Re: Jazzland – kleine Schwester, oder großer Wurf?!

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gypsy-tail-wind
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Bin jetzt am Priester/Benton Twofer (von Bentons Album fehlt leider ein Stück, „Iris“). Gefällt mir spontan sehr gut, „Spiritsville“. Benton und Davis bilden eine gute Frontline – aber irgendwie wird Priester ein wenig begraben, dünkt mich – gerade im Vergleich zu „Keep Swingin'“. Das mag auch an der schwergewichtigeren Rhythmusgruppe liegen: McCoy Tyner, Sam Jones, Art Taylor – Elvin war zwar um 1960 schon „the heaviest“, aber er tänzelt eben, während Taylor eher hämmert – was in vielen Fällen zu Hardbop sehr gut passt, aber eben eher nicht zum lyrischen Priester. Tyner ist frisch, wie er in dieser Zeit halt so war… Sam Jones sehr erdig, aber viel weniger flexibel als Heath auf dem Debut-Album. Sein Bass ist oft in den unteren Lagen zu hören, mindestens so stark gefühlt wie gehört.
Die ganze Band erinnert mich ein wenig an jene auf dem schönen Ronnie Mathews Album, das wir drüben im Hardbop-Thread schon ausgiebiger besprocchen haben (hier meine kleine Besprechung).
Die Musik beginnt mit Charlie Parkers „Chi Chi“, einem Blues. Tyner spielt ein Intro, Davis übernimmt das erste Solo, die beiden anderen Bläser riffen zwischendurch mal einen Chorus lang… ein paar einfache „arrangers touches“. Es folgt Priester und sein weicher, geschmeidiger Ton, der eben doch nie nur auf Leichtigkeit aus ist, ist sofort wieder zu hören – und wie er Takte 9-12 seines zweiten Chorus gestaltet (ab ca. 1:52 – eine ähnliche Phrase taucht auch später im Solo wieder auf) ist wieder äusserst vokal (es gibt bei Basie eine Stelle in einem NT-Arrangement, wo die Posaunen gemeinsam „lachen“ – wunderbar! Schade, dass die Posaune nicht weiter verbreitet ist im modernen Jazz!). Benton folgt, solide, irgendwo zwischen Griffin und Golson mit einer starken Dosis Rollins und ein wenig Coltrane. Leider ein sehr kurzes Solo, aber das Album beginnt ja auch erst… Tyner spielt ein wunderbares Solo.
Bluesig geht’s weiter mit Priesters einzigem Original „Blue Stride“, das im Thema die tiefe Bläser-Frontline ausnutzt – insgesamt aber ist das eine für Priester irgendwie enttäuschend konventionelle Hardbop-Nummer, auch wenn die Soli ganz hübsch sind – aber zwingend ist hier nichts (an meinen Hardbop-aversiven Tagen würd ich das wohl „Allerweltshardbop“ nennen).
Es folgt die Ballade „It Might As Well Be Spring“ – eine sehr schöne Komposition von Rodgers/Hammerstein, aus der Priester sehr viel rausholt – schon seine unbegleitete Eröffnung ist wunderbar, eine kleine improvisierte Phrase, vor er zum Thema findet. Tyner spielt wunderbar hier, sparsam aber doch flüssig, nie plätschernd. Jones legt das Fundament, wie es nur wenige konnten, tief, ruhig, und doch immer mit spannender Tonwahl, und Taylor begleitet mit Besen. Die anderen Bläser setzen hier (zum Glück!) aus und Priester hat den ganzen Raum für sich. Auch hier gibt’s kurze Passagen, in denen er äusserst vokal klingt – wunderbar! Tyner spielt sein Solo über einen etwas flüssigeren, dichteren Teppich von Taylor und Jones, wechselt zwischen dem langsamen Tempo und Doubletime, ohne je die Stimmung zu stören. Priesters zweites Solo läuft dann auch im Doubletime, er findet aber mit Leichtigkeit zurück ins Ausgangstempo fürs abschliessende Thema.
Mit Walter Bentons „Excursions“ meldet sich das Ensemble zurück, Davis spielt ein überzeugendes Solo, in dem er die Tiefen des Saxophons auslotet, wieder gibt’s Riffs der anderen Bläser und dazu eine spezielle Begleitung Tyners, der eher in die hohen Lagen ausweicht. Es folgt Priester, getragen von Jones‘ Bass. Benton klingt leicht verhangen, sehr schön – ich glaub der Vergleich mit Golson passt ganz gut (und wenn er zu neuen Phrasen ansetzt beginnt er manchmal mit kurzen, schreienden Schnörkeln, die mich eben stark an Griffin erinnern).
Mit Bentons Titelstück beginnt dann die zweite Hälfte des Albums. Das dritte und letzte Bluesstück walkt in zügigem Tempo und lebt vom Kontrast von langen, schleichenden Linien und kurzen triolischen Figuren. Sam Jones spielt das erste Solo; auf seine solide, unspektakuläre Art lässt er den Bass singen, biegt Töne und spricht zu uns. Tyner folgt, dann wird das Thema erneut aufgegriffen, bevor Davis wieder sein Instrument auslotet. Auch Benton weiss mit seinem Solo zu gefallen.
Eine zweite Nummer von Richard Rodgers (mit Laurenz Hart) folgt, das in mittelschnellem Tempo vorgetragene „My Romance“ – mit dem typischen Halfbeat-Groove, wie das Miles Davis Quintett ihn perfektioniert hatte… bloss hat Tayler es mal wieder unglaublich eilig, ihm fehlt die Gelassenheit für einen solchen „laid back“ Groove leider. Es gibt daher auch kaum einen Kontrast, wenn der Solo-Reigen beginnt (ausser dass Jones nun halt 4/4 walkt). Die Soli sind kurz aber schön. Davis spielt balladesker als auf den anderen Stücken und gefällt – sehr schön auch die Interaktion mit Sam Jones.
Am Ende des Albums steht „Donna’s Waltz“, ein weiteres Stück von Walter Benton, wie der Titel schon sagt im 3/4 Takt. Auch hier wäre eine Spur mehr Gelassenheit bei Taylor sehr willkommen… Priester spielt dennoch ein sehr schönes Solo, ebenso Benton, der nächste in der Reihe. Davis und Tyner spielen kurze Soli und mit der Reprise des Themas endet ein eher zwiespältiges, etwas fragmentarisch und durchzogen wirkendes Album, das aber durchaus auch seine Höhepunkte hat.

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