Re: Lena Meyer-Landrut

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hal-croves
אור

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Ein Galore-Interview vom letzten Jahr:

Lena Meyer-Landrut
„Ich mache alles nur, weil es mir Spaß macht. Wie bei der Freiwilligen Feuerwehr.“

Autor:
Sascha Krüger

29.4.2015, Hamburg. Lena Meyer-Landrut kuschelt sich betont gemütlich in einen Stuhl eines Konferenzraums im Hyatt Hotel und blättert neugierig durch ältere Galore-Ausgaben. Als wir ihr die Oberthemen für das geplante Gespräch nennen – Öffentlichkeit, Äußerlichkeit, Begeisterung und Selbstfindung – nickt sie nur und sagt: „Klingt gut, legen wir los.“ Die kommenden 60 Minuten streifen ihre Vergangenheit als Deutschlands Vorzeige-Singvogel ebenso wie die aktuellen Gedanken, die die 24-Jährige begleiteten, während sie ihr viertes – und bislang persönlichstes – Album „Crystal Sky“ aufnahm.

Frau Meyer-Landrut, erinnern Sie sich an den letzten Moment, an dem Sie dachten: „Ich bin es echt komplett leid, süß zu sein“?

Lena Meyer-Landrut: An einen speziellen Moment erinnere ich mich nicht, aber es gab zweifellos dieses Gefühl. Gerade anlässlich meines neuen Albums und dem dazugehörigen Artwork, wo ich etwas transportieren wollte, das mehr ins Moderne und in die Fashion-Richtung geht – da denkt man dann schon, wenn man Fotos von vor fünf Jahren sieht: Uah, geh weg. Aber das war eben damals so.

Manchmal hat man den Eindruck, dass jeder eine klare, vorgefertigte Meinung zu Ihnen hat. Treffen Sie noch auf Menschen, die Ihnen unvoreingenommen begegnen?

Nee, in Deutschland nicht.

Macht Sie das unfrei? Oder müssen Sie Ihre Freiheit deswegen anders definieren?

Ach, mit mir selber bin ich total frei. Und im Grunde genommen bin ich anderen Menschen gegenüber auch immer erst mal frei, weil ich behaupten würde, dass 99 Prozent dieser Menschen eine Meinung zu mir haben, obwohl sie mich noch nie getroffen haben. Ich gehe also immer davon aus, dass ich noch mal eine neue Chance bekomme, wenn man mich trifft. Dass man feststellt, dass da noch etwas Neues und Anderes ist als das, was in der vorgefertigten Meinung steckt, passiert auch immer wieder: Ich habe wirklich jede Form von Reaktion bekommen von Leuten, die ihre Meinung zu mir hatten und mich dann getroffen haben.

Wie häufig machen Sie sich Ihre Wirkung bewusst und setzen diese gezielt ein?

Das kommt auf den Bereich an. Für mich ist Social Media zum Beispiel ein wichtiges Thema. Da sieht man immer sofort, welche Art von Bildern wie oft geliked werden, und daran erkennt man wiederum, was draußen offenbar „gebraucht“ oder gern konsumiert wird. Da poste ich dann schon Sachen oder mache Bilder, bei denen ich persönlich denken würde: Muss vielleicht nicht sein, funktioniert aber. So etwas mache ich dann schon, weil ich weiß, dass es mehr Resonanz darauf gibt. Aber davon ab, versuche ich immer unvoreingenommen so zu sein, wie ich mich gerade fühle. Ich möchte mich nicht fertig machen mit dem Gedanken „Wie kommt man am besten an?“.

Zumal das ein Gedanke sein dürfte, der Sie wie wenig andere deutsche Künstler über die letzten fünf Jahre verfolgt hat.

Absolut.

Haben Sie daraus Schlüsse gezogen?

Was ich auf jeden Fall gelernt und verändert habe: Wenn ich schlechte Laune habe oder es mir gesundheitlich nicht so gut geht, nehme ich mir immer meine paar Minuten Zeit, um zu mir zu finden, bis ich wieder „normal“ bin. Da bin ich mittlerweile konsequent, weil ich es nicht für nötig halte, in der Öffentlichkeit auszurasten. Auch wenn ich finde, dass das eigentlich nichts Schlimmes ist, denn das Schlechtdraufsein gehört ebenfalls zum Menschen dazu.

Wie deckungsgleich ist das öffentliche Image von Lena mit der wahren Persönlichkeit?

Fifty-fifty, würde ich sagen. Ich bin ja schon echt, was man da so sieht, und insofern ist auch das Image, das ich transportiere, echt. Was dann jedoch manchmal daraus gemacht wird, ist nicht mehr echt und hat wenig mit mir zu tun.

Macht es Spaß, das Image mit Elementen zu füttern, die wenig mit der Persönlichkeit zu tun haben?

Schon, aber so viel füttere ich da gar nicht. Ich fände es komisch, dauernd Sachen rauszuhauen, die gar nicht mir entsprechen. Ich finde es angenehmer, das Image mit Dingen zu füttern, mit denen ich mich wohl fühle. Ich hätte auch gar nicht die Kraft dafür, mich dauernd neu zu inszenieren, ständig jemanden neu zu erschaffen, der ich dann in der Öffentlichkeit sein könnte. Da bin ich ganz froh, dass ich einfach ich sein kann und es fürs Image trotzdem ausreicht. (schmunzelt)

Engt ein Image künstlerisch ein?

Nein. Es gibt auch in meiner Situation wahnsinnig viele Richtungen, in die man gehen könnte. Ich könnte ebenso gut ein Manga-Popstar sein oder mich modern und mit dem Fashion-Aspekt zu präsentieren, wie ich es momentan versuche. Um zu zeigen, dass ich ein bisschen erwachsener geworden bin.

Das transportiert auch Ihr neues Album: Es klingt sehr ausgestaltet, durchdacht und – gerade für den Mainstram-Pop-Bereich – recht eigenwillig im Klang. Was andererseits dazu führt, dass man sich beim Hören fragt: „Und wo ist der Hit?“ Nimmt man das in Kauf im Sinne der Image-Transformation?

Wenn man sich das Album häufiger anhört, dann erkennt man schon die Brücke zwischen „Stardust“ und der neuen Platte. Und man erkennt auch das Kommerzielle und Mainstreamige daran. Sicher hätte ich es mir mit einem plakativeren Pop-Konzept einfacher machen können. Ich glaube aber auch, dass man nicht glücklich wird, wenn man nicht das machen kann, worauf man Lust hat, und ich denke, ich habe es geschafft, so ein Zwischending zu erreichen. Es ist auch gar nicht schlecht, sich in kleinen Schritten weiterzuentwickeln, anstatt von einem Stil in einen ganz anderen zu springen. Da könnte dann wirklich keiner mehr etwas damit anfangen.

Wie ist Ihnen das überhaupt geglückt, die Entwicklung von der „natürlichen“, etwas eigenwilligen Lena hin zur Mode-affinen jungen Frau mit einem speziellen Elektronik-Sound so zu gestalten, dass man Ihnen diese Transformation abnimmt?

Ich schätze, indem ich es nicht übertrieben habe. Ich bin ja keine Victoria Beckham oder Lady Gaga. Diese Frauen haben ihr komplettes vorheriges Image fallen lassen und ein neues kreiert. Das mache ich ja nicht. Ich kombiniere eher verschiedene Dinge miteinander, die die alte, aber auch die neue Lena repräsentieren. Ich behaupte ja auch nicht: Mir geht es jetzt nur noch um Mode und Beauty, sondern ich lasse diese Bereiche, die mich mittlerweile interessieren, in mein Image mit reinspielen. Ich fühle mich dabei immer noch als Sängerin von Beruf, die jetzt eben auch ein bisschen in der Mode mitmischt und darin vielleicht auch nicht ganz schlecht ist. Früher war das echt so: „Was ziehe ich an? Ach komm, das schwarze Kleid, keinen Bock, lass mich in Ruhe“. Seit ein paar Jahren habe ich jetzt aber echt Spaß daran und interessiere mich dafür, also lag es nahe, das zu integrieren.

Interessant war damals, dass diese allgemein attestierte Natürlichkeit der Lena rund um den ESC nach einer Weile in Begriffe wie „arrogant“, „selbstgefällig“ und „affektiert“ kippte. Eine Wahrnehmung, die sich nicht zuletzt durch die arte-Sendung „Durch die Nacht mit…“ ergab.

Das war zum Beispiel einer dieser schlechten Tage, die ich vorhin erwähnte. Wo ich einfach noch nicht gewusst habe, dass man da jetzt besser mal schlucken und sich zusammenreißen muss. Jeder hat schlechte Tage; dass das aber, wenn man in der Öffentlichkeit steht, ein krasser Bumerang werden kann, wenn man sich das nicht bewusst macht, habe ich erst an solchen Erfahrungen gelernt. So eine Sendung und meine Stimmung an dem Tag werden bei jemandem wie mir dann eben auf die Goldwaage gelegt, und dann macht das die Runde und alle regen sich drüber auf. Als Lena wird man dann gleich als „arrogant“ abgestempelt, und das geht so schnell auch nicht mehr weg. Ich würde behaupten, dass es in den ganzen Jahren vielleicht zwei Tage gab, an denen ich mich in der Öffentlichkeit so präsentiert habe, und schon gilt man als scheiße. Ist halt so. Bin ich aber nicht, und ich für mich weiß das auch.

Ihre Sanges-Kollegin Ivy Quainoo meinte im Galore-Interview, dass die deutschen Medien extrem gut darin seien, die hiesigen Künstler zu zerstören. Ist das auch Ihr Eindruck?

Voll! Ich weiß nicht, ob das ein rein deutsches Phänomen ist, aber ich glaube schon, dass es in Deutschland eine größere Bereitschaft gibt, jemanden geballt abzubashen, diese geballte Ladung: „Jetzt ist sie scheiße.“ In anderen Ländern, so mein Eindruck, verteilt sich das etwas besser. Hier ist das eher: Einer aufs Maul, alle aufs Maul. Das ist schon irre. Aber wenn man das weiß, kann man auch lernen, damit umzugehen. Man legt das dann eben neben sich ab und wartet, bis der nächste gefunden wird und man aus der Schusslinie ist. Am Anfang habe ich darunter gelitten und mich nach dem warum gefragt. Aber wenn man merkt, dass das gar nichts mit einem selber zu tun hat, lässt sich auch das ganz gut aushalten.

Ivy Quainoo sagte auch, dass sie es als ausgesprochen schwierig empfunden hat, dass der Erfolg bereits da war, bevor sie ihre eigene künstlerische Stimme gefunden hatte…

Mir ging es definitiv auch so, aber ich fand das überhaupt nicht schlecht. Ich war eher froh, diese Chance zu bekommen, gerade weil ich noch gar keine künstlerische Stimme hatte. Und dann habe ich mich eben dahin entwickelt, dass ich mit dem letzten und dem neuen Album nun ein paar Sachen für mich ausprobieren konnte. Beim letzten waren das so erdigere, stabilere Folk-Sachen, und jetzt hatte ich eben Lust, elektronischer zu werden. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich das machen kann, aber das resultiert eben auch aus den letzten drei Jahren Erfahrung, die ich genießen durfte. Wie eine Lehre, die ich durchlaufen konnte.

Es gibt also auch nichts an dieser ersten Lena-Hysterie rund um den ESC-Gewinn, von dem Sie in der Rückschau sagen würden: Das hätte es nicht gebraucht?

Nee. Ich bin ganz allgemein nicht der Typ, der groß in die Vergangenheit blickt und sich sagt: „Ach, das war aber nicht so gut, das hätte man besser anders gemacht.“ Ich bin eher der Typ: „Was passiert ist, ist passiert, und für irgendwas war es schon gut.“ Und dann kann man das auch liegen lassen. Ich habe keinen großen Bock, Kraft darauf zu verwenden, über Vergangenes nachzudenken.

Es steckt also kein Nostalgiker in Ihnen?

Null.

Und das Gegenteil: der Nachvorneblicker?

Bin ich auch nicht. Ich habe zum Beispiel absolut keine Ahnung, was ich nächstes Jahr im Sommer mache. Und das fühlt sich super an.

Wichtig ist also vor allem, dass Sie im aktuellen Moment von etwas begeistert sind?

Genau. Auf jeden Fall.

Immer schon so gewesen?

Immer schon so gewesen. Und ich glaube auch nicht, dass das jemals weggeht.

Woran merken Sie das?

An ganz banalen Beispielen. Ich bin etwa jedes Jahr aufs Neue total hingerissen, wenn die Spargelzeit anbricht. Da denke ich nur: Jaaaaa – geil! Sicher, es gibt Bereiche, wo man mit der Zeit und den Jahren ein wenig an Begeisterung verliert, gerade bei der Anzahl an Dingen, die passieren. Ein roter Teppich zum Beispiel entlockt mir heute kein „Wow“ mehr. Aber ich freue mich über die Dinge immer wieder extrem und bin da sehr begeisterungsfähig.

Kann man der eigenen Begeisterungsfähigkeit immer trauen, oder führt sie einen auch mal aufs Glatteis?

Manchmal passiert mir das. Ich begeistere mich oft phasenweise für etwas, dass dann irgendwann wieder komplett abebbt und Platz für die nächste Begeisterungsphase macht.

Was war die letzte Begeisterungsphase, die dann wieder verschwand?

Ach, da gibt es einige. Ein Zeit lang war es tauchen, dann… (überlegt) Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern. Gerade male ich gern Mandalas, gehe boxen, mache Yoga und beschäftige mich mit Essen.

Und was davon dürfte in einem Jahr noch relevant sein?

Das Essen! (lacht) Ach ja, und meine grundsätzliche Begeisterung für Hunde und ihre Erziehung. Wobei ich vermute, dass hier die Begeisterung auch verschwinden wird, weil der Zustand normaler wird. Als ich meinen Hund bekommen habe, war ich allerdings extremst begeistert und habe mich rund um die Uhr nur mit ihm beschäftigt.

Kann man beim Songwriting auch zum Opfer der eigenen Begeisterung werden?

Oh, total. Das ist aber wohl ein natürlicher Prozess: Man schreibt etwas und denkt im gleichen Moment: „Alter, ich bin die Geilste!“ Und am nächsten Tag hört man sich das an und denkt nur: „Was ist das denn? Was soll das sein? Ist das dein Ernst?“ Ist leider so, aber das gehört wohl zum Weg des Songschreibers.

Passiert das oft?

Andauernd! Ich habe für die neue Platte sicher insgesamt 50 Lieder geschrieben, die in die Tonne getreten wurden. Diese Kreativ-Geschichte ist eh eine einzige emotionale Achterbahn. Manchmal ist es ja auch umgekehrt: dass man selber einen Song richtig schlimm findet, aber die Plattenfirma sagt: „Das ist mega, das muss unbedingt passieren!“ Da springe ich dann auch mal über meinen Schatten und sage: „Na gut, dann nehmt halt diesen Song, wenn ihr unbedingt wollt.“ Und irgendwann denke ich dann selber: Ach, so scheiße war er ja gar nicht.

Sie sind jetzt seit fünf Jahren in diesem Pop-Zirkus. Lief irgendwas in dieser Zeit nach einem großen Plan?

Die Alben für sich genommen sind eher einzelne Schritte, aber gerade jetzt habe ich schon das Gefühl, dass ich mit diesem Album einen sehr genauen Plan habe, wie das alles laufen soll. Manchmal kommen dann trotzdem noch überraschend Dinge hinzu oder fallen weg. Aber im Großen und Ganzen habe ich inzwischen schon den einen Plan, wie ich etwas machen und welchen Weg ich gehen möchte. Dazu gibt es dann noch einen zweiten Plan, der parallel dazu passiert, der aber nicht so wichtig ist. Wie etwa die kleinen Wünsche nebenbei, die man versucht zu erreichen, die aber nichts mit dem Hauptplan zu tun haben.

Zum Beispiel?

So etwas wie meine Arbeit für L’Oréal oder „The Voice Kids“. Auch da ist man dann bemüht, das Beste rauszuholen, es hat aber an sich nichts mit der Künstlerin Lena zu tun.

Hatten Sie, als Sie sich damals bei „Unser Star für Oslo“ bewarben, einen Plan B?

Nein. Gar keinen.

Die Wahl Ihrer Studiengänge eines Studiums, das Sie dann ja nicht angetreten haben, vermittelt genau das: Afrikanische Sprachen und Philosophie. Klingt nach: „Keine Ahnung, was ich machen will, könnte aber interessant sein.“

Und genau so war’s auch. (lacht)

Sie hätten das also ernsthaft studiert, wenn Sie nicht zufällig Deutschlands Singvogel Nummer eins geworden wären?

Ja sicher. Vielleicht hätte ich es auch nur ein Jahr gemacht, aber der Wunsch, mehr darüber zu erfahren, war schon da. Es war etwas, das mich interessiert hat – nicht, um darum dann einen Job oder mein Leben zu stricken, sondern aus rein persönlichem Interesse.

Was interessiert Sie an afrikanischen Sprachen?

Kann ich Ihnen so nicht sagen. Ich weiß ja nichts darüber, darum habe ich auch den Studiengang ausgesucht. Ich fand, das hat sich gut gelesen. Das reichte mir zur Entscheidungsfindung.

Klingt enorm impulsiv. Sind Sie das?

Absolut. Mit manchen Dingen natürlich nicht, da bin ich dann im Gegenteil sehr konservativ, zum Beispiel im Bereich Beziehungen. In anderen Bereichen kann ich superimpulsiv sein. Aber im Privatleben bin ich eher ein beständiger Typ. Ich mag auch beständige Sachen, selbst die ganz banalen, wie einkaufen gehen, kochen, mit dem Hund rausgehen, die Wäsche machen – all diese Sachen, die stinknormal sind, einem aber eine gewisse Routine verschaffen.

Wie vertragen sich Impulsivität und die Verbindlichkeit persönlicher Beziehungen?

Manchmal nicht so gut. Meine Oma sagt immer, das ist der Zwilling in mir, eine sehr willkommene Entschuldigung. (lacht) Es ist meistens schon okay, weil ich mich inzwischen auch gut unter Kontrolle habe, aber gleichzeitig bin ich froh zu wissen, dass ich Freunde habe, die tolerant sind.

Behaupten Sie sich gern selber?

Klar.

Das macht Ihnen auch in der Öffentlichkeit Freude?

Ja, das macht mir Spaß. Außer, dass ich mich darin hemme, in der Öffentlichkeit möglichst nicht extrem schlecht gelaunt zu sein, mache ich nichts mit Methode. Ich denke da über wenig nach, ob etwas geht oder nicht. Was mache ich denn? Ich sitze hier und rede. Das kann ich gut und macht mir Spaß. Zuhause würde ich nichts anderes machen, da würde ich vier Stunden mit meinen Freunden telefonieren und auch den ganzen Tag rumlabern. Ich stehe auch gern auf der Bühne, ziehe mich gern hübsch an und finde zum Beispiel auch diese L’Oréal-Sache geil. So what?

War Ihnen das L’Oréal-Angebot auch deshalb willkommen, weil es neben der Verdienstmöglichkeit auch Ihren Image-Transfer untermauerte?

Klar, das ist Image-mäßig für mich der Jackpot gewesen, weil L’Oréal einfach auch eine super Marke ist. Entsprechend kam das Angebot extrem willkommen. Und natürlich habe ich das komplett ehrenamtlich gemacht.

Glauben wir Ihnen nicht.

Ich mache alles nur, weil es mir Spaß macht. Wie bei der Freiwilligen Feuerwehr. (lächelt)

Einen richtigen kommerziellen Misserfolg sucht man bei Ihnen bislang vergeblich. Wären Sie vorbereitet, wenn einer käme?

Wer ist schon darauf vorbereitet? Wenn man sich in etwas richtig reinkniet, acht Monate an einem Projekt arbeitet und alle Emotionen darein investiert, und es erweist sich am Ende als Flop – wie kann man schon darauf vorbereitet sein, dass das dann niemandem gefällt? Ich glaube schon, dass ich daran jetzt nicht komplett kaputt gehen würde. Aber geil wäre es nicht. (lächelt)

Hatten Sie überhaupt schon Niederlagen?

Klar hat man im Privaten immer wieder Rückschläge. Oder es passieren negative Sachen, die gar nicht mit mir als Person zu tun haben, mich aber trotzdem betreffen.

Gute Momente, um die Selbstbehauptung zu schulen?

Gandhi hat gesagt: „Man muss auch richtig traurig sein, um richtig glücklich sein zu können.“ Daran glaube ich, denn es macht wirklich Sinn. Wer die Emotionen nicht zulässt, die totale Traurigkeit ausdrücken, wird sich sein wahres Glück auch immer vorenthalten.

Ist Öffentlichkeit die beste Schule für die eigene Menschenkenntnis?

Die beste Schule für meine Menschenkenntnis ist meine Mutter. Aber an zweiter Stelle kommt dann sofort mein Beruf, klar.

Was ist in der Öffentlichkeit wichtiger: eine gute Menschenkenntnis oder eine gute Selbstbehauptung?

Die Selbstbehauptung. Gerade, das durchzusetzen, was man möchte. Nicht, weil mir immer alles aufgeschrieben wurde oder ich nie das machen durfte, was ich wollte. Sondern deshalb, weil ich nie sagen musste, was ich möchte. Im Kindergarten, in der Schule, auch zu Hause – nie musste ich sagen: Nein, das möchte ich nicht. Ich war eben niemand, der irgendwie gemobbt wurde oder so. Ich bin immer ein eher neutraler Typ gewesen, weder Anführer noch Loser, sondern mit allen irgendwie cool. Deshalb musste ich nie irgendwas durchboxen. Das habe ich inzwischen gelernt.

Was macht Ihnen weniger Spaß: Plumpe Gossip-Interviews oder solche mit dem Feuilleton, wo man ständig ganz schlaue Antworten von Ihnen erwartet?

Kommt einzig darauf an, wer mir gegenüber sitzt. Die Fragen sind fast egal. Wir zum Beispiel sitzen jetzt hier, und es fließt einfach und ist sehr nett. Aber es gibt auch Leute, bei denen man heimlich alle paar Minuten auf die Uhr guckt.

Gibt es Themen, bei denen Sie es ärgert, dass man Sie selten darauf anspricht?

Nein. Es gibt genügend Themen, zu denen ich meinen Senf nicht abgeben muss. Aber das findet man im Gespräch dann auch heraus. Ich muss mich zum Beispiel echt nicht zu den ganzen Gossip-Geschichten äußern, die gerade so im Umlauf sind. Auch wenn ich die alle lese.

Sie sind Gossip-Victim?

Total.

Schämen Sie sich dafür?

Absolutes nein. Ich finde das völlig legitim.

Andere versteckte Leidenschaften? Teure Mode zum Beispiel?

Mag ich. Ich schau mir auch immer die Haute Couture-Kollektionen an und finde das schön. Aber kaufen würde ich mir das nie. Dafür bin ich zu geizig.

Gibt es andere Bereiche, wo die Lust darauf über dem Geiz steht?

Auch hier: Essen. Nicht im Sinne von extrem viel oder Hauptsache teuer, aber unbedingt: immer sehr gute Qualität. Da hört der Geiz komplett auf.

Dabei dürften Sie sich doch nahezu ständig in Situationen und Umfeldern befinden, wo das Ihnen angebotene Essen ohnehin qualitativ hochwertig ist.

Täuschen Sie sich nicht. Bei den Sandwiches, die man zum Beispiel auf Promo-Tour angeboten bekommt, möchte man lieber nicht nachfragen, wo die herkommen und wie die entstanden sind. Glamourös ist das nicht. Aber ich gebe auch zu: Wenn man in etwas einen kleinen Spleen entwickelt, dann ist einem irgendwann nichts mehr gut genug. Das gilt für mich beim Essen.

Davon ab scheinen Sie aber bemerkenswert zwangfrei. Oder gibt es andere Zwänge?

Handyzwang. Ganz krass.

Das ist das große Problem Ihrer Generation, oder?

Scheint so. Ich habe eine ausgeprägte Instagram- und Twitter-Sucht. Die ist, ich muss es zugeben, allumfassend. Aber ich kann es mir damit schönreden, dass ich eben viel unterwegs bin und ich so mit meinen Leuten in Kontakt bleiben oder für die Fans etwas bereitstellen kann.

Resultiert dieser Geiz aus dem Wunsch der Besitzstandswahrung?

Nee, ich bin einfach so erzogen worden. Ich war nie der Typ, der Geld zum Fenster rausschmeißt. Auf der anderen Seite kaufe ich mir manchmal Sachen, die vollkommen übertrieben sind, und sage mir: scheißegal. Aber wenn einem etwas extrem wichtig ist, sollte da dann auch der Geiz mal zurückstecken. Man muss da eine Balance finden. Es kann zum Beispiel sein, dass ich mein Glätteisen im Hotel liegen lasse, dann aber zu geizig bin, mir für 60 Euro ein neues zu kaufen. Und einen Laden weiter sehe ich dann eine Duftkerze, die so unfassbar toll riecht, dass ich die dafür geforderten 50 Euro ohne Probleme auf den Tisch lege. Weil ich weiß, dass ich mich zu Hause wochenlang über diese blöde Kerze freuen werde: Marokkanische Minze – wie geil.

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"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=