Re: Shorty Rogers

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gypsy-tail-wind
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redbeans hat das ganz gut erklärt, finde ich – muss ich an sich nicht viel ergänzen. Aber ja, das wird eine Weile dauern ferry, bis Du solche Feinheiten deutlich hörst (und ob Du sie so deutlich oder weniger deutlich hörst, wird auch mit der persönlichen Hör-Erfahrung zusammenhängen).

Grundsätzlich: im Bebop sind die Phrasen oft zerklüftet, enden oft an eher unerwarteten Orten (das kann allerdings wiederum ziemlich regelmässig über ein ganzes Solo fast immer der gleiche Punkt sein, oft auf „4 und“, also den halben Schlag nach dem vierten im Takt). Zudem sind da die „bombs“, die die Drummer spielen (typisch etwa Max Roach im Parker Quintett), die zudem neue Akzente reinbringen, den ebenmässigen Fluss der Musik noch mehr stören und aufbrechen.

Im West Coast Jazz ist diese rhythmische Komponente viel weniger stark vertreten – auch Shelly Mannes grossartiges und impulsives Spiel auf der erwähnten Rumsey-Session mit Rogers/Pepper ist kein Bebop. Er spielt flashy aber auch sehr frei, erinnert aber am Ende mehr an einen Big Band Trommler, der die Band, die Musik vor sich her treibt. Auch Rogers und (etwas weniger) Pepper phrasieren fliessender, oft in längeren Linien, weniger stark rhythmisiert, weniger akzentuiert, weniger mit Brüchen und Sprüngen arbeitend.

Auf der harmonischen Ebene wurden die Neuerungen des Bebop jedoch sehr wohl übernommen (das war z.B. auch bei Coleman Hawkins so, der zwar in der zweiten Hälfte der 40er Bebopper wie Howard McGhee, Fats Navarro, J.J. Johnson, Miles Davis oder Thelonious Monk in seine Bands holte, aber selbst nie Bebop spielte).

Was nun den Cool Jazz betrifft… da ist die Abgrenzung sehr viel schwieriger. Es gab auch an der Ostküste ähnliche Strömungen wie das, was ich oben geschildert habe (die Gleichung „West Coast Jazz = Cool Jazz“ greift jedenfalls zu kurz, auch wenn man den West Coast Jazz nur als Teilmenge des Cool Jazz betrachten würde, oder dann erst recht), aber es gab auch andere Strömungen, die näher am Bebop waren, sich aber eher über die „Stimmung“, die „Atmosphäre“, die Stimmführung und Arrangements vom herkömmlichen Bebop unterschieden. Miles Davis beginnt auch bei Parker recht früh, flüssige, lyrische Soli zu blasen, keineswegs nur im mittleren Register (was man immer noch oft hört über ihn… er spielte in den 40ern durchaus virtuos und auch gegen Ende der 60er wieder, dazwischen bewegte er sich – in seinen berühmtesten Jahren – schon oft im mittleren Register). So gesehen waren „coole“ Elemente schon sehr früh und in der wichtigsten Band des Bebop vertreten.

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