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MikkoIch verstehe zwar immer noch nicht, was „schlechter Idealismus“ sein soll, aber eine Kritik an Lenas Stimme hast du von mir noch nie gehört oder gelesen.
Auf Dich war mein Beispiel ja auch nicht gemünzt. Und es war nur ein Beispiel für das, was ich mit schlechtem Idealismus meine. Schade, dass ich es nicht deutlich genug für Dich habe zum Ausdruck bringen können; ehrlich gesagt, weiß ich jetzt in dieser Hinsicht auch nicht mehr weiter. Der Ausdruck stammt eigentlich aus der historisch-philosophisch-politischen Diskussion und meint in Abgrenzung zum (positiv besetzten) Materialismus eine Denkweise, die Gegenstände nicht danach beurteilt, wie sie tatsächlich sind, sondern wie sie idealerweise sein sollten – unabhängig davon, ob das ihrer Wirklichkeit überhaupt entspricht.
MikkoAber sie ist dennoch nicht davor gefeit, Fehler zu begehen und falsche Entscheidungen zu treffen. Ich beobachte ihre Entwicklung weiterhin mit wohlwollendem Interesse. Aber was ihr öffentliches Auftreten in jüngster Zeit betrifft, muss ich mich eher pinch anschließen. Sie ist sowohl was ihr Outfit betrifft, als auch in der Wahl und Interpretation von Covern schlecht beraten. Und sei es auch nur durch sich selbst.
In dieser Hinsicht kann man problemlos verschiedener Meinung sein. Was mich nur wundert, ist, dass gerade jetzt wieder in einigen Zeitungen Fehler und falsche Entscheidungen in Hinblick auf Lena nicht als etwas betrachtet werden, wovor eh niemand gefeit ist und lediglich die Zukunft irgendwann mal zeigen kann, in welcher Weise die künstlerische Laufbahn davon beeinflusst worden ist (und ob das überhaupt Fehler waren), sondern als etwas, was Lena unbedingt vermeiden müsse, um als Künstlerin überhaupt existieren zu können. Genau hier setzt meine Auffassung an, dass bezüglich Lena einen Teil der Öffentlichkeit eine Art kollektiver Autosuggestion erfasst hat, nämlich dass dem schnellen und steilen Aufstieg mit unbedingter Notwendigkeit der rapide Abstieg folgen müsse. Und ich bin weiters der Auffassung, dass diese Autosuggestion bereits unmittelbar nach ihrem Sieg beim ESC 2010 eingesetzt hat, aber nicht wegen der angekündigten Titelverteidigung, sondern wegen der Annahme, dass nach einem so gewaltigen Triumph nichts noch größeres folgen könne und ergo der Abstieg unvermeidlich sei. In einem ARD-Interview anlässlich der zweiten Single Touch a New Day brachte der Interviewer dies tatsächlich explizit zum Ausdruck. Und zur gleichen Zeit begannen ja auch schon die unsinnigen Zeitungskommentare zum angeblich „schleppenden“ Ticketverkauf zur Konzerttournee 2011 – wohlgemerkt, acht Monate vor deren Beginn! Hier kam überdeutlich eine bereits präformierte Erwartungshaltung zum Ausdruck, die sozusagen nur noch aufgeschrieben werden musste: die altbekannte Geschichte vom Aufstieg und Fall des/der XYZ, beliebig anwendbar auf alles und jeden, sozusagen der schnelle Euro für den prekarisierten Journalisten von heute. Das alles betrifft, wohlgemerkt, nicht Dich, Mikko, und ich nehme aufmerksam zur Kenntnis, dass dieser Zungenschlag bei Dir nicht vernehmbar ist. Aber für die veröffentlichte Meinung der letzten zweieinhalb Jahre über Lena war das eindeutig der rote Faden. Das ganze hat nur einen Haken: für die klassische Rise-and-Fall-Story eines Castingstars ist Lena jetzt schon viel zu lange gut im Geschäft. Und die guten Verkaufszahlen ihres aktuellen Albums, kombiniert mit dem gewonnenen Echo und der derzeitigen hohen Medienpräsenz, tragen weit – auf jeden Fall bis zu einem vierten Album, das dann mindestens wieder die gleiche mediale Aufmerksamkeit erhalten wird wie Stardust. Vor Herbst 2014 ist dieses Album freilich nicht zu erwarten; dann allerdings wird man es mit einer Lena zu tun haben, die, mit Preisen überhäuft wie kaum eine andere, bereits viereinhalb Jahre im Geschäft ist. Ich erwarte mit Vergnügen die verbalen Verrenkungen eines gewissen Teils der deutschen Presse, mit denen dem Publikum versichert werden wird, dass dies aber ganz bestimmt Lenas allerletzte Chance vor dem – jetzt aber wirklich! – unvermeidlichen Absturz sei. Schaun mer mal…
zuletzt geändert von hal-croves--
"Edle, freie Unbefangenheit bei Allem. ... Alle übrigen Vollkommenheiten sind der Schmuck unsrer Natur; sie aber ist der der Vollkommenheiten selbst. ... Sie ist mehr als Leichtigkeit, sie geht bis zur Kühnheit: sie setzt Ungezwungenheit voraus und fügt Vollkommenheit hinzu. Ohne sie ist alle Schönheit todt, alle Grazie ungeschickt: sie ist überschwenglich, geht über Tapferkeit, über Klugheit, über Vorsicht, ja über Majestät." (Baltasar Gracián) =>mehr<=