Re: Tenor Giants – Das Tenorsaxophon im Jazz

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gypsy-tail-wind
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In Sachen Stan Getz… er war kein neurerer, kein Bandleader, kein besonders sympathischer Mensch… aber was er war: einer der grossen Improvisatoren des Jazz.

Empfehlen würde ich aus seiner riesigen Diskographie insbesondere:

Die gesammelten Roost Sessions auf drei CDs, dazu ein kleines Booklet mit guten Liner Notes und ein paar Fotos und natürlich all den relevanten Angaben.
Zuerst hört man die Quartette mit Al Haig (der sowohl Parker wie Getz‘ Lieblingspianist war – und schnell wird hier klar weshalb!), dann Quartette mit dem jungen Horace Silver. Am Ende der ersten CD beginnt dann die legendäre Storyville Session mit Jimmy Raney (g), Haig (p), Teddy Kotick (b) und Tiny Kahn (d). Sie gehört wie die Haig-Sessions zum besten in Getz‘ ganzen Werk!
Auf der dritten CD finden sich dann Studio Sessions im Quintett mit Raney sowie die Sessions, die Getz unter Leitung von Johnny Smith (g) für Roost eingespielt hat, darunter die Hit-Single „Moonlight in Vermont“. Zum Abschluss hören wir drei Stücke, die Getz als Solist mit der frühen New Testament Band von Count Basie präsentieren – mitreissend!

Weitere frühe Session hat Getz u.a. für Verve (Stan Getz Plays mit Raney und Duke Jordan, sehr schön, wenngleich nicht auf der Höhe der Roost-Aufnahmen mit Raney) und Prestige gemacht (Quartets, Prezervation, The Brothers und Early Stan – es finden sich hier weitere Preziosen, aber die Sessions sind enervierend zerstückelt).
Die gesammelten Sessions mit Raney gab’s auch mal als Mosaic – ist aber nicht mehr nötig heute, da die Roost-Box das wichtigste enthält und man mit der Raney-Box die grossartigen Stücke mit Al Haig verpasst.

Dann Verve… Getz hat viel, viel für Norman Granz‘ Label aufgenommen in den nächsten zehn Jahren. Ein paar Highlights:
– At the Shrine
– Hamp and Getz (mit Lionel Hampton)
– West Coast Jazz
– The Steamer
– Jazz Giants ’58 (Getz, Gerry Mulligan, Harry Edison mit dem Peterson Trio und Louie Bellson)
– Focus (mit Streichern, arr. Eddie Sauter)

Die West Coast Sessions von 1956/57 mit dem unterschätzen Pianisten Lou Levy gab’s auch mal in einem 3CD Set unter dem Titel East of the Sun: The West Coast Sessions. Darin sind die ganzen Alben „West Coast Jazz“, „The Steamer“ und „Award Winner“ enthalten sowie Stücke von den betreffenden Sessions, die auf anderen Alben zerstreut waren (etwa auf „Stan Getz & The Cool Sounds“, wo sich allerdings auch noch zwei Stücke mit Tony Fruscella finden!)

Dann folgen die Bossa-Jahre… meine Lieblingsalben sind hier wohl „Jazz Samba Encore“, „Jazz Samba“ und Stan Getz with Guest Artist Laurindo Almeida (das unterschätzteste und unbekannteste von allen!).

1967 entstand dann mit Sweet Rain der nächste Klassiker, Getz umgab sich hier mit einer Gruppe junger Musiker: Chick Corea, Ron Carter und Grady Tate.

Dynasty hiess ein Doppel-Album von 1971 mit Eddy Louiss an der Orgel, René Thomas an der Gitarre und Bernard Lubat am Schlagzeug – meine nächste Empfehlung!

Um diese Zeit enstanden auch Alben mit grösseren Besetzungen, etwa Communications ’72 unter Leitung von Michel Legrand (in der Jazz in Paris Reihe auf CD neu aufgelegt), und ein besseres Album mit der Big Band von Kenny Clarke/Francy Boland.

Getz versuchte sich dann auch ein wenig im Fusion – kenn ich noch fast gar nichts, hab’s aber nicht eilig, das zu ändern… „Captain Marvel“, „The Best of Two Worlds“, er nahm auch mit Background-Sängern auf („Voices“) und versuchte sich an Bacharach/David-Stücken.

Mit Jimmy Rowles folgte 1975 das wunderschöne Album The Peacocks und in den 80ern folgte dann eine Reihe starker Mainstream-Alben für Concord, fast immer im Quartett-Format mit Pianisten wie Fred Hersch oder Jim McNeely.

Für Elektra entstand ein sehr schönes Duo-Album mit dem Pianisten Albert Dailey, Poetry – es wurde von Blue Note auf CD wieder aufgelegt.

Dann gegen Ende der 80er folgten Aufnahmen in Kopenhagen, die von EmArcy veröffentlicht wurden, sie zählen zu Getz‘ allerschönsten: Serenity und Anniversary, mit Kenny Barron.

Wieder mit Barron und wieder in Kopenhagen entstanden auch Getz‘ letzte Aufnahmen: People Time. Letztes Jahr erschienen die gesamten Aufnahmen von diesem Engagement in einer grossartigen 7CD-Box (Universal France).

Das als kleiner Überblick… ich hab bestimmt ein paar wichtige Aufnahmen vergessen, aber mit den empfohlenen kann man wenig falsch machen!

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