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Angeregt durch die Diskussion und die kurze Erwähnung von Red habe ich mich mal eben durch seine Alben gehört, die ich mit Unmengen anderer Musik zum Glück komfortabel mit mit herumtragen kann.
Sonny Red, Altsaxophonist, hat das meiste für Jazzland aufgenommen. „Two Altos“ 1959 und hauptsächlich „Out of the Blue“ von 1960 – sein programmatisches One-off-Album für Blue Note eröffneten Red’s einzige fruchtbare Periode, die bis 1962 reichte und insgesamt 6 Alben umfasst; alleine drei davon als Erstaufnahmen für Jazzland.
Mir fehlt das musikalische Verständnis, um ihn musikalisch richtig einzusortieren, aber Red verfügt über einen sehr emotionalen, lyrischen Ton, der zuweilen auch sehr schmerzhaft klingen kann, ohne den markerschütternden Klang eines Coltrane, oder auch Jackie McLean zu haben. Dadurch eignet er sich hervorragend für langsame Balladen, auf denen er schöne Tonflächen zaubern kann, was ich für das Altsaxophon durchaus bemerkenswert finde, da es zuweilen sehr spitz und metallisch zu klingen vermag. Darüberhinaus kann er auch gut schnellere Titel nehmen, wäre aber für ausgesprochene Blowing-Sessions weniger geeignet.
JLP 32 Sonny Red – Breezin‘ (1960)
„Breezing“ bedeutet erst einmal mühelos, dann könnte man vielleicht noch an Breeze – Brise denken, wenn man diese Session hört. Von den dreien, die Red als einziger ausgewiesener Leader (Lateef nimmt hier durchaus eine Zweit-Leader Rolle wahr, wird aber nicht wie bei der Session mit Clifford Jordan extra als solcher aufgeführt) für Jazzland aufgenommen hat, ist diese Session durchaus die schnellste, die gleichzeitig aber auch wirklich mühelos klingt. Barry Harris sitzt wie wie bei allen anderen Sessions (bis auf die kurze Beteiligung Waltons) am Klavier, dieses Mal unterstützt vom mächtigen Bob Cranshaw (b) und Al Heath an den Drums. Außerdem ist der übliche Verdächtige Blue Mitchell (tp) neben Yusef Lateef als „Gaststar“ in der Frontline beteiligt. Das Album beginnt mit dem bluestriefenden Groover „Brother B“, auf dem vor allem Lateef schön auf dem dicken Walking Bass von Cranshaw soliert. Harris koordiniert die Musik im Hintergrund, beschränkt sich aber bei allen Bläser-Soli auf ähnliche Akkordmotive, bevor er kurz vor dem Ensembleende noch selbst ran darf. Darauf folgt die bekanntere Ballade „All I do is dream of you“, die in mittelschnellem Tempo genommen wird. Die nächsten drei Stücke funktionieren (leider) nach dem selben Schema, in dem die Themata entweder durch das Ensemble, Harris, oder Mitchell vorgestellt werden und die Nummern selbst in mittlererm Tempo genommen werden. Hervorzuheben ist das leichtfüßige Solo von Red auf „Ditty“ sowie das sehr schöne, dicke und warme gezupfte Bass-Solo von Cranshaw auf „Teef“, gefolgt von einem bluesigen Lauf von Lateef, der auf dieser Scheibe auf dem Tenor zu hören ist. Die einzige wirklich Ballade, die in entsprechendem Tempo vorgetragen wird, ist „A handful of stars“, bei dem besonders das schön träumerische, leicht tremolierende Saxophon von Lateef gefällt und Harris wieder einmal mehr beweist, dass er ein ausgezeichneter lyrischer Pianist ist. Leider klirrt das Klavier im Diskant. Red schließt das Stück ab und zeigt, warum Lateef und er gut zusammenpassen, da beide den Blick in die Sterne plastisch machen können.
Das Album ist insgesamt recht schön, „krankt“ aber daran, dass Lateef in einer untergeordneten Rolle gezeigt wird, zumal er dieses Mal auch nur ein Instrument spielt. Außerdem bewegen sich die meisten Stücke von der Geschwindigkeit und der Konzeption der Soli her auf einem ähnlichen Level.
JLP 59 Sonny Red – The Mode (1961)
Red’s zweite Session für Jazzland wird von „Moon River“ eröffnet, der zwar sehr schönen, aber oft auch cheesy klingenden Ballade von Henry Mancini. Die Gruppe nimmt das Stück in einem mittelschnellen Tempo und man ist sofort in der Musik gefangen. Grant Green (g) übernimmt das erste Solo und spielt verschiedene Abstufungen, die sehr schön klingen. Red folgt nach und schwebt ohne Hast, aber auch nicht verträumt über die Linien von Barry Harris (p) (auf einigen Stücken spielt Cedar Walton; leider kann ich nicht sagen, bei welchen) und George Tucker (b). Dieser Track ist ein Paradebeispiel wie man ein durchgenudeltes Stück auseinandernehmen und ganz unprätentiös wieder zusammenbasteln kann. Was weiterhin auffällt ist, dass Green und Red (sic!) sehr gut harmonieren und sich gut mit der Band abstimmen. Besonders Tucker findet sehr schöne Bassläufe, die Green schön untermalen. Interessant ist auch, dass sowohl Green, als auch Red „kalte“ und harte Instrumente spielen, die Musik aber insgesamt wunderbar warm ertönt. Auf „Bye, bye Blues“, das weniger einem Blues entspricht, sondern vielmehr dem Titel gehorcht, zeigt Red, dass er schnelle, flüssige Linien genaus hinbekommt. Jimmy Cobb nimmt das Stück immer wieder auseinander, soliert kurz und pusht Red stets weiter an. Sein Spiel erinnert hier fast an eine Mischung aus Roy Haynes und Elvin Jones.
„Never, never Land“ ist eine wunderschöne, fast modale Ballade, die von ihrem Grundriß und den Ausschmückungen des Pianisten viel von „Kind of Blue“ atmet. Besonders Red taucht emotional tief in die Musik ein und holt von tiefen bis hohen Tönen alles, auf dezente Weise, heraus. Tolles Stück.
Insgesamt ist diese Platte eine wunderbare Aufnahme und eignet sich hervorragend als Jazz-Album, wenn man jemandem zeigen möchte, was Jazz so alles kann. Ich würde nicht sagen wollen, dass die Höhen und Tiefen fehlen, den „Moon River“ und das letztgenannte Stück sind tolle Tracks, vielmehr entspinnt „The Mode“ einen roten Faden, der einen interessiert und erfreut weiterhören lässt.
JLP 74 Sonny Red – Images (1962)
Sonny Red’s drittes und letztes Album als Leader. Allerdings war er noch zusammen mit Clifford Jordan auf einem anderen Album zu hören.
Diese Aufnahmen hätten durchaus aus der selben Session entstammen können, welche „The Mode“ hervorgebracht hat, denn Red macht im selben Stil weiter. Darin ist vielleicht auch die mangelnde Popularität Red’s zu sehen, der nie der Innovator war, der vergleichsweise in Jackie McLean zu sehen ist. Nichtsdestotrotz ist die Musik zuweilen konsistenter und konsumierbarer, als McLean’s und natürlich Ornette Coleman’s Werke.
Der Titeltrack eröffnet recht schnell mit einem getragenen, warmen Solo von Blue Mitchell, der gut zu Red passt. Beide haben in etwa den selben Gestus – warmes Spiel, durchsetzt mit Explorationen der höheren Register, ohne dabei „draußen“ zu sein. Das Stück selbst ist auch wieder in mittlerem Tempo und die Solisten nehmen es sehr entspannt, ohne hektisch zu werden. „Blues for Donny“ und „Dodge City“ funktionierem nach dem selben Schema, letzters mit Abwesenheit von Mitchell. Die erste Ballade des Sets „Bewitched, Bothered and Bewildered“ erinnert an „Never, never Land“ des Vorgängeralbums und Sonny Red hat die Möglichkeit, sich dicht über der Musik auszubreiten, unterbrochen von einem kurzen Einsatz von Barry Harris. Auch hier merkt man die Stärke von Red, dem diese Stücke einfach liegen und die er mit innovativen, suchenden Linien einhüllen kann. Auf „Blue Sonny“ ist zusätzlich Grant Green zu hören, der einfache, aber passende Blueslinien spielt. „The Rhythm Thing“ wird dann wesentlich durch die Beckenarbeit von Jimmy Cobb vorangetrieben; auf anderen Stücken ist an seiner statt Lex Humphries zu hören.
Dieses Album fährt im selben Fahrwasser wie „The Mode“, hat insgesamt aber ein paar Probleme. Zum Einen führt die Inkonsequenz der Besetzung dazu, dass kein roter Faden erkennbar wird, der den Vorgänger so schön einheitlich verbunden und getragen hat. Der Hörer bekommt weniger Möglichkeiten, sich mit Grant Green anzufreunden, der dann durchaus schonmal störend wirken kann. Zum anderen fehlt eine Progression, die das Album davon befreit, etliches nicht „schon mal irgendwo gehört“ zu haben. Das macht sich vor allem bei der Ballade bemerkbar, die zwar sehr schön und warmherzig erinnert, aber zusehr an „Never, never land“ erinnert.
Daher macht es durchaus Sinn, zum Twofer zu greifen – der sinnigerweise „Red, Blue and Green“ heißt, auf dem beide LPs kombiniert sind.
Edit: Sollte man sich den Alben einzeln nähern wollen, dann wäre meine Empfehlung (mittlerweile): „The Mode“ – „Breezin'“ -„Images“.
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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III