Re: Kurt Vile – Smoke Ring For My Halo

#7862047  | PERMALINK

nail75

Registriert seit: 16.10.2006

Beiträge: 44,768

Danke, Irrlicht!

Hier sind meine Gedanken:

Man hört selten Musik, die so sehr in sich ruht, ja die gerade dadurch lebt, dass sie in vielerlei Hinsicht statisch wirkt: Kurt Viles neues Album Smoke Ring For My Halo ist eine Ansammlung von Selbstgesprächen und Selbstbetrachtungen von ungewohnter Tiefe. Dicht eingewoben in einen wohlstrukturierten Bandsound aus repetitiven musikalischen Motiven, singt der aus Philadelphia stammende Gitarrist und Songwriter zurückgenommen mit sonorer Stimme und verleiht dem Album dadurch eine hypnotische Atmosphäre. Sein Gitarrenspiel ist vielseitig, präzise und ausdrucksstark und seine Band, die Violators, vermag in wunderbarer Weise feine Akzente zu setzen, die verhindern, dass Smoke Ring For My Halo je langweilig wirkt.

Sein Gesangsstil, insbesondere die Angewohnheit Silben endlos zu ziehen, hat Vergleich mit Bob Dylan heraufbeschworen. Ein Einfluss ist keinesfalls ausgeschlossen, aber der Verweis auf den Meister verschleiert und verwirrt mehr, als dass er erhellt: Dylan klingt selbst im Alter unruhig und suchend, Vile hingegen singt: „Think I’ll never leave my couch again“.

Dylans Musik ist bevölkert von mythischen und realen Orten, von der Größe und Komplexität Amerikas, seiner Geschichte und seiner Gegenwart. Kurt Viles Universum erstreckt sich hingegen vom Wohnzimmer seines Appartments zu den Geschäften in seiner Nachbarschaft. Es ist bevölkert von Freunden, Musik, Gitarren, Plattenläden, Mädchen, Jesus und der steten Bereitschaft, sich wieder hinzulegen.

So ist Viles Ghost Town ist kein physischer Ort, sondern Ausdruck der lethargischen Geisteshaltung eines in sich selbst versunkenen Menschen: „When I’m walking my head is practically draggin’/yeah, and all I ever see is/just a whole lotta dirt.“ Und doch verbreitet diese Musik eine so intensive Schönheit, dass man sich gerne einladen lässt in seine seltsam verschrobene Welt „Sippin’ from the soda can/exercises my hand/pacifies the land/makes the most outta your chill time, man“, erklärt er augenzwinkernd im Titeltrack. Kurt Vile wandert somnambul durch seine Welt, entwirft Skizzen, verwirft Ideen, äußert Gedanken und zitiert Gesprächsfetzen. Ungreifbar und körperlos wie ein Geist, scheint er entrückt zu sein von der Welt und den Menschen: „I’d pack my suitcase with myself, but I’m already gone“, singt er auf Jesus Fever, dem besten Song dieses bemerkenswerten Albums.

****

--

Ohne Musik ist alles Leben ein Irrtum.