Re: Jazzland – kleine Schwester, oder großer Wurf?!

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katharsis

Registriert seit: 05.11.2005

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Entsprechend mache ich doch gleich einmal den Anfang.
Zu Beginn ein paar Worte zu einer Platte, die man nicht allzu oft hören und sehen dürfte.

JLP 16 Mel Rhyne -Organ-izing (1960)

Mel Rhyne, Organist, hat vielleicht mehr eine Bluestradition, denn eine Jazztradition. Zumindest kombiniert er in seinem Spiel beides. 1936 geboren sammelte er erste nennenswerte Erfahrungen wohl bei Roland Kirk, also in der Avantgarde (wenn auch sehr früh), danach bei T-Bone Walker und schließlich bei Wes Montgomery. Ich kenne nicht recht viel mehr von ihm, da seine Produktionstätigkeit wohl erst wieder in den 1990ern erwähnenswert wurde, aber Kirk passt nur schwer ins Bild, Montgomery und Walker dagegen eher.
Die Mitstreiter bei dieser Souljazz- und Bluesgetränkten Session sind Andy Simpkins (b) und Albert Heath (d) als Teile der Rhythmusgruppe und Blue Mitchell (tp) sowie Johnny Griffin (ts) als Frontline.
Warum erwähne ich ausgerechnet diese Session, da sie musikalisch gar nicht mal soo überragend ist? Aus einem einfachen Grund. Mir ist keine andere Session bekannt (was deswegen ja nicht heißt, dass es sie nicht noch gibt), bei der eine von einem Organisten geleitete Band von einem Klavierspieler unterstützt wird – in diesem Falle von Gene Harris, womit die Three Sounds fast versammelt sind.
Eine weitere Besonderheit der Aufnahme ist, dass drei der vier Stücke eine Spieldauer von über 10 Minuten haben, was durchaus eine Seltenheit darstellen dürfte, da sonstige Sessions jener Jahre eher Kochbuchartig funktionierten.

Die Musik selbst präsentiert sich sehr entspannt und (natürlich) im Blues verhaftet. Rhyne und Harris ergänzen sich sehr gut, was der Session erstaunlich zuträglich ist. Keiner behindert jeweils den anderen, oder versucht sich absichtlich in den Vordergrund zu drängen. Harris ist allerdings durch seinen harten Anschlag und die vielen Triller dominanter im Ohr, als Rhyne mit seiner brodelnden Orgel, zumal er auch eher tiefere Register bearbeitet, während Harris häufig im Diskant bleibt.
Die rhythmischen Figuren von Rhyne sind oft sehr einfach, wenn er begleitet und beschränken sich auf Akkordspiel, während Harris lyrisch vor sich hinfließt und seinen von den Three Sounds gewohnten leichtfüßigen Sound präsentiert. Rhyne dagegen kann in seinen Soli durchaus begeistern, zumal er immer wieder avantgardistisch gefärbte Tonkombinationen anschlägt, wie bspw. bei „Things ain’t what they used to be“, bei dem er das mittlere Register erkundet. Harris erdet ihn im Hintergrund aber stark. Überhaupt klingt Rhyne stark nach einer Verbindung zwischen Jimmy Smith und John Patton.
Andrew Simpkins geht angesichts der Orgel immer wieder etwas unter, aber er spielt ein schönes, aber leise gezupftes Solo auf Cannonball Adderley’s „Barefoot Sunday Blues“, ebenso wie er auf Blue Mitchell’s „Blue Farouq“ solieren darf, aber schon bald wieder von Rhyne abgeholt wird.

Abseits davon formen die beiden Bläser Mitchell und Griffin die Musik hin zu einer schönen Blowing-Session. Besonders Spaß macht dabei „Things ain’t what thy used to be“ von Johnny Hodges, welches beide Bläser gleich eröffnen und dann zusammen mit Rhyne die etwas entspanntere Gangart festlegen. Mitchell spielt flüssig und flächig, mit vielen ausgehaltenen Tönen, aber auch sehr schönen „Crys“, während Griffin ausdrucksstark und schnell über die Musik segelt. Dabei bügelt er diese keineswegs glatt, sondern er treibt sie voran, ohne ihr den abgehangenen Groove zu nehmen. Auf „Blue Farouq“ hört man sehr schön die Verbindung zwischen Hodges und Parker und wenn man genau hinhört, dann hört man sogar jemanden im Hintergrund klatschen, nachdem Griffin nach ein paar hohen Tönen wieder in den Groove eintaucht.

Alles in allem ist diese Aufnahme nicht unbedingt eine für die einsame Insel, aber sie macht Spaß und man kann die Stimmung im Studio richtiggehend spüren. Außerdem finde ich die Vermischung von Orgel und Klavier für sehr gelungen und ich hätte durchaus Lust auf mehr!

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"There is a wealth of musical richness in the air if we will only pay attention." Grachan Moncur III