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Das dritte Album für Colpix, „Nina Simone at Newport“, wiederholte die Erfolgsformel von „At Town Hall“. Live und mit kleiner Besetzung trat Simone am 30. Juni 1960 zum ersten Mal am Newport Jazz Festival auf – sie folgte auch keinen geringeren als Duke Ellington, der dort 1956 ein grosses „Comeback“ (das gar keines war) feierte und auch 1958 ein tolles Doppel-Album aufnahm.
Simone begleitete sich wie üblich selbst am Piano und wurde von ihrer Working Band begleitet: Al Schackman (g), Chris White (b) undd Bobby Hamilton (d). Schackman hielt ihr über vierzig Jahre die Treue, Chris White spielte später – er ging 1961 – u.a. mit Dizzy Gillespie, Ramsey Lewis und Quincy Jones, bevor er in den 90ern noch einmal mit Simone zusammenspielte. Vor er zu Simone stiess hatte er u.a. schon mit Cecil Taylor gespielt. Drummer Bobby Donaldson blieb bis Mitte der 60er bei Simone.
Dieses Trio begleitet die Sängerin-Pianistin bzw. Pianistin-Sängerin kongenial. Mit ihrem oft zurückhaltenden, aber wenn nötig auch aktiv ins Geschehen eingreifenden Spiel ermöglichen sie Simone, ihr genre-übergreifendes Programm zu präsentieren.
Am Abend des Newport-Konzertes war Simone in grosser Form. Das Set beginnt mit Richard M. Jones‘ Klassiker „Trouble in Mind“ (die Single davon war einer der beiden Chart Hits aus der Colpix Zeit, R&B #11, und auch zwei Wochen in den Pop Top-100). Dann folgt „Porgy“, nicht von Gershwin sondern das Stück von Dorothy Fields/Jimmy McHugh (vor Simone hatten u.a. Billie Holiday, Ethel Waters, Ellington und Peggy Lee dieses Stück aufgenommen).
Dann folgt die erste Überraschung: „Little Liza Jane“, ein englischer Folk-Song. Eins der Highlights des Albums ist danach Cole Porters „You’d Be So Nice to Come Home To“ – hier verwendet sie ihre spezielle Methode, klassische „Interpolationen“ in einen Jazz Standard einzuweben, sehr effektiv.
Dann folgt wieder ein kleiner Wechsel: das afrikanisch anmutende Original „Flo Me La“ folgt, in dem Simone ein perkussives Crescendo aufbaut. Im Instrumental „Nina’s Blues“ wird dann noch einmal deutlich, wie gut eingespielt die Leaderin und ihr Begleit-Trio waren.
Den Abschluss machte ein weiteres Folk-Stück, „In the Evening By the Moonlight“, in dem Simone einmal mehr ihren frischen und eigenen Mix von Klassik und Jazz zum besten gibt. Damit endet ein wunderbares, inspiriertes Konzert, das auf der EMI CD von 2005 im Remastering von Malcolm Addey auch ganz wunderbar klingt!
„Forbidden Fruit“ war das vierte Colpix-Album. Vermutlich entstand es im Studio über diverse Sessions verteilt. Die Band ist dieselbe, das Repertoire noch bunter gemischt, jedoch gelingt es Simone scheinbar mühelos, alles zusammenzuhalten – mit ihrer Stimme dominiert sie das Geschehen und sie ist auch als Pianistin sehr präsent.
Die zehn Stücke des Albums wurden für die CD-Ausgabe (EMI 2005, wie die ganze Reihe in Remastern von Malcolm Addey) um elf Bonustracks angereichert – und das ganze macht den bunten Mix wohl etwas zu lang, um alles am Stück zu geniessen, aber ist dennoch eine klare Bereicherung für das Album!
Die Musik reicht von Fletcher Henderson („Gin House Blues“) bis zu Oscar Brown Jr., der auf dem Album gleich mit drei Stücken vertreten war: dem Opener „Rags and Old Iron“, „Work Song“ (Musik von Nat Adderley) und dem Titelstück „Forbidden Fruit“. Dazwischen finden sich zwei mit Billie Holiday verbundene Songs („No Good Man“ und „I’ll Look Around“), ein Torch Song, den Peggy Lee mitkomponiert und aufgenommen hat („Where Can I Go Without You“), ein witziger Kitschsong namens „Just Say I Love Him“ (basierend auf einem italienischen Lied und mit tollem Gitarrenspiel von Schackman… ein hübsches period piece), Hoagy Carmichaels stimmungsvolles „Memphis in June“ und schliesslich – ein Highlight – „I Love to Love“, ein Stück, das zuvor Lena Horne aufgenommen hatte, und das Simone nützt, um ihre Meisterschaft am Piano zu demonstrieren.
Die Aufnahme ist hervorragend gelungen, Cal Lampley zeichnete im Studio verantwortlich.
Als Bonustracks finden sich vier Stücke, die mit Streicher Overdubs auf dem zehnten und letzen von Simones Colpix-Alben, With Strings, veröffentlich wurden. Zum Zeitpunkt, als dieses Album veröffentlicht wurde, war Simone schon längst nicht mehr bei Colpix, das Album wurde aus diversen Quellen zusammengestückelt. Vier der Stücke sind als Bonus auf der 2005er EMI-CD von „The Amazing“ zu finden, dazu die vier hier (von denen eins ein Alternate Take ist und alle ohne Streicher Overdubs zu hören sind, „Porgy I Is Your Woman Now“ und „Gimme a Pigfoot“ hatten allerdings von anfang an keine Overdubs) und auf der Doppel-CD At Carnegie Hall findet sich überdies „Blackbird“, das zuerst als Single erschienen war. Damit fehlt auf den 2005er CDs nur „Work Song“ – soweit ich sehen kann, ist das nirgends als Bonustrack aufgeführt, anscheinend ist der derzeit nur auf dem Collectables Twofer Folksy + With Strings zu finden.
Genug der Belehrungen… das Chaos stammt von der LP „With Strings“, die von Anfang an ein Machwerk war.
Die Bonustracks auf „Forbidden Fruit“ machen jedenfalls Freude: Zum Auftakt hören wir „Porgy I Is Your Woman Now“, das dritte Porgy-Stück und das zweite aus Gershwins Feder. Weitere Standards sind „Ev’rytime We Say Goodbye“ und „Spring Is Here“, daneben hören wir die Traditionals „Lonesome Valley“ und „Od Yesh Homa“ (ohne Worte), Weills „My Ship“ (die Seeräuber Jenny wurde später ja zu einem der grossen Kracher in Simones Repertoire), ein weiteres Broadway/Musical-Stück, „Baubles, Bangles, and Beads“, zwei alte Blues-Nummern, „Gimme a Pigfoot“ (wie erwähnt ein anderer Take als derjenige, der auf „With Strings“ – ohne Streicher – zu hören ist) und „T‘ Ain’t Nobody’s Biz-ness If I Do“. Eher überraschend folgt gegen Ende auch noch „Golden Earring“, ein Song, den auch Caterina Valente und Peggy Lee aufgenommen haben, und eine verjazzte Version von „Try a Little Tenderness“ – Simone macht daraus eine jubilierende Performance.
Das ganze ist genauso disparat, wie sich das hier jetzt liest, es ist aber zugleich durch die unglaublich starke, präsente Stimme und das prägende Piano-Spiel von Nina Simone zusammengeschweisst zu etwas ganzem, das grossen Spass bereitet!
Colpix-Album #5 wurde wieder live eingespielt, dieses Mal im New Yorker Village Gate:
After her wildly triumphant shows at New York’s Town Hall in September 1959 and at the Newport Jazz Festival in June 1960, Nina Simone had begun developing a steadfast and loyal following, a mixture of highbrow ‚in‘ crowd jetsetters, a burgeoning black bourgeoisie and of prime importance, a faithful crowd of young folk and jazz enthusiasts who hung out in New York’s Greenwich Village. Known as a haven for free thinkers, beatniks, folkniks and the Big Apple’s equivalent of the Bay Area’s ‚flower children,‘ the Village would be a fertile breeding ground for conversations about change, transformation, liberation and freedom. No surprise that as Nina herself noted in her autobiography, „In the Village, there were a number of different groupings. There was the jazz scene… gravitating around the music, were the writers, poets and painters, remarkable men and women who would become my friends. Langston Hughes, Jimmy Baldwin, Leroi Jones – as Amiri Baraka was known then – Lorraine Hansberry, Godfrey Cambridge, Dick Gregory – so many talented and exciting people… it was an extraordinary time to be in the Village…“
~ David Nathan, Mai 2004, Liner Notes zu „Nina Simone at the Village Gate“, Colpix, EMI CD-Reissue 2005
In diesem Umfeld dokumentierte sie Colpix also im April 1961 für das nächste Album, „Nina Simone at the Village Gate“. Begleitet wird sie wieder von ihrer treuen Working Band mit Al Schackman, Chris White und Bobby Hamilton. Die EMI-CD von 2005 enthält vier Bonustracks, die zuerst auf der Compilation „Nina Simone at Newport, The Village Gate and Elsewhere“ (West Side CD 210) zu hören gewesen waren. Auf zweien davon stösst Perkussionist Montego Joe zur Band und Hamilton spielt Perkussion statt seinem regulären Drum-Kit. Produziert hat wieder Cal Lampley, aber die Aufnahme klingt leider erheblich schlechter und leidet unter Fluktuationen im Sound.
Das lenkt jedoch nicht davon ab, dass sowohl Simone als auch ihre Band in bester Form sind. Die acht Stücke des Albums wachsen zu einem organischen ganzen zusammen, obgleich auch hier wieder unterschiedlichstes Material gespielt wird. Als Opener spielt Simone eine getrieben Version des Comden/Styne Songs „Just in Time“ – diese Aufnahme verkörpert für mich perfekt den existentiellen Charakter, den Simones beste Musik hat. Es folgt ein Rodgers/Hart Song, „He Was Too Good to Me“, den zuvor etwa Chris Connor, Jeri Southern und Helen Merrill aufgenommen hatten (diese Performance hat angeblich Laura Nyro massgeblich geprägt, so schreibt Nathan unter Berufung auf Michelle Korts Buch „Soul Picnic: The Music and Passion of Laura Nyro“ von 2002).
Josh White machte den Traditional „House of the Rising Sun“, 1940 bekannt, Simone eignet sich das Stück an – eine wunderbare Performance! Es folgt ein Romp durch „Bye Bye Blackbird“… achteinhalb Minuten, Simone auf der Höhe ihrer pianistischen Fertigkeiten – unglaublich!
Dann folgt wieder Oscar Brown Jr. – Simone spielt solo dessen „Brown Baby“, das erste Stück mit einer klaren Message bezüglich des Civil Rights Movements. Eine unglaublich berührende Aufnahme.
Mit „Zungo“ heitert sich die Stimmung – wie schon „Flo Me La“ ist das Stück von afrikanischen Rhythmen getragen. Geschrieben hat es Babatunde Olatunji, der nigerianische Perkussionist, der um diese Zeit in den USA für Furore sorgte. Das Album endet dann mit zwei Spirituals: „If He Changed My Name“ und „Children Go Where We Send You“, das erste langsam und klagend, das zweite stürmisch und fröhlich.
Die vier Bonustracks fügen dem Mix noch zwei Israelische Songs hinzu: „Eretz Zavat Chalav U’dvash“ und „Vaynikehu“, auf beiden spielt Montego Joe Dumbek und Bobby Hamilton Perkussion. Beide Stücke gehörte offensichtlich zum Repertoire, sie wurden im Mai 1963 in der Carnegie Hall erneut eingespielt (diese Versionen erschienen 1964 auf „Folksy“, dem neunten Colpix-Album).
Es folgt eine ausgedehnte frühe Version von „Sinner Man“ (die definitive Version folge auf dem Philips-Album „Pastel Blues“) sowie „You’ll Never Walk Alone“ von Rodgers/Hammerstein.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba