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Für die 12″-Ausgabe von Shorty Rogers & His Giants wurden am 10. September 1954 vier weitere Stücke eingespielt. Die Band: Rogers (t), Jimmy Giuffre (cl,ts,bari), Pete Jolly (p), Curtis Counce (b) und Shelly Manne (d). Das war Shortys working band und sie ist in der Tat hervorragend abgestimmt. Giuffre ist auf „Joycycle“, dem ersten der vier Stücke, an der Klarinette zu hören und spielt mit seinem typischen Stil eher im tiefen Register, mit äusserst zartem Ton, aber auch Rogers glänzt mit einem tollen Solo. „The Lady Is a Tramp“ wird geswingt, Giuffre spielt Tenor und Jolly spielt eins seiner aufgestellten, fröhlichen Soli. Auch „The Goof and I“ ist eine swingende Nummer – Shelly Manne glänzt wie auf den anderen, kriegt hier aber noch mehr Platz für fills. Auch Curtis Counce ist kurz zu hören. Das letzte Stück der Session ist „My Little Suede Shoes“, ein Thema von Charlie Parker, das zwischen einem Latin-Beat und swingendem 4/4 wechselt. Soliert wird wie in den meisten solchen Stücke nur über 4/4, Giuffre begleitet Rogers im Thema am Barisax und spielt das erste er kurzen Soli, gefolgt von Rogers, Jolly, Counce. Dann gibt’s fours mit Manne. Leider sind alle vier Stücke recht kurz geraten, aber mit „Joycycle“ ist doch ein wunderbares dabei.
Am folgenden Tag brachte Rogers wieder eine etwas reduzierte Big Band ins Studio: Milt Bernhart & Bob Enevoldsen (tb), Giuffre (cl,ts,bari), Lennie Niehaus & Bud Shank (as), Zoot Sims (ts), Jolly (b), Barney Kessel (g), Counce (b) und Manne (d). Mit dieser Band nahm er drei Stücke auf, die auf dem Album East Coast – West Coast Scene landeten. Al Cohn war da für die Ostküste zuständig.
Auf „Cool Sunshine“ glänzt Giuffre erneut mit einem wunderbaren Klarinettensolo, das schöne Altsolo zu Beginn stammt von Shank. Barney Kessels Gitarre bringt ein gewisses Überraschungsmoment in die Gruppe und sein Solo mitten drin, mit einem kurzen Break zum Auftakt, ist gelungen. Auch Zoot Sims‘ Tenorsolo öffnet mit einem Break.
Die Reihenfolge der Solisten insgesamt ist: Jolly, Shank, Bernhart, Giuffre (cl), Kessel, Rogers, Sims, Enevoldsen, Niehaus, Jolly/Manne/Counce.
„Loki“ ist eine Uptempo-Nummer und es sind erneut fast alle Musiker in kurzen Soli zu hören: Giuffre (bari), Enevoldsen, Niehaus, Rogers, Sims, Kessel, Bernhart, Shank, Jolly, Giuffre (cl), Counce. Der Kontrast von Bernharts extrovertiertem Posaunenspiel zu Enevoldsens ruhigerem, linearerem Spiel liegt übrigens auch daran, dass Bernhart die übliche Zugposaune und Enevoldsen die Ventilposaune spielt.
„Elaine’s Lullaby“ ist ein etwas träge dahinfliessendes, mittelschnelles, lyrisches Thema. Die Solisten: Rogers, Giuffre (ts), Bernhart, Kessel, Enevoldsen, Shank, Sims, Niehaus, Jolly.
Die Session insgesamt ist nicht hervorragend, aber ein gutes Fenster auf den Jazz, wie sich er in den vergangenen zwei, drei Jahren an der Westküste geformt hat. Die Mischung aus Swing und Bop, aus ruhigen, intimen und lauten, überschwänglichen Momenten ist jedenfalls einigermassen charakteristisch für die ganze Breite des West Coast Jazz.
Die Hälfte von Al Cohn wird dem Ostküsten-Jazz Ende 1954 kaum mehr gerecht – der Hardbop war da bereits explodiert und war drauf und dran, den eher kühleren und mainstreamigeren Jazz aus der RCA-Küche abzudrängen. Cohn spielte seine drei Stücke mit dem „Charlie’s Tavern“ Ensemble ein: Joe Newman (t), Billy Byers & Eddie Bert (tb), Hal McKusich & Gene Quill (as), Sol Schlinger (bari), Sanford Gold (p), Billy Bauer (g), Milt Hinton (b) und Osie Johnson (d). Auch hier sind alle Musiker solistisch zu hören, die Session ist insgesamt wohl etwas gelungener, Cohn schlägt auf jeden Fall Sims hier locker und auch Eddie Bert ist ein ungleich spannenderer Solist als Bernhart und Enevoldsen. Joe Newman hat ebenfalls ein paar gute Momente, Milt Hinton und besonders Osie Johnson spielen zwar zurückhaltender als Counce/Manne, aber Hintons Bass legt wie immer ein enorm solides Fundament unter die Musik (und auch er ist in allen drei Stücken mit kurzen Soli zu hören).
Am 14. September fand die nächste Session – die vorläufig letzte für RCA – statt, wieder mit Andre Previn am Piano sowie Bernhart (tb), Shank (as,fl), Bob Cooper (ts,ob), Giuffre (bari), Jack Marshall (g), Joe Mondragon (b) und Manne (d). Die Musik bewegte sich im standard territory: „It’s Delovely“ (arr. Rogers) und „You Do Something to Me“ (arr. Previn) stammen vor Cole Porter, Rogers‘ „Call for Cole“ und Previns „Porterhouse“ sind ihm gewidmet. Zum Abschluss wurde noch „Lullaby of Birdland“ eingespielt.
Wie schon die vorangegangenen Sessions mit Previn überzeugt mich auch diese hier nicht. Shanks Flötenspiel wurde zwar in dieser Zeit von Session zu Session besser, aber das ganze wirkt oft etwas gesucht, und zudem übereilt – kurze Soli, kein Raum für die Musiker, sich zu entfalten. Previns Piano ist auch dieses Mal eher langweilig. Er sollte in der Folge mit Shelly Manne und Leroy Vinnegar (das Trio nannte sich „Shelly Manne & His Friends“) das sehr erfolgreiche „My Fair Lady“-Album einspielen, das einen regelrechten Boom von Musical-Bearbeitungen auslöste (Manne und seine Freunde legten mit „Lil‘ Abner“ nach).
Shorty Rogers nahm das nächste Mal im März 1955 als Leader auf – für sein neues Label Atlantic. Die Atlantic-Aufnahmen entstanden zu grossen Teilen mit der working band (Giuffre, Jolly, Ralph Peña oder Counce, Manne), es gab aber im Dezember 1955 und März 1956 Sessions mit erweiterten Bands. Nach den März-Sessions („Clickin‘ with Clax“) wechselte Rogers wieder zu RCA und das erste Album, „Wherever the Five Winds Blow“, entstand im Juli 1956 wieder mit den Gians (Giuffre, Lou Levy, Peña, Larry Bunker).
Die Giants-Session (inklusive jene vom 10. September 1954 für RCA, jene für Atlantic und „Wherever the Five Winds Blow“) sind auf einem Fresh Sound 3CD-Set gesammelt.
Mosaic sammelte 1989 für ein 4CD (oder 6LP, #125) Set die Atlantic-Aufnahmen (März 1955 bis März 1956) und gab obendrein die Capitol-Session vom 8. Oktober 1951 bei (die auch auf der Capitol-CD „The Birth of the Cool Vol. 2: Shorty Rogers and His Giants, The Gerry Mulligan Tentette, Miles Davis and The Metronome All-Stars“), sowie das Nocturne-Album von Bud Shank (warum das genau zu EMI gehört weiss ich eigentlich nicht… die haben – abgesehen von der etwas missglückten Wiederveröffentlichung Jimmy Rowles‘ 10″-Album im Pacific Piano Mosaic Select – soweit ich weiss keine Nocturne-Reissues gemacht, die kamen sonst unter der „Jazz in Hollywood“-Überschrift bei Fantasy heraus… von denen hab ich allerdings keine, es gibt da auch das eine oder andere, was nicht in der Fresh Sound 3CD-Box Platz fand und wohl in der geplanten Nachfolge-Box hätte unterkommen sollen).
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