nach vorne blickte. McLean ist hier wohl die frischeste Stimme, von Coggins ist nach wie vor kaum was zu hören.
    Pettifords „Chance It“ ist auch als „Max Making Wax“ auf der berüchtigten „Lover Man“-Session von Charlie Parker (auf Dial, 1946, mit Howard McGhee) zu hören. „Donna“ ist eine verschlafene Version von „Dig“ (das auf den Changes von „Sweet Georgia Brown“ beruht) – hier gefällt Pettiford! McLean beginnt sein Solo in beiden Takes mit einem Zitat aus Parkers Solo über „Sweet Georgia Brown“ von der 1945er Jazz at the Philharmonic-Aufnahme.
    Auch „Woody’n You“ gerät viel zu langsam – auch dieses Stück fand sich 1956 wieder im Repertoire von Miles neuem Quintett. Und was zum Teufel ist hier mit Clarke los? Pettiford teilt sich einen Chorus mit J.J. Johnson, sein Ton ist ansatzweise herauszuhören, sein Spiel nicht übel, aber wie in der Begleitung auch rhythmisch nicht sehr sicher.
    „Yesterdays“ – schon der Titel spricht die Rückwärtsgewandheit der ganzen Session an. Wie auch das letzte Stück, „How Deep Is the Ocean“ wird „Yesterdays“ von Miles mit der Rhythmusgruppe präsentiert. Er klingt an sich gar nicht so schlecht, aber die ganze Session ist eine so verschlafene Angelegenheit… immerhin hören wir auf den beiden Balladen das schöne Spiel von Gil Coggins, der Intros beisteuert und endlich auch als Solist zu hören ist, mit einem sehr besonderen, sanften Touch und eigenartigen Akkorden.
    Wenigstens hält sich Clarke hier auch zurück…
    Übrigens hat Miles „Yesterays“ 1951 auch mit Lee Konitz schon mal eingespielt (zu hören auf der New Jazz LP „Ezz-Thetic“ oder der Prestige LP und Original Jazz Classics CD „Conception“).

    Die Alternate Takes mag ich jetzt gar nicht mehr hören… das ist wirklich sehr ernüchternd, was man hier geboten kriegt, gerade auch nach den doch recht guten zwei Live-Tracks!

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    alexischicke

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    Ja „Yesterdays“ war so ein Stück das Miles von Mclean nicht sehr mochte.Er beschwerte sich über ihn,dass er seine Solos nicht ordentlich spielte,weil er das Stück nicht gelernt hatte.Mclean weigerte sich diese alten Stücke zu lernen, was Miles wahnsinnig machte.

    Später spielte Mclean immer Yesterdays wenn er Miles im Publikum sah.Nette Geschichte:-).

    Ja mich erinnert der junge Mclean schon an Parker.Außer den Davis Aufnahme habe ich nur eine Blue note CD von Mclean(das muss sich ändern).

    Ich wollte mich nicht abfällig über ihn äußern, natürlich ist und bleibt Mclean ein großartiger Saxophonist.

    Die Sessions mit Gordon von 73 habe ich auch nicht!

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    #7975395  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    Was hat McLean eigentlich in den Jahren 1952-55 getrieben? Weiss dazu jemand mehr?
    Die nächste Session fand jedenfalls am 5. August 1955 in Hackensack im Studio von Rudy Van Gelder statt, wieder mit Miles Davis.

    Davis hatte sich seit 1952 massiv entwickelt, hatte seinen eigenen Weg als Musiker gefunden, war drauf und dran, den Hardbop in seine endgültige Form zu giessen mit der ersten Working Band seit vielen Jahren, die er später 1955 mit Coltrane gründen sollte, dem nicht mehr ganz jungen Tenoristen, der seinen Weg noch nicht gefunden hatte, unter Miles‘ Fittichen aber in rasanten Schritten gehen sollte (und später auch zu einem Einfluss auf McLeans Musik werden sollte).

    Aber zurück ins Jahr 1955. Mit Miles waren im Studio: Milt Jackson (vib), Ray Bryant (p), Percy Heath (b) und Art Taylor (d). McLean wurde für zwei Stücke beigzoen, die er gleich auch komponiert hatte.
    Der Opener des Albums, der Blues „Dr. Jackle“, erinnert im Thema an ein Parker-Stück, ist aber das erste McLean-Original, das sich auch als bei anderen Musikern durchsetzen sollte (Miles spielte es 1958 für „Milestones“ erneut ein, Chick Corea, Bernt Rosengren, Stanley Cowell oder John Scofield haben es ebenfalls eingespielt). Jackson soliert zweimal, wie immer kommt ihm der Blues sehr gelegen. Miles spielt seine ganze neue Meisterschaft aus, in einem grossartigen und langen sehr lyrischen Solo mit viel Raum und Pausen. McLean folgt mit einem flüssigen Solo, sein Ton ist satter geworden, auch er weiss mit Pausen umzugehen. Es folgt Ray Bryant mit einem schönen kurzen Solo.
    Das zweite Stück, „Itty Bitty“, ist ein schönes Original von Thad Jones, McLean setzt hier aus, Miles soliert zweimal, dazwischen Bryant und Jackson.
    Die zweite Seite des Albums beginnt mit de zweiten McLean-Original, „Minor March“ – wenig überraschend ein Stück in Moll über einer Art Marsch-Rhythmus. McLean soliert als erster, wird aber von Bags und dieser sogleich von Miles übertroffen. Bryant ist dem tollen Solo-Reigen mühelos gewachsen und mit seinem tollen Piano-Solo endet das einzige Uptempo-Stück des Albums.
    Mit Bryants relaxtem Stück „Changes“ endet das schöne Album dann. Bryant spielt ein kleines Piano-Intro, das Stück bewegt sich in der 12-taktigen Bluesform, aber mit einigen übermässigen Akkorden eingestreut. Die Soli sind von Jackson, Miles (mit Mute) und Bryant, dann nochmal rasch Miles. McLean spielt hier nicht mit.

    Anhand der beiden nicht besonders langen McLean-Soli hier grosses über seine Quantensprünge zu schreiben wäre masslos übertrieben. Das Album ist rundum gelungen, die Gruppe funktioniert bestens und „Dr. Jackle“ ist ein spezielles Stück. McLean sollte in der folgenden Zeit viele Originals schreiben, ob’s dabei jeweils eher um die Musik oder um die Tantiemen ging, weiss ich nicht, ich vermute um beides zugleich. Allerdings folgte schon in der übernächsten Session (der ersten, die McLean als Leader machte) ein weiteres tolles Stück, „Little Melonae“.

    Die nächste Session von McLean fand im Quintett von George Wallington statt, mit Donald Byrd als Partner, der dann auch auf McLeans ersten drei eigenen Alben zu hören war. Die Aufnahme entstand übrigens nicht live und auch nicht im Cafe Bohemia, sondern in Rudy Van Gelders Studio in Hackensack, New Jersey.
    Weil’s von der ursprünglich auf Progressive erschienen Scheibe mit Wallington mindestens vier verschiedene Cover gibt, hänge ich zwei davon schon mal hier an, oben die Prestige LP-Version, unten das Cover von der CD-Ausgabe, die ich besitze (es gibt die Aufnahmen mittlerweile auch bei Lonehill und wohl noch anderswo).
    EDIT: anscheinend ist die Aufnahme doch live im Bohemia entstanden – die Angabe mit dem RVG-Studio findet sich auf OJCCD-11813-2.

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    #7975397  | PERMALINK

    gypsy-tail-wind
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    George Wallington war 1955 schon im zweiten Teil seiner Karriere. Er hatte 1944 auf der 52nd Street mit Dizzy Gillespies erster Bebop-Combo gespielt und war mit Stücken wie „Lemond Drop“ und „Godchild“ auch als Komponist hervorgetreten. Mit 30 leitete er eine junge Band, die dem Hardbop zugetan war. Drummer Art Taylor (26), Bassist Paul Chambers (20), Trompeter Donald Byrd (22) und Altsaxophonist Jackie McLean (23) vervollständigten sein Quintett.
    Byrd war eben aus Detroit nach New York gekommen, der Job bei Wallington war sein erster in einer name band. Chambers, der Benjamin der Gruppe, hatte bereits mit Bennie Green und Paul Quinichette getourt, als Resultat seines Gigs mit Wallington wurde er noch im selben Herbst von Miles Davis engagiert. Auch für McLean war der Job bei Wallington der erste längere in einer namaften Gruppe.

    Das Album öffnet mit einer modernen Version des alten Rodgers-Hart Standards Johnny One Note. McLean ist schon in der Präsentation des Themas die herausragende Stimme, die Stimme, die sich über das Ensemble hinausschwingt, sich Gehör verschafft. Sein Solo ist bewegt, leider wurde sein Ton unter den Live-Umständen weniger schön eingefangen als im Studio. Dennoch hat sein Solo einen Vorwärtsdrang, der mitreissend ist. Chambers/Taylor leisten dazu ihren Beiträg. Byrd folgt mit einem schönen Solo, sein Spiel damals war lyrisch, nicht sehr weit von Miles Davis entfernt, aber viel gepflegter und technisch sauberer umgesetzt. Er mag der meistgeschmähte Trompter des Hardbop sein (man nennt sein Spiel gern „akademisch“ – er war ja später auch als College-Professor tätig), aber mir gefallen sowohl seine frühen Aufnahmen (besonders toll ist das Columbia-Album mit den Jazz Messengers von Art Blakey) als auch die Sachen aus den 60ern, als sein Spiel eine neue Einfachkeit und Klarheit erlangte.
    Wallingtons Solo ist verspielt, verschroben, eigenartig. Sein Stil ist akkordischer und dichter, gewissermassen kompositorischer, als was wir uns vom Hardbop gewohnt sind – er war kein Hardbopper, leitete aber bis Ende 1957 eine der tollsten Band dieser neuen Richtung (McLean wurde schon bald von Phil Woods abgelöst, er ist nur auf diesem ersten Album zu hören, Teddy Kotick war der würdige Ersatz für Paul Chambers, und Nick Stabulas löste Art Taylor ab). Wallington nahm während der beiden Jahre auch ein Album im Trio (mit Kotick/Stabulas) auf sowie eins im Quartett/Quintett mit J.R. Monterose und Jerry Lloyd. Sein drittes Leben als Jazzer hatter er 1984, als er zwei Solo-Einspielungen machte.
    Das Stück endet mit einem kurzen gestrichenen Solo von Paul Chambers. Weiter geht’s mit Sweet Blance von Wallington, einem Stück mit einer typischen Bop-Linie. Byrd soliert als erster, aber auch hier ist es McLean, dessen Solo von Emotionen überläuft. Wallington mit einem schlanken Solo mit hart gemeisselten Linien in der Rechten und manchmal blumigen Akkorden der Linken und Chambers (pizzicato) folgen.
    Das dritte Stück ist McLeans Minor March, der hier von einer working band gespielt noch schneller und intensiver rüberkommt als mit Miles. McLean spielt das erste Solo, seine langen Linien schlängeln sich durchs Stück, sein Ton klingt satt und rund. Byrd übernimmt, lässt viel Raum zwischen seinen schnellen Linien, die sich meist in der mittleren Lage bewegen. Wallington ist hier eindeutig inspiriert, sein Spiel von einer grossen Klarheit. Chambers Walking-Linien sind prägnant und fallen immer wieder auf, er spielt hier wieder ein gestrichenes Solo, gefolgt von Fours zwischen Taylor und den Bläsern.
    Die zweite Hälfte beginnt mit McLeans Stück Snakes, einer neuen Linie über der Struktur von „Get Happy“. Das Thema wird streckenweise nur von den Bläsern und Taylor in stark rhythmisierter Halftime präsentiert, der Wechsel ins rasante 4/4 ist sehr effektiv, McLean ist wieder der erste Solist und weiss zu überzeugen. Byrds Solo gerät überzeugender, flüssiger, Wallington füttert ihn stark mit Akkorden – vielleicht Byrds bestes Solo des Albums. Wallington folgt, dann kriegt Art Taylor ein kurzes Drum-Solo, bevor das Thema repetiert wird.
    Donald Byrds Jay Mac’s Crib ist ein relaxtes Mid-Tempo Stück mit fettem Walking Bass von Chambers und relaxtem Swing von Taylor. Das Vorbild, das Byrd hier abkupfert, ist kaum getarnt: „Softly As in a Morning Sunrise“. McLean soliert als erster, sehr entspannt, getragen von Chambers tollen Walking-Linien und Taylors variantenreichen Drums. Byrd folgt, dann Wallington, der in diesem entspannten Tempo anders klingt, viel Pausen spielt, Raum lässt, mit Motiven von „Softly…“ herumspielt. Kein besonders grossartiges Solo, aber eins, das ihn von einer ganz anderen Seite zeigt. Chambers folgt mit einem ausgedehnten Solo (pizzicato), in hervorragender Laune.
    Das Programm endet mit einem Klassiker von Oscar Pettiford, Bohemia After Dark – das Stück ist dem Cafe Bohemia gewidmet, Pettiford nutzte es als Set-Closer, als er dort spielte. Pettiford machte sich einen Spass draus, das Stück zu spielen, wenn Gäste zu seiner Gruppe stiessen, denn die Bridge ist rhythmisch sehr trickreich. Manche anderen Musiker haben damals Versionen des Themas aufgenommen und zahllose haben es gespielt. Die Soli von McLean und Byrd (er steigt mit „Love Me or Leave Me“ ein) sind entspannt, Byrd klingt aber mittendrin mal ziemlich verloren. Wallington folgt, dann Chambers mit einem weiteren tollen Pizzicato-Solo. Es folgt im selben Track aber klar durch Applaus abgetrennt der Theme-Song der Band „The Peck“, der nur ein paar Sekunden dauert.

    Als Bonustrack enthält die CD einen Alternate Take von Minor March, der fast eine MInute länger ist. Angemerkt dazu steht, dieses Stück sei zuerst auf Progressive 7001 erschienen. Das Album enthielt ein volles Set derselben Stücke in Alternate Takes (Cover unten).
    Welches Cover das originale von Progressive 1001 war ist mir unklar, das rote oben enthält eine spätere Katalognummer (eine Japanische von Baybridge wohl). Ebenso ist mir unklar, ob das grüne Cover im vorangehenden Post das Original Cover von Prestige war (PR 7820) oder nicht.
    Vielleicht weiss unser Hardbop-Vinyl-Experte katharsis dazu mehr?

    Das Stück „The Peck“ (das auf dem grünen Prestige-Cover vermerkt ist) wurde auf keinem LP-Label oder Backcover verzeichnet, wie es scheint. Lonehill hat eine komplette Doppel-CD im Angebot, auf der die beiden Versionen aller Stücke ausser „Bohemia After Dark“ (es existiert nur eine Version) sowie zwei weitere alleinstehende Versionen von „The Peck“ (eine davon war auf Progresssive 7001, woher die zweite kommt ist mir unklar) zu hören sind (und als Bonus die tolle Blue Note Session vom Jahr davor mit Dave Burns, Jimmy Cleveland, Frank Foster, Danny Bank, Oscar Pettiford und Kenny Clark sowie Arrangements von Quincy Jones).

    Im Oktober 1955 nahm McLean dann sein erstes Album als Leader auf. Es erschien zuerst auf dem Ad-Lib Label unter dem Titel „The New Tradition“, später auf Jubilee als „The Jackie McLean Quintet“ und später auch bei Trip, Josie, Roulette, Fresh Sound etc. Die heute am einfachsten zu findende Version dürfe der Lonehill CD-Twofer „The Complete Jubilee Sessions“ sein, auf dem die beiden Alben „The New Tradition“ (Oktober 1955) und „Jackie McLean Plays Fat Jazz“ (Dezember 1957) zu hören, sind, die seine Prestige-Alben einrahmen.

    Das erste Stück des Albums ist der Standard It’s You Or No One (den Johnny Griffin, Dexter Gordon und andere auch gerne mochten). McLean und Byrd passen gut zusammen, Byrd klingt etwas reifer, selbstbewusster, sein Ton kommt in Van Gelders Studio besser zur Geltung als im Bohemia. Mal Waldron (p), Doug Watkins (b) und Ronald Tucker (d) vervollständigen die Band, Waldron spielt ein recht spezielles Piano-Solo, das schon beinahe typisch für seinen späteren Stil klingt. Es folgen Exchanges von McLean und Byrd (ohne störende Drums dazwischen – eine schöne Idee, die viel zu selten zu hören ist!).
    McLean eröffnet den Blues mit dem Titel Blue Doll alleine, ein geschriebenes Thema scheint das Stück nicht zu haben, es ist eher eine Idee als ein Stück, aber der Groove passt. Watkins ist perfekt, neben Chambers DER grosse Hardbop-Bassist, leider viel zu früh verstorben. Waldrons sparsames comping schafft eine besondere Atmosphäre. Er war in diesem Quintett der old man (*1926), hatte schon 1949 einen College-Abschluss in Komposition gemacht. Sein Solo ist ebenfalls sehr sparsam, punktuiert von Akzenten von Ronald Tucker, einem Autodidakten aus Philadelphia, der sich recht wacker schlägt.
    Mit Little Melonae folgt dann das bis anhin beste Original McLeans – er sollte es auch mit Blakeys Jazz Messengers aufnehmen, ebenso folgten Versionen von Miles und Coltrane. Ihn selbst spornt das Theme hier jedenfalls zu einem schönen Solo an – und es dürfe hier der Punkt erreicht sein, an dem man ihn keinesfalls mehr mit Parker verwechseln würde, sein Ton ist voller, seine Linien daher (in aller Klarheit) mehr geschmiert als gepinselt wie bei Parker.
    Es folgen der Standard The Way You Look Tonight mit schönen Soli von McLean und Byrd, dann ein Mal Waldron Original names Mood Malody (ich komm nicht drauf, woran das angelehnt ist, aber es erinnert mich stark an ein anderes Stück) mit einem schönen McLean-Solo mit tollen double time Passagen und einem relaxten Solo von Byrd.
    Zum Abschluss wagt sich McLean an die Ballade Lover Man – die Version von Parker für Dial wird ewig eingebrannt bleiben, in all ihrer tragischen Grösse und magischen Traurigkeit. Die Interpretation McLeans gerät ziemlich konventionell, Byrd setzt aus, Waldron spielt ein kurzes aber schönes Solo.

    Insgesamt ist das ein ganz hübsches Debut-Album für einen 24jährigen Saxophonisten, der bereits ein paar tolle musikalische Dinge hinter sich hat aber auch schon tief in den Drogen versumpft ist. Ein unaufgeregtes, zumeist sehr stimmungsvolles Album, in dem das Zusammenspiel von Byrd und McLean sowie der Rhythmusgruppe um Mal Waldron sehr schön funktioniert.
    Das einzige, was hier wirklich fehlt, sind ein paar Momente der Irritation, Momente, in denen man aufhorchen würde, in denen etwas wirklich Umwerfendes geschieht. So gesehen ist die Band von Wallington, in der McLean den Rahmen vorgegenben bekam, doch einiges spannender und erlaubt McLean auch, als Solist wesentlich mehr Aufsehen zu erregen.

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    McLeans Werk explodiert förmlich in den folgenden zwei Jahren. Er nimmt eine Reihe eigener Alben unter Bob Weinstocks „supervision“ auf und erscheint auf einer langen Reihe von typischen Jam-Alben, wie Prestige sie in jener Zeit am laufenden Meter produzierte. Ob McLeans eigene Alben Jams sind oder nicht ist an sich nicht so wichtig, sie wirken jedenfalls oft schlecht vorbereitet, ohne richtiges Konzept, und bieten ihm einen Rahmen, in dem er nicht optimal spielt. Seine Drogen-Geschichten mögen das ihre dazu beigetragen haben, dass sein Spiel in den folgenden Jahren eher stagniert. Allerdings wird schon im ersten Album – vielleicht dem besten der Reihe – dem im Januar 1956 eingespielten Lights Out! deutlich, dass McLean jetzt zumindest eine der vielen tollen und individuellen Stimmen im Hardbop-Konzert ist. Wenn man nicht um seine Quantensprünge ab 1962 wüsste, ich bin mir sicher man würde diese Alben von 1956/57 nichtsdestotrotz schätzen, vielleicht in der Art, wie man etwa die (viel weniger zahlreichen) Aufnahmen von Musikern wie John Jenkins, Gigi Gryce (der auch regelmässig mit Donald Byrd gespielt hat) oder Sonny Red schätzt.

    Lights Out! beginnt mit dem langsamen Blues desselben Namens, der fast dreizehn Minuten dauert und von Elmo Hope eröffnet wird. Doug Watkins legt mit seinem grossen Sound einen fetten Boden, Taylor scheppert und treibt, McLean spielt dann ein wunderbares Blues-Solo, gefolgt von Byrd (mit Dämpfer) und Hope, die ihrerseits tolle Soli beisteuern. Damit ist auch für dieses Album der Ton gesetzt: es ist eine lose, entspannte Session, die eben mit gedimtem Licht eingespielt wurde. Für die Exchanges mit McLean spielt Byrd dann am offenen Horn, das Zusammenspiel der beiden ist wunderbar.
    „Up“ beginnt mit einer Bläser-Fanfare, mit viel „Amen“-Feeling, geht dann aber in ein rasantes Temp über und Byrd bläst das erste Solo über die rhythm changes. Taylor gibt der Band einen gewaltigen Kick, Hopes comping ist immer eine Spur neben dem, was man erwarten würde. McLean klingt offen und frisch, sein Ton ist sehr schön, seine Phrasierung aber noch immer nahe bei Bird und die Intonation noch viel weniger eigenartig als später. Zum Ende kriegt auch Taylor ein verdientes kurzes Solo, dann folgt wieder der call der Bläser, das einzige thematische Material hier.
    „Lorraine“ ist Donald Byrds kaum abgewandelte Version von „Embraceable You“, es gehört bis auf ein Solo McLeans in der Mitte auch ganz ihm und er zeigt uns seinen wunderschönen, vollen Ton. Watkins glänzt mit tollem walking bass, Hope ist etwas blumiger als sonst. Von „A Foggy Day“ nahm McLean wenig später mit Mingus eine sehr viel tollere Version auf (impressionistische Sound-Effekte inklusive), der Take hier ist zwar ganz schön aber doch konventionell. McLean soliert zuerst, gefolgt von Byrd (mit Dämpfer) und Hope, bevor er eine zweite Runde im Nebel dreht. Und Taylor Schlagzeugstuhl quietscht…
    Byrds „Kerplunk“ ist die zweite Blues-Nummer des Albums, schneller und moderner als das Titelstück dauert es aber auch fast neun Minuten (das ganze Album ist mit seinen 46 Minuten erstaunlich lang – man war wohl 1956 noch am tüfteln und ausprobieren, was das betraf). Hope soliert wieder zuerst, dann Byrd, McLean, und dann fünf Runden einzelne Chorusse von Byrd und McLean, weiter mit „The Peck“ und Schluss. Das Stück wurde als zweites der Session nach „Foggy Day“ aufgenommen und Taylors Stuhl quietscht noch immer.
    Auch „Inding“, das dritte McLean-Original, beruht auf „I Got Rhythm“ – es war hier wirklich nicht weit her mit den Kompositionen, auf etwas wie „Little Melonae“ musste man jedenfalls noch geraume Zeit warten. Überhaupt hat Jackie das Komponieren auf den folgenden Alben meist Mal Waldron und anderen Sidemen überlassen. Byrd soliert als erster, ein verspieltes tolles Solo mit dichtem Kommentar von Taylor. Hope folgt mit einem seltsam gebremsten Solo, das aber einen gewissen Reiz hat. Dann übernimmt McLean, Taylor dreht sofort wieder auf. Das Sax-Solo ist ein toller Abschluss eines recht gelungenen Albums, McLean klingt emotional, rauh, direkt, spielt ein wenig mit Tönen und Rhythmen, man hört auch hin und wieder seine kleinen „Schreie“ zwischen den Phrasen. Das Stück endet mit einem sehr tollen Coda, in dem Byrd und McLean klagende Linien über einen Pedal Point von Watkins spielen, während Hope aussetzt und Taylor nochmal trommelt, was das Zeug hält.

    Die nächste Session, die folgte, war dann Charles Mingus‘ Pithecantropus Erectus, in dem McLean einen Rahmen gesteckt bekam, der offensichtlich mehr aus ihm herauskratzte als das in den meisten Prestige-Sessions der Fall war. Mit Pianist Mal Waldron war er vertraut, Drummer Willie Jones war ein Autodidakt, der ein paar Jahre zuvor mit Monk und Rollins eher mässig erfolgreich aufgenommen hatte, in der Zwischenzeit aber u.a. in Mingus‘ Gruppe gewachsen war. J.R. Monterose ist die Stimme, die auf dem ganzen Album (nebst Mingus‘ kompositorischer Stimme) am deutlichsten herausragt, mit grossem, sperrigem Ton und kantigen Linien – wenn er spielt hat man stets das Gefühl, er stosse sich an jeder Ecke, an der er vorbeimanövrieren muss…

    Mit The Happy Blues begann Gene Ammons eine Lange Reihe von Alben, die als lose Jam Sessions eingespielt wurden. Es gab zuvor schon im Juni 1955 eine Session mit Art Farmer, Lou Donaldson, Freddie Redd, Addison Farmer und Kenny Clark, deren zwei resultierende Stücke mit diversen frühen Prestige-Tracks von Ammons auf PR LP 7050 veröffentlicht wurden, aber „The Happy Blues“ war das erste Album, das in einer Session eingespielt wurde.
    An Ammons‘ Seite finden sich McLean, Art Farmer, Duke Jorden, Addison Farmer (der Zwillingsbruder von Art, viel zu früh verstorben und ein massiv unterschätzter Bassist jener Zeit!), Art Taylor sowie Candido Camero. McLean übernimmt im öffnenden Titelstück das erste Solo und spielt, wie Ira Gitler in seinen Liner Notes feststellt, „one of his most relaxed solo“. Die anderen Bläser riffen hie und da ein wenig, auch in den folgenden Soli. Art Farmer folgt mit einem grossartigen lyrischen Solo, sein Ton noch eine Spur brüchiger als später. Dann baut Ammons ein Haus von einem Solo. Nach Jordans Solo folgen fünf Chorusse von Fours der Saxophonisten mit Taylor – Gitler: „Dig Jackie’s Birdlike growl in the fifth one“.
    Das Stück „The Great Lie“ stammt von Cab Calloway und wird in schnellem Tempo gespielt. Ammons kannte es von seiner Zeit mit Woody Herman. Farmer soliert als erster, Jackie und Ammons folgen, am Ende gibt’s ein eher überflüssiges Conga-Solo von Candido. Überflüssig ist der auch im balladesken „Can’t We Be Friends“, wo sein Getrommel nicht gut mit Taylor und der Rhythmusgruppe verschmilzt, wie ich finde. Ammons spielt das Thema und das erste Solo, er liebkost die Melodie, schmückt sie aus, ist anfänglich in Pres-Stimmung, im Solo dann weniger. Farmer spielt mit Dämpfer und ganz wunderbarem Ton, ein äusserst ökonomisches Solo – wunderbar! Neben Miles war er damals bestimmt die frischeste Stimme an der Trompete! McLean folgt mit einem ungeduldigen, drängenden Solo, Jordan mit einem klaren, direkten, und dann bringt Ammons („you can depend on me“) das Stück zum Abschluss.
    „Madhouse“ beginnt mit einer Art Fangen der Bläser, nach dem Thema hören wir erstmal ein paar Runden fours, dann spielen McLean, Farmer, Ammons und Jordan je einen Chorus, bevor erneut fours folgen… dann folgt ein ungewöhnlicher Chorus, in dem alle drei gemeinsam improvisieren – ein wilder, orgiastischer Höhepunkt (mit kontinuierlich nervendem Candido leider). Gitler: „For years Bob Weinstock has wanted this to happen on one of his recordings and here he finally was able to make it come off.“
    McLean macht sich in diesem Umfeld auch besser als in seinenen eigenen Jam Sessions, seine dringlichen, ja oft brennenden Soli bringen eine eigene Facette in den Mix. Er sollte auch an den nächsten drei Ammons-Jams wieder beteiligt sein.

    Am 13. Juli entstand sowohl das nächste Jam-Album von Gene Ammons als auch die Hälfte von McLeans zweitem Prestige-Album, beide mit Donald Byrd und derselben Rhythmusgruppe: Mal Waldron, Doug Watkins und Art Taylor.

    Zum Jam mit Ammons fand sich auch Art Farmer wieder ein, wir haben also dieselbe Band plus Byrd, und dankenswerterweise ist Candido nicht mehr anwesend. Das trägt vorne den Titel „Hifi Jam Session“, ist aber besser bekannt als Jammin‘ with Gene (PR 7060) und so heisst auch das erste Stück, ein Blues von Ammons mit einer absteigenden Linie, die über einen swingenden halftime-Beat von Taylor/Watkins präsentiert wird, Waldron streut gechickt einzelne Akkorde ein. Ammons spielt das lange erste Solo, auch ihn hört man zwischen seinen Phrasen ab und zu stöhnen, seufzen. Es folgen Byrd, Farmer und McLean mit ihren Soli. Die anderen Bläser riffen jeweils in der Mitte der Soli für eine Weile, Ammons spielt sich gegen Ende in eine richtige kochende Intensität hinein, Taylor trommelt sparsam, gibt Ammons aber mit Fills und einem fetten Backbeat einen guten Boden. Der stürmt dann in einer doubletime Passage los, spielt mit Tönen, Farben, Flexionen… ein sehr schönes Solo! Der Übergang zu Farmer ist unschwer zu erkennen: Farmer ist der sparsame, der jeden Ton setzt, jede Linie zu planen scheint, während Byrd mehr drauflosspielt, lange Linien flicht. Farmer zeigt in der Mitte seines Solos aber mit einer Reihe von doubletime-Phrasen, dass er problemlos mit Byrd mithalten kann – sein wohldosiertes Spiel macht ihn für mich zum sehr viel spannender Trompeter. McLean setzt nach ziemlich genau neun Minuten ein, Watkins‘ Bass fällt am Übergang sehr auf, McLean baut in seinem Solo langsam Spannung auf, sein Ton hat Gewicht, seine Phrasierung ist etwas träge, alles passt sehr gut zusammen.
    „We’ll Be Together Again“ wird zum Auftakt von Ammons über Rubato-Begleitung von Waldron und Watkins (arco) präsentiert, die Soli werden über ein schnelles Tempo gespielt, auf Ammons folgen Farmer, McLean, Byrd, Waldron, und zum Ende nochmal Ammons, der für die letzten acht Takte wieder ins langsame Tempo zurückkehrt.
    Das dritte Stück des Albums heisst „No Really the Blues“ und stammt von Johnny Mandel. Auch dieses Stück kannte Ammons aus der Big Band von Woody Herman – in den späten 40ern war das dort eins seiner Features. Das Tempo ist schnell, die Solisten sind Byrd, McLean, Farmer, Ammons und Waldron, die Exchanges sind zuerst von Farmer, Byrd, McLean und Ammons und danach in derselben Reihenfolge wie die Soli.
    McLean überzeugt in beiden schnellen Stücken, hält in „We’ll Be Together Again“ zwar einige Male inne und wirkt etwas unsicher, das hindert ihn aber nicht daran, am Ende ein gutes Solo zu spielen. In „Not Really the Blues“ spielt er ein süffiges, flüssiges Solo, hart am Beat, drängend, treibend, fast ohne Unterlass. Waldrons Soli sind sparsam und beruhen oft auf wenigen kleinen Motiven, die in der mittleren Lage variiert werden – gefällt mir sehr gut. Farmer punktet jedesmal gegenüber Byrd, der zwar mit Sicherheit einer der besten Techniker jener Zeit war und auch – in „härterer“ Umgebung, etwa auf dem Columbia-Album mit den Jazz Messengers – als wunderbar flüssig-lyrischer Solist rüberkommen konnte, aber gegen Farmers fantastisches Spiel kommt er schlecht an. Ammons bleibt am Ende allerdings der tollste Solist hier – er konnte immer und mit allen und hatte am Ende meist die Oberhand, so auch hier, mit überlegt aufgebauten Soli, die enorm intensiv werden können (in „Not Really…“ stöhnt und seufzt er zwischen seinen Phrasen und Taylor gibt ihm gewaltig Schub).
    Doch weshalb konnte niemand den Schlagzeughocker von Art Taylor ölen? (Verschwörungstheorie: War etwa RVG schon damals halb taub?!)

    Am selben Tag nahm McLean mit Byrd, Waldron, Watkins und Taylor auch die erste Hälfte seines Albums 4, 5 and 6 (PR 7048) auf. Neben Kenny Drews Original „Contours“ wurden die beiden Standards „Sentimental Journey“ (ein im modernen Jazz eigentlich nie gespieltes Stück, für das ich eine Schwäche habe) und „Why Was I Born?“ aufgenommen.
    Die sentimentale Reise von McLean ist zwar stimmungsvoll aber wenig sentimental, Waldrons comping, Watkins‘ toller walking bass und Taylors Drums halten die Musik lebendig, McLean spielt darüber ein tolles Solo, in dem intensivere mit ruhigen Momenten abwechseln. Einige Male bricht er unvermittelt in Parker-Licks aus. Watkins kriegt einen seiner seltenen Solo-Spots sein riesiger Sound, seine sicher Intonation und seine swingende Phrasierung machen Spass – er ist das Gegenteil eines Blenders und genau darum mag ich ihn wohl so gerne. Es folgt Waldron, wie er sein Solo beginnt, das ist ganz klassisch, „Telegraphenstil“ hat man das genannt. McLean kehrt zurück und spielt ein zweites Solo, bevor er das bluesige Thema repetiert, über einen fetten Beat von Art Taylor.
    Auch „Why Was I Born?“ präsentiert McLean im Quartett, das Tempo viel zu schnell für was eigentlich eine schöne Ballade wäre, bei McLean aber zu einer mittelschnellen Performance wird, bei der das thematische Material wenig mehr als ein Ausgangspunkt bildet.
    Auf Drews „Contour“ stösst Donald Byrd zur Gruppe, in seinem Spiel hier wird der Einfluss Clifford Browns spürbar, was gemäss Ira Gitlers neuen Liner Notes für die „RVG Remasters“ CD (2007) damals ziemlich weit verbreitet war. Brownie war einen Monat vor diesen Sessions unter den bekannten tragischen Umständen viel zu früh verstorben. McLean soliert als erster, das Tempo ist lebendig, die Musik intensiver als in den beiden Standards. Byrds Solo gehört zu den schönsten auf diesen Sessions, er spielt weniger, lässt etwas mehr Raum, sein schöner Ton kommt noch besser zur Geltung.

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    katharsis

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    Welches Cover das originale von Progressive 1001 war ist mir unklar, das rote oben enthält eine spätere Katalognummer (eine Japanische von Baybridge wohl). Ebenso ist mir unklar, ob das grüne Cover im vorangehenden Post das Original Cover von Prestige war (PR 7820) oder nicht.
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    Progressive 1001 erschien 1955 mit dem blau-grünlichen Cover.
    Prestige 7820 ist die Nachpressung mit Wallington am Klavier (zweites Bild) und dürfte in der zweiten Hälfte der 60er erschienen sein. Da gibt es keine „originale“ Pressung mit dem ursprünglichen Covermotiv, das übrigens großartig ist.

    Danke auch für die informativen Posts, ich lese die musikalischen Eindrücke sehr gerne, habe dem aber momentan nichts anzufügen. Aber gerne mehr ;)

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    Der Rest von 4, 5 and 6 wurde eine Woche später eingespielt, auf Parkers „Confirmation“, dem mit über elf Minuten längsten Stück des Albums, spielen sowohl Byrd als auch Hank Mobley mit, die Gruppe wird für diese eine Nummer zum Sextett. Das Thema wird im bouncenden Medium-Up-Tempo präsentiert, Taylor und Wakins‘ Begleitung ist erstklassig. McLean spielt das erste Solo, wirkt aber etwas fahrig, seine Pausen oft so lang, dass man sich wundert, ob er nicht mehr weiter weiss. Doch dann folgt er plötzlich wieder mit tollen Ideen. Byrd ist der zweite Solist die lyrische Sparsamkeit von „Contour“ ist teilweise noch zu hören. Waldron setzt zu Beginn seines Solos aus, was Taylor für ein paar Spielchen mit rim shots nutzt. Byrd wirkt hier jedenfalls sicherer als McLean. Mobley soliert als dritter, ist eindeutig der reifste der Bläser, mit samtenem Ton und Linien, die sich geschmeidig wie eine Katze bewegen. Waldron folgt, dann folgen Exchanges der Bläser und im abschliessenden Thema kriegt Taylor die Bridge.
    Mit „When I Fall in Love“ folgt eine weitere viel zu schnell gespielte Ballade, wieder im Quartett gespielt, mit einem send-off über einem pedal point – aber das ist auch schon die einzige Abwechslung hier. Wie schon der Opener des Albums, „Sentimental Journey“, hat auch dieses Stück gewisse Ähnlichkeiten mit den Standards, die McLean ein paar Jahre später auf dem Blue Note Album „Swing, Swang, Swingin'“ einspielen sollte.
    Die letzte Nummer des Albums, wieder im Quintett mit Byrd, ist Mal Waldrons „Abstractions“, das einzige wirklich langsame, lyrische Stück des Albums, und das am deutlichsten arrangierte. McLean spielt das klagende Thema, Byrd spielt eine leise Gegenmelodie, zum Teil wohl improvisiert, Watkins und Waldron spielen halftime, Taylor an den Besen. Nach McLeans bittersüssem Solo übernimmt Byrd mit Dämpfer, dann folgt Waldron.

    Am selben Tag nahm Hank Mobley sein Album Mobley’s Message (PR 7061) auf, an dem Byrd, Watkins und Taylor sowie der Pianist Barry Harris mitwirkten. McLean erwiderte den Gefallen und spielte auf dem Stück „Au Privave“ mit. Parker und Bebop waren auch auf Mobleys Album sehr päsent, es beginnt mit „Boucing with Bud“ und „52nd Street Theme“. Mobley spielt zudem den Standard „Little Girl Blue“ (und im Gegensatz zu McLean war er schon perfekt in der Lage, langsame Tempi zu spielen und eine Ballade auch Ballade sein zu lassen), und zwei Originals, „Minor Disturbance“ und „Alternating Current“. Abgesehen vom letztgenannten Stück ist das Album auf dem Twofer Messages zu finden, auf dem zudem das ganze „Second Messages“ von Mobley zu finden ist. Es gab diesen Twofer schon als Doppel-LP mit dem auf der CD fehlenden Stück (PR 24063)
    Molbey, McLean, Byrd und Harris spielen erst ein kleines Intro, dann folgt das Thema, unisono von Byrd und Mobley präsentiert. Mobley spielt ein kurzes Solo, wirkt dabei etwas müde, dreht dann in der Bridge aber auf und endet mit einer makellosen Passage in double time. McLean fängt ähnlich ruhig an, sein Ton ist etwas verhalten, öffnet sich aber mit der Zeit und sein Solo wird immer frischer und überzeugender. Byrd soliert mit Dämpfer, Taylor lässt ein paar Male aufhorchen. Nach Soli von Waldron und Watkins treten die Bläser in einen Dialog, bevor das Thema wiederholt wird.
    Auch das hier ganz klar keine Sternstunde – Mobleys beide Prestige-Alben sind seltsam gedämpft, reichen wedern an die Savoy-Sessions geschweige denn an die Blue Note Alben aus den 50ern oder seine Sideman-Auftritte mit Blakey und Horace Silver heran.

    Im August trafen Byrd und Farmer für eins der typischen Prestige Jams aufeinander, das resultierende Album hiess Two Trumpets (PR 7062). Die Rhythmusgruppe war dieselbe wie auf „Mobley’s Message“: Barry Harris (p), Doug Watkins (b) Art Taylor (d), und ausser auf den Balladen-Features der Trompeter ist McLean als Kontrast mit dabei.
    Taylor treibt im ersten Stück „The Third“ sofort mächtig, die Solisten in diesem Blues in Moll von Donald Byrd sind: Byrd, McLean, Farmer, Harris und Watkins (für einmal arco), dann folgen sechs Chorusse von Fours, in denen Farmer zuerst zu hören ist.
    Das zweite Stück ist ein bekanntes: Kenny Drews „Contour“, das schon auf McLeans „4, 5 and 6“ zu hören war. Farmer, McLean, Byrd und Harris sind die Solisten, dann folgen fours mit Taylor, in der Reihenfolge Byrd, McLean, Farmer und Byrd.
    „Dig“ ist die dritte Sextett-Nummer, auch das ein altbekanntes Stück. Harris soliert zum Auftakt, dann folgt McLean, Watkins walkt für zwei Chorusse, Taylor kriegt zwei, und erst dann folgen die Trompeter: Farmer (3x), Byrd (3x), Farmer (2x), Byrd (2x), dann teilen sie sich einen Chrorus, bevor McLean nochmal zwei kriegt und die Trompeten dann für fünf weitere in den nächsten Dialog treten. Mit über vierzehn Minuten Dauer ist Miles‘ Komposition das Herzstück des Albums, es steht am Beginn der zweiten Seite.
    Die Balladenfeatures enden jeweils die Seiten, zuerst „When Your Lover Has Gone“ (Farmer) und dann zum Abschluss Byrd mit Monks „‚Round Midnight“.
    McLean bietet in dieser Besetzung einen guten Kontrast, von den Trompetern gefällt mir erneut Farmer besser, obwohl Byrd etwa auf „Contours“ ein hervorragendes Solo beisteuert und sich mit seiner Version von „‚Round Midnight“ keineswegs verstecken muss (Taylor trommelt darauf einen satten Groove mit den Besen, Watkins greift ein paar double stops). Harris klingt weicher und voller als Waldron, die Rhythmusgruppe mit ihm hat einen anderen Charakter.

    Am 31. August 1956 nahm McLean sein nächstes Album für Prestige auf, dieses Mal in einer einzigen Session: Jackie’s Pal (PR 7068). Gemeint ist Bill Hardman, der Trompeter, mit dem McLean 1956 auch bei Mingus gespielt hat – von dort gingen die beiden im August gemeinsam zu Art Blakeys Jazz Messengers. Die Mingus-Connection wird diurch Mal Waldron verstärkt, die Rhythmusgruppe hat McLean sich vom neuen Miles Davis Quintett geliehen: Paul Chambers und Philly Joe Jones. Damit ist die Band abgesehen von Waldron eine ganz neue, und sie klingt auch hörbar anders. Hardman spielt heisser als Byrd (oder Farmer), Chambers und Jones weicher, weniger treibend als Watkins/Taylor. Damit fehlt hie und da etwas der push, den besonders Taylor mit seinem stellenweise recht aggressiven Getrommel McLean gab. Das scheint diesen aber wenig zu hemmen und schon in seinem eröffnenden „Sweet Doll“ spielt er ein tolles Solo. Philly Joe begleitet aktiv, kommt aber viel weniger druckvoll-aggressiv rüber als mit Miles‘ Band. Hardmans Solo ist draufgängerisch, es folgen Waldron und Chambers (arco).
    „Just for Marty“ stammt von Hardman, arbeitet im Thema mit einer Art pedal point und Auflösung in swingendem 4/4. McLean spielt wieder ein schönes Solo, Hardman folgt, sein Solo ist oft etwas verschmiert, unsauber, aber es macht Spass, wie er drauflos spielt, seine Geschichte erzählt. Die Rhythmusgruppe will mir aber nicht so richtig passen – Chambers/Jones waren wohl mit Waldron keine wirklich geeignete Kombination, dieser wirkt auch sehr verhalten in seinem Solo. Am Ende gibt’s Fours von McLean/Hardman mit Philly Joe, in denen dieser mal ein wenig mehr aufdreht.
    „Dee’s Dilemma“ stammt von Waldron, das Stück wechselt von Moll in Dur und zurück, die Reihenfolge der Soli ist wieder dieselbe: McLean, Hardman, Waldron, sowie Chambers (pizzicato). Das Stück bringt dennoch endlich etwas Abwechslung, weil es eine bestimmte Stimmung heraufbeschwört und die Musiker offensichtlich etwas mehr fordert.
    Hardmans „Sublues“ ist ein Blues mit Soli von allen, inklusive Philly Joe. Hardman soliert hier zuerst, Waldron setzt aus, Chambers/Jones wechseln bald in double time, Hardman erzählt seine Geschichte, bleibt auch im doubletime, als Waldron reinkommt und Chambers/Jones wieder ins ursprüngliche Tempo zurückfallen. McLeans Solo ist schön, es fehlt ihm aber auf dem ganzen Albun diese brennende Intensität, die seine beste Musik auszeichnen sollte, und die machmal ja auch auf frühen Aufnahmen schon aufblitzt.
    Waldron, Chambers (arco) und Jones folgen mit ihren Soli.
    Von Charlie Parker stammt „Steeplechase“, das (schon wieder) McLean, Hardman, Waldron und Chambers (arco) präsentiert, als kleine Variante am Ende aber noch zwei Runden Fours von McLean und Hardman enthält. Philly Joe kriegt im abschliessenden Thema die Bridge (die McLean am Anfang übernimmt).
    Das letzte Stück ist der Standard „It Could Happen to You“, McLean setzt aus, zwischen Hardman hören wir schöne Soli von Waldron und Chambers (pizzicato).
    Damit endet ein eigentlich ganz hübsches aber etwas verschlafenes Album, dem es an Abwechslung und brennendem Spiel von McLean mangelt. Hardman ist aber eine Stimme, von der man gerne mehr hören will. Insgesamt höre ich „Jackie’s Pal“ eine Spur vor „4, 5 and 6“, weil es viel kohärenter rüberkommt, auch wenn die Band nicht wirklich perfekt funktioniert.

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    „I went with Art Blakey, the Daddy, when I left Mingus. I worked with Art for nearly three years and traveled all over the States. He is the greatest bandleader I’ve ever worked with, as a leader, you know. He’s strong, tender-hearted, firm and quite intelligent. He sets a pace as far as swinging goes, and very few can keep up with him night after night. He honored me by telling me that I was the only alto player he would hire, and he’s used tenor players since.“

    ~ Jackie McLean, zitiert von Valerie Wilmer in: Jazz Journal, Juli 1961, S.4. (Quelle, 2011-04-25)

    McLean und Hardman nahmen am 12. und 13. Dezember erstmals mit den Jazz Messengers von Art Blakey auf, die Stücke wurden als Hard Bop (Columbia CL 1040) und auf der zweiten Seite von Drum Suite (CL 1002) veröffentlicht. Ich habe über diese Sessions schon im Blakey-Thread geschrieben:

    gypsy tail windAm 12. und 13. Dezember 1956 ging Blakey dann mit der neuen Band zum ersten Mal ins Studio. Bill Hardman und Jackie McLean hatten schon gemeinsam aufgenommen, Hardman war aber wie Sam Dockery und Spanky DeBrest damals (wie heute) wenig bekannt. Was der Band fehlte war ein Komponist, ein musical director vom Format, wie Blakey ihn zuvor mit Horace Silver (und Mobley) hatte und dann 1958 in Benny Golson und später u.a. in Bobby Timmons oder Wayne Shorter fand. Die Musik ist dennoch erstklassig und einige der aufgenommenen Stücke sind heute ziemlich bekannt: Gigi Gryces „Nica’s Tempo“, McLeans „Little Melonae“ oder Mal Waldrons „Dee’s Dilemma“. Das erste und letztgenannte erschienen auf dem Album „Drum Suite“, das zur Hälfte aus diesen Dezember-Sessions und zur zweiten Hälfte aus der ersten Perkussions-Session im Februar 1957 zusammengesetzt wurde. Zudem nahm das Quintett ein Gershwin-Medley auf, das (wie die überschüssigen Stücke vom ersten Messengers Columbia-Album und die Session mit Sullivan/Ware auf der Compilation „Originally“ landete).

    Jackie McLean gleicht mit seinem fetten Sound problemlos den Mangel an Schwere und Tiefe aus, der mit dem Verlust des Tenors hätte einhergehen können, er und Hardman sind ein gutes Team, Hardman spielt schnell, virtuos, aber mit einem brüchigen lyrischen Ton – ein grosser Unterschied zu Donald Byrd! In seinen Liner Notes zum 2005er Reissue von „Drum Suite“ schreibt Kenny Washington:

    The second half of this CD represents two rarely mentioned Messengers ensembles of the 50’s [mit dem zweiten ist die Byrd/Sullivan/Drew/Ware-Version gemeint]. The first with Jackie McLean and Bill Hardman is one one of my favorites. […] This edition of the Messengers (sometimes with the great tenor man Johnny Griffin) recorded nine high quality albums for six different labels within a two-year span. That’s pretty impressive.

    […]

    Jackie and Bill had a very special chemistry. You can really hear it on „D’s Dilemma.“ Their sounds go together like a cool gin and tonic.

    ~ Art Blakey: Drum Suite by Kenny Washington, Liner Notes, Sony/Legacy 2005

    Die Rhythmusgruppe funktioniert perfekt, Dockery steuert schöne Soli bei und auch Blakey lässt immer wieder aufhorchen, etwa mit seinen raffinierten Fills während Hardmans Trompetensolo in „Stanley’s Stiff Chickens“.

    Hier ist McLean wieder mit seinem cry, seiner drängenden Intensität zu hören, schon sein Solo im ersten Stück von „Hard Bop“ ist intensiv, brennend. Hardman wirkt ebenfalls angesteckt, sein Spiel noch diskursiver, zugleich intenstiver und offen-lyrischer. Das Stück „Cranky Spanky“ stammt von Hardman, ist dem 19jährigen Bassisten der Band gewidmet.
    In „Stella By Starlight“ bleibt McLean eng am Thema, während Hardman trotz des mittelschnellen Tempos ein äusserst lyrisches Solo spielt, aus einem scheinbar endlosen Fundus von Ideen gespiesen. „My Heart Stood Still“ ist der nächste Standard, im schnellen Tempo dargeboten mit einem tollen Solo von McLean. Auch Hardman ist in Form, und Pianist Sam Dockery speist ihn mit spannenden Einwürfen. Blakeys Beat ist so solide wie damals wohl kein zweiter moderner Drummer, das kommt offenbar dem Temperament beider Bläser sehr entgegen. Die Stereo-Version, die auf der Mosaic-CD-Ausgabe zu hören ist, ist zudem länger als die zuvor veröffentlichte Mono-Version (die Mosaic-CD enthält von allen Stücken zum ersten Mal die Stereo-Mixes.)
    McLeans „Little Melonae“ folgt, Hardman gelingt ein wunderbarer Einstieg ins Solo, Dockery legt stotternde Akkorde. Hardmans Solo ist wieder sehr toll, er bietet den Kontrast zu McLean (der mit einem tollen Solo voller Triller und kleiner Motive folgt), den Byrd nicht brachte. Michael Cuscuna schrieb 2006 in seinem „Addendum“ im Booklet zum Mosaic-Reissue der kompletten Sessions vom 12. und 13. Dezember 1956:

    Beyond Blakey’s always magnificent and contoured drumming, this quintet’s strongest asset was the beautiful, tart blend of Jackie McLean’s alto sax and Bill Hardman’s trumpet. They phrased together with a forward thrust and their brash, peppery tones created a distinctive front-line sound.

    ~ Michael Cuscuna: Addendum, Liner Notes zu „Art Blakey & The Jazz Messengers – Hard Bop“, Mosaic MCD-1005

    „Stanley’s Stiff Chickens“ ist das letzte Stück von „Hard Bop“ und das längste der ganzen Sessions, McLean und Hardman haben es gemeinsam komponiert – und man hört hier sehr gut, wie die beiden zusammen harmonieren. McLeans Ton klingt leicht bitter, sein Solo ist sehr toll!

    „Little Melonae“ hatte McLean schon für sein Ad-Lib-Album eingespielt, die Version von Miles Davis blieb lange Zeit im Schrank, es war also diese Version auf „Hard Bop“, die das Stück zum ersten Mal bekannt machte. Kenny Burrell und Jimmy Raney nahmen es (mit McLean in der Band) für ihr Prestige-Album „2 Guitars“ auf, ebenso Coltrane für sein tolles Album „Settin‘ the Pace“.

    Drei Stücke von den Dezember-Sessions machten Seite zwei von Drum Suite aus (auf der ersten Seite war die titelgebende Suite zu finden, Blakeys erste Drums-Session, die im Februar 1957 eingespielt wurde, mehr dazu hier).
    „Nica’s Tempo“ von Gigi Gryce ist das erste derr drei Stücke. Dank Aufnahmen von Gryce selbst, sowie von Oscar Pettiford und Art Farmer war es schon damals auf dem besten Weg war, ein Jazz-Klassiker zu werden. Blakey öffnet mit einem Intro, das Thema ist völlig durchkomponiert, auch was die Parts der Rhythmusgruppe betrifft, danach geht’s im swingenden 4/4 weiter. McLean spielt das erste Solo, gefolgt von Dockery, Hardman
    Kompositorisch gesehen ist „Dee’s Dilemma“ auch von diesen Sessions neben „Nica’s Tempo“ und „Little Melonae“ der Höhepunkt – und in der Version von Blakey klingt es einiges zwingender und fokussierter als zuvor auf „Jackie’s Pal“. Gerade Blakeys Begleitung macht viel aus, die Rhythmusgruppe spielt hier auch viel besser zusammen, es stimmt eigentlich alles. Von „Dee’s Dilemma“ hatte Mal Waldron hatte selbst auch noch eine Version eingespielt, das Stück geriet aber in Vergessenheit, bis es in den 70ern von Art Farmer und Chet Baker wieder ausgegraben wurde.
    Auch „Just for Marty“ überzeugt hier wesentlich mehr – auch wenn diese Band nicht Blakeys beste war, so ist sie doch massiv unterschätzt und die Musik, die an diesen beiden Tagen aufgenommen wurde, ist Hard Bop vom allerfeinsten!

    Johnny Griffin, der wenig später zur Band stiess (teils neben, teils anstelle von McLean), äusserte sich später wie folgt über diese Gruppe:

    „My experience in Art’s band was excellent because that’s exactly the style of music I like to play. Very explosive, strong, fire all the time. We used to have games, like warfare, between the front line and back line – the horns and the rhythm section. There was a spirit of competition, but in a playful and positive spirit.“

    ~ Johnny Griffin, zitiert von Len Lyons in: Down Beat, 9. August , 1979, S.15 (Quelle, 2011-04-25)

    In den Sessions im Dezember wurde zudem ein kurzes Gershwin-Medley eingespielt, das im Frühling 1957 erneut für Blakeys Cadet-Album „Tough“ (LP 4049, später Teil des Doppel-Albums „Percussion Discussion“ (Chess CH2 92511), dessen andere LP ein Max Roach-Album enthielt) eingespielt wurde. Cuscunas Kommentar im Booklet der Mosaic-CD:

    In addition to the originally issued material, we have completed the session with a Gershwin medley that the same band later recorded on the Cadet album Tough. I never asked Blakey if this four-tune routine was a reverent tip of the had to a great American composer or a private joke that seemed to please audiences. The fact that it starts with the most overwrought of Gershwin pieces, is played with vibrato and never really develops in terms of solos makes me suspect the latter.

    ~ Michael Cuscuna: Addendum, Liner Notes zu „Art Blakey & The Jazz Messengers – Hard Bop“, Mosaic MCD-1005

    Das Stück landete ursprünglich auf Originally, einer Reste-LP, auf der ausserdem vier Stücke von den Sessions zu „The Jazz Messengers“ (CL 897) sowie die beiden Stücke, die mit Ira Sullivan und Wilbur Ware eingespielt wurden, zu hören waren (mehr Infos).

    Die letzte Session des Jahres fand am Tag darauf, dem 14. Dezember 1956 in Rudy Van Gelders Studio in Hackensack, NJ, statt. Neben McLean und Hardman waren Red Garland (p), Paul Chambers (b) und Art Taylor (d) zu hören, sie nahmen drei Stücke auf, die Hälfte des Albums McLean’s Scene (New Jazz 8212).
    Das erste Stück, der Opener des Albums, ist der Standard „Gone With the Wind“. McLean und Hardman präsentieren gemeinsam das Thema, der Trompeter soliert zuerst, einige witzige Ideen säumen seinen Pfad, sein Solo entwickelt einen schönen Sog. Garland folgt mit einem tollen Solo – und so sehr ich Mal Waldron mag: Garland macht das hervorragend, auch Taylor fügt sich sofort wieder perfekt ein, sein Spiel ist Welten von Blakeys Können entfernt, aber er treibt die Band rumpelnd voran – genau das brauchte McLean, und genau das konnte seltsamerweise Philly Joe auf „Jackie’s Pal“ nicht richtig bringen. Chambers macht seine Sache zwar gut (hier mit einem gestrichenen Solo), aber ich freue mich dennoch schon wieder auf die kommenden Sessions mit Doug Watkins im Januar und Februar 1957.
    Es folgt „Our Love Is Here to Stay“ von der Session vom 15. Februar, auf die ich später eingehen werde. Dann endet die erste Seite mit dem alten Standard „Mean to Me“. McLean soliert zuerst, gefolgt von Garland (der mit dieser Art Material perfekt zurecht kommt), Hardman (mit Dämpfer), einer kurzen Runde von Fours mit Taylor, dann Chambers, der ein tolles Pizzicato-Solo spielt, mit einigen Griffen, die fast an eine Gitarre gemahnen, und aus mit dem Thema, von McLean und Hardman im Wechsel präsentiert.
    Das dritte Stück vom 14. Dezember ist Jackies Original „McLean’s Scene“, mit etwas über zehn Minuten das längste des Albums, wenig überraschend ein Blues, das Tempo mittelschnell. Garland öffnet solo, dann mit Chambers und Taylor – er war ein exzellenter Blues-Pianist und beherrschte es auch, Stücke angemessen zu eröffnen, sei es mit der ausgestorbenen Art kurzer Piano-Intros wie auch (wie hier) mit mehreren Chorussen. Nach über zweieinhalb Minuten setzten McLean und Hardman ein – ein Thema sucht man hier vergebens, die beiden spielen über mehrere Chorusse fours, bevor Hardman dann zu seinem eigentlichen Solo ansetzt – und das ist einmal mehr sehr toll! McLean folgt seinerseits mit einem schönen Solo, hat allerdings etwas Mühe mit seinem Blatt, schrammt einige Male haarscharf an Kiecksern vorbei, was ihn allerdings kaum zu stören scheint. Taylor treibt ihn aufs schönste, wie wir mittlerweile schon gewohnt sind. Es folgen ein kurzes Schlagzeug-Solo und dann ein längeres, tolles gezupftes Bass-Solo, in dem Chambers seinen Bass richtiggehend sprechen lässt, bevor
    Das Album endet dann mit „Old Folks“ und „Outburst“, zwei weiteren Stücken vom 15. Februar.

    Was mir nicht klar ist: warum erscheinen ab „McLean’s Scene“ einige von Jackies Alben plötzlich bei New Jazz? „Makin‘ the Changes“ (NJ 8231) und „A Long Drink of the Blues“ (NJ 8253) erschienen dort, während „Jackie McLean & Co.“ (PR 7087), „Strange Blues“ (PR 7050), „Alto Madness“ (mit Co-Leader John Jenkins, PR 7114) und auch Ray Drapers „Tuba Sounds“ (PR 7096) auf dem Hauptlabel erscheinen.
    Ich glaube wir hatten uns über New Jazz schon im Prestige-Thread ein wenig unterhalten, kann mich aber nicht mehr genauer erinnern, ob’s ein Konzept hinter dem Label gab oder ob das von Anfang an wenig einleuchtend war.

    Zum Abschluss noch ein längerer Auszug aus Jack Mahers Liner Notes für „McLean’s Scene“:

    There’s much of the „hung lover“ in Jackie’s playing these days. This is a quality of feeling that has to do with loss, with hurt and with raw tenderness. In this respect, his playing has a relationship with the singing of Billie Holiday. Of course their individual approach to music is entirely different, but in their quality of feeling, in their emotional projection, both seem to be carrying a „torch“ for life.

    The quality of suffering that is projected in the music of both these artists is a quality that exists beneath the tough, worldly veneer that they musically affect. In Billie’s singing, this veneer is projected as a strange kind of stoicism; in Jackie’s playing, it’s an angry defiance. What’s underneath the sound and style, in both cases, is something distinctly human, distinctly perplexed and perplexing. Their music is the crystalization of „hard“ living, of pleasure without joy, of disappointment and, in some respects, frustration. Underneath the hard and „jaded“ exterior of their music is a deep sensitivity for what’s right with the world through an expression of what’s wrong with the world.

    When Jackie plays, he expresses himself in hard clipped phrases that, superficially, act tough and rude, but that in themselves are an expression of grief. He is asking, he is wondering, he is anxious.

    ~ Jack Maher, Liner Notes zu „Jackie McLean – McLean’s Scene“, Prestige / New Jazz 8212

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    Das neue Jahr sollte wohl das an Aufnahmen reichhaltigste in McLeans ganzer Karriere werden. Er war mittlerweile zur reifen Stimme im Hardbop-Zirkus gewachsen.

    Die erste Session des Jahres landete auf dem nächsten Jam-Album von Gene Ammons. Eine neue Stimme ist zu hören: Kenny Burrells Gitarre, die auf zwei dieser Alben zu hören ist. Daneben ist die Band fast unverändert: Ammons, McLean, Farmer, Waldron, Watkins und Taylor.
    „Funky“ ist ein Riff-Blues von Burrell, den Watkins mit ein paar Takten walking bass öffnet, damit auch gleich den Ton vorgibt. Die Bläser spielen das Thema zweimal, Waldron füllt recht hübsch, verzahnt sich mit Burrell. Ammons bläst das erste Solo über Watkins‘ imposanten Bass, Taylor und Waldron halten sich anfangs sehr zurück. Burrell schleicht sich ein, während Waldron dichter zu compen beginnt und Taylor langsam Druck macht. Ammons‘ Solo ist ein Lehrbuchbeispiel, wie man auf entspannte Weise ein schönes Statement konstruiert. Burrell folgt, sein Ton weich und singend – in diesen Jahren vor Grant Greens Ankunft in der Jazz Szene ist er wohl mein Lieblingsgitarrist, und hier wird mir wieder mal vor Augen geführt, weshalb. McLean ist der nächste Solist, die Temperatur steigt ein wenig an, aber auch er ist sehr relaxt. Farmers Solo ist wieder wunderbar frisch und lyrisch, vielleicht das schönste in diesem Stück. Unter Waldron ist Kenny Burrell wieder deutlich zu hören – diese Rhythmusgruppe aus Waldron, Burrell, Watkins und Taylor ist für mich eine der besten aus diesen Jahren (obwohl ich gar kein grosser Fan von Taylor bin, an sich… auf „The Cats“ gibt’s sonst noch die Variante mit Louis Hayes am Schlagzeug).
    „Pint Size“, das längste Stück der Session, stammt von Jimmy Mundy und hat ein leicht zickiges jump Thema (ein einfaches Riff mit improvisierter Bridge), das einer Big Band in der Tat gut angestanden wäre. Wieder geht Ammons als erster in die Runde, wieder glänzt Watkins mit seinem Sound und seinen Linien. Farmer folgt, erneut wunderbar, mit schönem Kommentar von Taylor und einigen tollen 16tel Passagen. McLean steigt mit einer tollen Phrase in sein Solo ein, spielt mit wunderbarem Ton ein lockeres Solo, hie und da lässt er den Ton schon fast sich überschlagen, wie er das später oft tun sollte, diese leicht aufgerauhte Spielweise, die sein Instrument hart an die Grenze treibt. Auch Burrell glänzt mit rasanten Läufen.
    „Stella By Starlight“ wird wieder langsam von Ammons präsentiert und abgeschlossen, dazwischen hören wir Soli in double time.
    Das letzte Stück, „King Size“, wird von Ammons mit einem kurzen Intro eröffnet, es stammt wieder von Jimmy Mundy, wieder legt Taylor Big Band-artige Rhythmen unter das Riff-Thema (dieses Mal auch mit einer Riff-Bridge). Ammons startet den Solo-Reigen, Farmer rifft hinter ihm, Taylor treibt, man hört Ammons wieder, zwischen den Phrasen stöhnen und seufzen. Er honkt und ist eindeutig in Pres‘ Ländereien. Farmer folgt, dann McLean und Ammons, Burrell und Waldron, der wohl sein schönstes Solo der Session spielt. Es folgen Fours von McLean/Burrell und Farmer/Ammons (ohne Taylor dazwischen, der dreht aber mächtig auf).
    Auch dieses Album ist wieder eine sehr runde Sache – irgendwie scheint Ammons‘ scheinbar unendliches Selbstvertrauen, diese unglaubliche Lockerheit und Gelassenheit, auf seine Mitmusiker sehr stark abzufärben, denn so entspannt wie hier hört man sie kaum sonst, am wenigsten McLean!

    Die nächsten Sessions mit Art Blakey fanden am 14. Januar und am 11. Februar in New York statt, wurden aber auf Pacific Jazz veröffentlicht. Wie schon bei den Columbia-Sessions vom Dezember entstand etwas über eine Stunde Musik. All Stücke sind auf der Blue Note CD Ritual von 1988 zu finden, in etwas eigenartiger Anordnung, aber was soll’s…
    „Little T“ von Donald Byrd steht am Anfang, Blakeys dichtes Getrommel ist sofort zu spüren und ein grosser Kontrast zu Taylor. McLean und Hardman spielen schöne Soli, nach Dockery folgt Blakey mit einem tollen, langen Solo.
    „Exhibit A“, das zweite Stück, das nicht auf dem „Ritual“-Album war, hat Blakey mit Gigi Gryce geschrieben, der im Mai 1954 an eine EmArcy-Session Blakeys (mit Joe Gordon und Walter Bishop) beteiligt war und auch als Komponist auftrat. Das Stück hier hat er wie „Wake Up“ unter dem Pseudonym Lee Sears veröffentlicht. Das Stück öffnet mit einem Intro, das einen Kontrast zwischen den recht langsamen Linien der Bläser und Blakeys nervösen schnellen Rhythmen bietet, dann folgt das eingängige Thema. Hardman soliert als erster, dann folgt McLean, intensiv und brennend aber doch rhythmisch relaxter als oft. Dockerys Klaviersolo ist sehr gut, er und Spanky DeBrest (den Namen müsste man erfinden wenn es ihn nicht gäbe!) tauchten nach ihrem Gig mit Blakey rasch in der Versenkung ab, obwohl sie noch einige Jahre um ihre Heimat Philadelphia aktiv waren. Nach seinem Drum-Solo leitet Blakey wieder in das rasante Interlude über, von da zurück ins Thema…. eine atypische Nummer für Blakey, der man Gryces leitende Hand sehr anhört.
    Das Album „Ritual“ (mehr zu den Veröffentlichunen unten, bin mir da aber auch nicht in allen Details sicher) beginnt dann mit Duke Jordans 1954 erstmal eingespieltem „Scotch Blues“: über Blakeys Marsch-Snare legt Hardman einen Fanfare, McLean spielt quasi Dudelsack, während Dockery etwas herumklimpert. Dann geht’s direkt in einen fetten 4/4 mit starkem Bass von DeBrest und McLean als erstem Solisten. Er und Hardman spielen tolle Blues-Soli, Hardman glänzt mit einigen double time Linien, einem vokalen Sound mit vielen Dehnungen und Biegungen und überhaupt sehr lyrischem Spiel. DeBrest lässt seinen Bass schnarren als Dockery zum Piano-Solo ansetzt.
    „Once Upon a Groove“ stammt von Owen Marshall, einem Trompeter und Pianisten aus Philadelphia, dessen Musik schon auf Lee Morgans ersten beiden Blue Note Alben zu hören war. Auch Max Roach hat 1958 eins seiner Stücke aufgenommen. Das ist klassischer Hardbop, mit kleinen hooks und sehr eingängigen Phrasen, auch die Rhythmusgruppe muss im Thema ein wenig mitdenken, für die Soli geht’s dann aber in einen swingenden 4/4 und Hardman hebt sofort ab, getragen von Blakeys toller Begleigung. Auf Dockery folgt McLean und Blakeys Begleitung ist schlicht umwerfend. In diesem Tempo war er unerreicht, sein Fluss an rhythmischen Einfällen bricht jedenfalls im ganzen Stück nicht ab und spornt auch McLean zu einem schönen Solo an und spielt dann selber ein tolles Solo.
    Dockerys „Sam’s Tune“ ist eine Uptempo-Nummer mit Latin Rhythmen während dem Thema und tollen Soli von McLean, Hardman, und zum Ende intensiven Fours mit Blakey. Waldrons „Touche“ (vom Komponisten wenig später in einer typischen Prestige-Session eingespielt) ist relaxter, enthält eine Bridge im 6/8-Takt. Dockery spielt schon ein Intro und soliert nach dem Thema auch als erster. Die lyrische Stimmung kommt ihm und auch Hardman sehr entgegen. McLean folgt als letzter und ist auch im Thema nochmal solistisch zu hören, improvisiert über den 6/8-Tag, der am Ende angehängt wird.
    Das rasante „Wake Up“ ist Gryces zweiter Beitrag zur den Sessions, McLean soliert als erster, sein Ton anfangs so schwer, dass man fast an ein Tenorsax denkt. Hardman, Dockery und Blakey folgen.
    Der Höhepunkt der Sessions ist das Titelstück des Albums, das fast zehn Minuten lange „Ritual“ von Blakey, das er mit einer zweiminütigen gesprochenen Einleitung:

    In 1947, after the Eckstine band broke up, we — took a trip to Africa. I was supposed to stay there three months and I stayed two years because I wanted to live among the people and find out just how they lived and — about the drums especially. We were in the interior of Nigeria and I met some people called the Ishan people who are very, very interesting people. They live sort of primitive. The drum is the most important instrument there: anything that happens that day that is good, they play about it that night. This particular thing caught my ear of the different rhythms. The first movement is about a hunter who had went out — there was three of them. They were after one girl. She was a very pretty girl. They wanted her. And this particular one, he went out — the guys would tease him a lot because he was the shortest one in the — tribe. And he went out and he was the best hunter, so he ended up with the girl. And this time they started playing the drums and expressing to her that he had caught the most game and to prepare for the feast that night. And the second movement is a movement where there’s a little girl, she wanted to go out and play, and her mother didn’t want her to go out and play and it was an argument going on between the two and so the drummers would play. And the little brother comes up and he persuades the mother to let her go out. So that’s a big deed that day for the little boy who persuaded his mother, so they played about it. And the last part of it, I have a little bit of — American movements in there, the last bit of it is about the first time they had seen an automobile that day. And that’s the reason I put in some American movements on the drums. And — they played about it that day.

    ~ Art Blakey, transcription of „Art Blakey’s Comments On ‚Ritual'“ from the 1957 Pacific Jazz album Ritual. (Quelle, 2011-04-25)

    Abgesehen von ein wenig Sax und Trompete am Ende spielen alle fünf Messengers hier Perkussionsinstrumente: McLean die hohe cowbell, DeBrest die tiefer, Dockery ist an Maracas und Hardman an Claves zu hören.

    Der grösste Teil dieser Session erschien auf dem Album „Ritual“ (PJ-402), die beiden Stücke „Lil‘ T“ und „Exhibit A“ erschienen zusammen mit Elmo Hopes einziger Pacific Jazz Session (1957-10-31 mit Stu Williamson, Harold Land, Leroy Vinnegar und Frank Butler) auf PJ-33 („The Jazz Messengers Featuring Art Blakey/The Elmo Hope Quintet Featuring Harold Land“). Es gab zudem diverse Singles, EPs… auf PJ-15 (25cm LP nehme ich an) waren die Stücke von PJ-402 ohne „Ritual“ und Blakeys zweiminütigen Kommentar dazu. Der Inhalt von PJ-15 sowie die beiden Stücke von PJ-33 wurden von Blue Note später auf LT-1065 neu aufgelegt.

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    Auf dem Album Jackie McLean & Co. (PR 7087) ist McLeans nächstes eigenes Projekt zu hören – und das hat es in sich! In Hardman hat er seinen damals besten Partner neben sich, mit Waldron, Watkins und Taylor seine bevorzugte Rhythmusgruppe hinter sich. Dazu stösst für die erste Hälfte des Albums der 16jährige Ray Draper an der Tuba.
    Die Session fand am 8. Februar in Van Gelders Studio statt, zwischen den beiden Blakey-Sessions. Der Sound der Band ist dank Drapers Tuba sehr speziell, ziemlich düster, abgehangen. McLeans Bemühen, junge Leute zu fordern setzt früh ein, er ist ja selbst zu diesem Zeitpunkt erst 25 Jahre alt.
    Was zudem auffällt ist, dass hier nur Originals (zwei von Waldron und je eins von McLean, Draper und Watkins) gespielt werden – das verdeutlicht wohl auch, dass es sich hier nicht um ein Jam-Album handelt sondern dass für einmal etwas mehr Arbeit in die Vorbereitung eingeflossen sein dürfte.
    Waldrons Opener „Flickers“ war in einer schnelleren Version schon auf dem Prestige All-Stars Album „All Night Long“ (PR 7073) zu hören. Das Thema erinnert ein wenig an „Dear Old Stockholm“ in der Version auf Miles‘ Album „Round About Midnight“. Das Thema wird über Tuba/Bass Pedal-Points gespielt, Hardman und McLean unisono. Jackie spielt dann das erste Solo, gefolgt von Hardman. Die suspension mit den Pedal-Points folgt auch in den Soli. Draper soliert als dritter, schlägt sich gut, bleibt abgesehen von ein paar Läufen meist in der teifen Lage, klanglich ist das ganze manchmal hart an der Grenze, zum Mus zu werden, aber ich hab mich langsam mit Drapers frühen Aufnahmen abgefunden und kann seinem Auftritt auf diesem Album doch einiges abgewinnen.
    „Help“ ist ein Blues in Moll von Doug Watkins, er öffnet ihn mit waling bass Linien, Taylor, Waldron und Draper setzen ein, letzterer spielt ein kleines Riff, das er auch unter McLean und Hardman repetiert. Ein Thema hat das Stück wohl nicht, die Linien von McLean werden von Hardmans gedämpfter Trompete umschlängelt. Ohne Draper und anfangs auch ohne Waldron beginnt Hardman über Watkins und Taylor den Solo-Reigen. McLean übernimmt, dann Draper, auch hier recht überzeugend. Waldron hält die Begleitung sehr sparsam, Watkins‘ Bass ist sehr zentral und er kriegt denn auch ein kurzes Solo.
    Ray Drapers „Minor Dream“ erinnert in der Einleitung an Waldrons „Dee’s Dilemma“, Taylor klöppelt einen Latin-Beat, Hardmans Trompete bläst bittersüss die Melodie, während McLean eine abfallende Gegenmelodie spielt. Draper spielt dann über einen swingenden 4/4 das erste Solo, sein Ton ist zwar nicht besonders fest und Art Taylor beschleunigt das Tempo ganz enorm… das führt wohl auch bei Draper zur einen oder anderen Unsicherheit – um Taylors Beschleunigung, die in Drapers Solo sofort losgeht, zu hören, lasse man nachdem das Stück ausgeklungen ist nochmal den Anfang laufen, dann hört man das Thema in beiden Tempi – wirklich eklatant hier! Egal, jedenfalls klingt Watkins trotzdem gut, er geht gezwungenermassen mit Taylor mit. Hardmans Solo ist sehr diskursiv, er spielt mit kleinen Motiven, Wiederholungen, kontrastiert diese mit langen Linien, oft in schnellen Sechzehntel-Läufen – und Taylor begleitet ihn sehr toll. McLean folgt, sein Ton etwas süsser als üblich, fast cremig. Waldron folgt mit einem schönen kurzen Solo, dann folgen exchanges von Draper, Hardman und McLean.
    Die zweite Seite wurde im Quintett ohne Draper eingespielt, McLeans Blues „Beau Jack“ ist mit über elf Minuten die längste Nummer des Albums. Das Tempo ist zügiger als in Watkins‘ Blues, an thematischem Material gibt’s nur ein Lick, das von McLean/Hardman als call mit response von der Rhythmusgruppe gespielt wird, bis in den letzten vier Takten ein durchgehender 4/4 folgt. McLean spielt das erste Solo, lässt sich Zeit, Waldron begleitet sparsam und effizient, Watkins trägt die Musik mit seinem grossen Ton. Taylor und McLean fallen schon bald in double time, McLean kocht bald – ein sehr tolles Solo! Auch Hardman spielt ein sehr tolles Solo, gespickt mit double time Läufen. Dann folgt Waldron und hier ist er wieder, der frühe trockene Stil, dieses sich winden und drehen um einzelne Töne und Motive – wunderbar! Es folgen Exchanges von McLean und Hardman.
    Den Abschluss macht Waldrons „Mirage“, eine melancholische Ballade in der Art von „Abstraction“ vom Album „4, 5 and 6″. Auch hier klingt McLean wieder fast süss, das Bittere bringt Hardman mit seiner gestopften Trompete ins Thema. Im Solo klingt McLean dann allerdings klagend, aber weich, getragen von Waldrons sanften Akkorden und Watkins Bass. Hardman folgt, dann kurz Waldron und dann wird das wunderschöne Thema repetiert.

    Was Ray Draper betrifft, den grinsenden Jungen mit der Zahnlücke, so haben wir uns im Tuba-Thread mal ein klein wenig über ihn unterhalten und hier hat John the Revelator Drapers Album mit Coltrane vorgestellt und redbeans in der Folge nachgelegt; über das Album und auch das zweite von Draper mit Coltrane habe ich mich natürlich auch im Chronological Coltrane kurz geäussert.

    Am 15. Februar waren McLean, Waldron und Taylor wieder im Studio Van Gelders, dieses Mal mit einem Bassisten namens Arthur Phipps. Die Session ergab elf Stücke, acht Standards gefolgt von zwei McLean Tunes und Coleman Hawkins‘ Klassiker „Bean and the Boys“. Die Stücke machten jeweils die Hälfte der Alben McLean’s Scene (NJ 8212, siehe oben für die andere Hälfte), Makin‘ the Changes (NJ 8231) und A Long Drink of the Blues (NJ 8253) aus, zwei weitere finden sich auf Strange Blues (PR 7500). (Jazzdisco gibt fälschlicherweise an, „What’s New“ von dieser Session sei auf NJ 8231, dort ist das Stück zwar zu finden aber von der Session vom 30. August 1957 mit Gil Coggins am Piano und Webster Young an der Trompete)

    Arthur Phipps hat in den 40ern mit Babs Gonzales für Blue Note aufgenommen, Jack Maher schreibt über ihn:

    Arturo Phipps (as he prefers to be known) has been in and around jazz sine he first came to New York with the Three Bips and a Bop. This same group brought Babs Gonzales to national prominence. During those days he gigged all over 52nd Street, with as he puts it, „Just about everybody.“ Some of those people were Sonny Rollins, Lennie Tristano, Lee Konitz; of a more later date have been Don Elliott and Gigi Gryce. Arturo has a photography business of his own and still gigs all over New York. This is his first appearance on the current New Jazz series.

    ~ Jack Maher, Liner Notes zu „Jackie McLean – McLean’s Scene“, Prestige / New Jazz 8212

    „I Hear a Rhapsody“ wird im Rubato nur von McLean und Waldron eröffnet, fällt dann in ein zügiges Tempo, McLean spielt ein Solo, das nicht mehr so weit von den Stücken auf „Swing, Swang, Swingin'“ entfernt ist, Waldron folgt, dann nochmal McLean im Tempo, bevor das Thema wieder im Rubato wiederholt wird.
    Mit Inbrunst spielt McLean Gershwins wunderbares „Embraceable You“ – endlich bleibt er auch mal im langsamen Tempo für einen Standard! Taylor swingt satt mit den Besen, Phipps Bass ist solide und überzeugend, Waldron begleitet sehr aufmerksam. McLeans Solo ist toll, sein Ton wunderschön rund, er geht locker in Sechzehntel-Läufe über ohne die Stimmung der Ballade zu durchbrechen. Waldrons Solo ist sparsam, reduziert.
    „I Never Knew“ wird sehr schnell gespielt, Taylors dichte Begleitung treibt McLean, es macht Spass, ihn im Quartett zu hören, er ist mittlerweile reif genug, um – gerade mit Waldron, seinem mittlerweile besten Begleiter – auch allein genügen zu können. Sein Spielt strahlt Solidität und Reife aus, er wirkt stets gelassen, auch wenn er treibt und wie der Teufel swingt.
    „These Foolish Things (Remind Me of You)“ wird im satten langsamen Swing gespielt, Taylor wieder mit Besen, Phipps Bass sehr stark aber rhythmisch etwas unsicher, aber McLean kann sich auf Waldron absolut verlassen, ihr Zusammenspielt klappt schlafwandlerisch sicher.
    „Our Love Is Here to Stay“ ist wieder beschwingt und lässt einmal mehr an die spätere Blue Note Standards-Session denken. Phipps und Taylor swingen druckvoll, McLean klingt aufgeräumt, sein Ton fast ohne jegliche Bitterkeit, seine Linien klar und prägnant. Waldron spielt ein kurzes Solo, dann folgt nochmal McLean.
    Mit „I Cover the Waterfront“ sind wir wieder im langsamen Tempo, Phipps walkt wieder solide aber rhythmisch ein wenig unsicher, Taylor swingt einen feinen Groove mit den Besen, unter McLean, der am langsamen Tempo festhält längere Zeit in double time, was einen schönen Kontrast gibt. Für Waldron stellt er die Begleitung um, lässt mehr Raum, geht aber schnell wieder in double time über. Waldron wirft hier ein paar blumige Bemerkungen ein, die fast nach Red Garland klingen. McLean spielt nach dem Thema eine schöne kurze Solo-Kadenz.
    In „What’s New“ ist es dann McLean, der in double time drängt, derweil Taylor anfangs nur andeutungsweise mitgeht. Phipps klingt zwar wunderschön tief, aber hier scheint nicht alles so ganz zu stimmen, ryhthmisch. Waldron folgt mit einem Solo, dann nochmal McLean.
    Mit „Old Folks“ folgt der achte und letzte Standard der Session, im walkenden Balladen-Tempo präsentiert McLean das Thema sehr bluesig, geht dann im Solo rasch in schnelle Läufe über, Taylor zieht fein swingend mit Besen mit, die Atmosphäre des Stückes bleibt aber intakt. In die Kadenz am Ende mischt McLean einige Bop-Phrasen.
    „Bean and the Boys“ ist eine Nummer, die aus den Zeiten der 52nd Street stammt, Hawkins war harmonisch durchaus in der Lage, mit den Boppern mitzuhalten, hatte auch 1945 eine Band mit Howard McGhee und traf wiederholt mit Boppern zusammen oder holte sich welche in seine Bands. Auf der ersten Aufnahme des Stückes 1946 spielten mit Hawkins Fats Navarro, J.J. Johnson und Max Roach. Die Changes sind von „Lover Come Back to Me“ geliehen, das Tempo ist so schnell, wie die Bopper diesen Standard meist spielten. McLean brennt, frisst die Changes förmlich in sich hinein, und da sind wieder diese leisen Schreie zwischen seinen Phrasen. Das Stück ist mit achteinhalb Minuten das längste der Session und eindeutig der Höhepunkt. Taylors Getrommel ist McLeans Spiel an Intensität fast ebenbürtig, nach vier Minuten beginnt Waldron ein dichtes Pianosolo, das stotternd vorwärtseilt, in dem sich die Noten stellenweise zu überschlagen, die Linien Purzelbäume zu schlagen scheinen. Es folgen Fours von McLean und Taylor. Brennend und schreiend bringt McLean das Stück dann zu Ende.
    Es folgt der „Strange Blues“, eröffnet von Phipps mit erdigen walking bass Linien. McLean startet mit ein paar Blues-Versatzstücken, die wohl im Moment improvisiert wurden, aber altbekannt klingen. Äussert effektiv setzt Waldron ein. McLean lässt sich Zeit, spielt relaxt, Waldron folgt und bei McLeans Wiedereinstieg gibt’s einen schönen kleine Dialog der beiden, bevor das Stück mit McLean ausklingt (nicht ohne dass Phipps seinen Bass noch ein paar mal schön rumpeln liess).
    Die letzte Nummer der Session war „Outburst“, der Closer von „McLean’s Scene“ und wohl wieder ein Stück ohne Thema. Das Tempo ist halsbrecherisch, McLean von Anbeginn in Fahrt, Phipps wohl froh um die kleinen Breaks am Ende der Chorusse. Wir hören McLean wieder schreien. Waldron spielt ein kurzes Solo, dann folgen zum Abschluss Fours von McLean und Taylor und dann noch ein improvisierter Chorus McLeans zum Ende.
    „McLean’s Scene“ ist jedenfalls in der Mischung aus Standards, dem langen titelgebenden Blues und diesem Ausbruch ein recht gelungenes Album.

    Die Alben wurde (abgesehen von McLean’s Scene) an späteren Sessions vervollständigt, am 12. Juli folgte die zweite Session für Strange Blues, am 30. August die Session, mit der Makin‘ the Changes und A Long Drink of the Blues komplettiert wurden. In der Zwischenzeit nahm McLean aber noch neun weitere Sessions auf, u.a. mit Blakey, Ammons und Kenny Burrell/Jimmy Raney, sowie eine gemeinsam mit John Jenkins geleitete Session.

    Art Taylor nahm an unzähligen Sessions teil in jenen Jahren, er war wohl der am häufigsten gebuchte Drummer für Hardbop-Session bei Prestige und Blue Note. So war es ncihts als gerecht, dass er hie und da ein Album als Leader machen konnte. Auf einem davon, Taylor’s Wailers, war auch Jackie McLean beteiligt. Die Frontline bestand aus ihm, seinem alten Kumpanen Donald Byrd und dem angehenden Monk-Tenoristen Charlie Rouse (der auch auf Taylors vielleicht bestem Album, „Taylor’s Tenors“, zu hören ist). Die Rhythmusgruppe bestand aus Taylor, Ray Bryant und Wendell Marshall.
    Bryant gibt schon dem ersten Stück, Gigi Gryces‘ „Batland“ (wieder unter dem Pseudonym „Lee Sears“ eingetragen) einen Gospel-Einschlag. Rouse spielt das erste Solo, mit vielen Kanten und schönem Ton, McLean klingt danach fast ein bisschen dünn, wird aber vom fetten Groove der Rhythusgruppe getragen. Marshalls‘ Bass klingt auf der 20bit K2-CD riesengross und wunderbar. Byrd wechselt rasch in double time, Bryant folgt mit dem letzten Solo, dann unterhatlen sich Marshall und Taylor bevor das Stück mit der Wiederholung des Themas endet.
    Das nächste Stück, „C.T.A.“ (eine Komposition von Jimmy Heath) stammt von einer anderen Session mit John Coltrane, Red Garland und Paul Chambers und war auch schon auf einem anderen Album zu hören. Laut Ira Gitlers Liner Notes hat Taylor das Stück selbst ausgesucht, um das Album zu vervollständigen.
    „Exhibit A“ ist das bekannte Gryce/Sears-Stück, das McLean schon mit Blakey eingespielt hat. Die Solisten sind Byrd, McLean, Rouse, Bryant und Taylor, dann folgen kurz Fours von Byrd/Taylor. McLean klingt zwar toll, aber Rouse ist in grosser Form und stiehlt mit seinen trockenen Soli den anderen die Show.
    Mit Ray Bryants charmantem „Cubano Chant“ beginnt die zweite Seite des Albums, der Komponist spielt das Thema am Piano, die Bläser geben Antwort und Taylor klöppelt Latin-Rhythmen. Rouse öffnet wieder mit einem grossartigen Solo, lässt sehr viel Raum für Bryant und Taylor, kostet die süffigen Changes voll aus. Er scheint die anderen Solisten anzustecken, jedenfalls glänzen hier alle mit tollen Soli.
    Das Album endet mit zwei Monk-Stücken (neben Rouse war Taylor Ende der 50er mit Sam Jones in Monks Quartett), da ist zuerst „Off Minor“, Rouse soliert zuerst, gefolgt von Byrd, McLean (eckig und kantig, Monk angemessen!), Bryant und Taylor. Das Arrangement ist übrigens sehr „monk-isch“, er hat die Voicings anscheinend selbst beigetragen – wir hören hier die erste Version in einer grösseren als einer Piano-Trio-Besetzung.
    Zum Ende hören wir „Well You Needn’t“, Taylor macht den Auftakt, die Bridge gehört Bryant, dann beendet Byrd das Thema und spielt das erste Solo. Rouse, McLean und Bryant folgen, dann hören wir für einen Durchgang Byrd und Taylor im Dialog, vor Taylor einen Chorus alleine trommelt. Der letzte Chorus gehört nochmal Byrd, der erst in den letzten acht Takten (wie am Anfang) das Thema spielt. Dass Monk von Charlie Rouse beeindruckt war ist jedenfalls anzunehmen, er spiellt auch hier das tollste Solo, scheint völlig in die Welt Monks einzutauchen. Bryant gelingt übrigens das seltene Kunststück, seine Soli stark nach Monk klingen zu lassen, ohne dabei seinen eigenen Stil zu verleugnen – sehr toll in beiden Stücken!

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    "Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #151: Neuheiten aus dem Archiv – 09.04., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba
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