Re: Jazz-Glossen

#7661715  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 69,529

Oje, was für ein Stumpfsinn … ich bin dann mal weg, halte mich für die nächste Zeit wohl an die Klassik-Ecke. Auf Miles-Bashing ohne jegliches musikalisches Verständnis bzw. auch nur die geringste Bereitschaft eines sich Einlassens, habe ich nun wirklich keine Lust. Man mag Miles‘ elektrische Musik nicht mögen – natürlich, dagegen ist nichts einzuwenden. Aber ist es nicht so, dass im Jazz viele der grossen Figuren keine wirklichen „Anknüpfer“ fanden? Oder zeig mir mal, wer Ellington oder Coltrane fortentwickelt hat, nicht bloss von ihren zahlreichen Errungenschaften ein wenig abgeknabbert und davon gezehrt hat … Miles‘ elektrische Musik ist und bleibt Anfang und Ende des sogenannten „Jazz-Rock“, es gab ein paar Off-Shoots, die kurze Zeit auch auf diesen Höhen sich bewegten (die frühen Lifetime, die frühen Mahavishnu, die frühen Weather Report, Herbie Hancock mit seinem Mwandishi Sextet und den ersten beiden Headhunters-Alben, in seinen seltenen lichten Momenten vielleicht noch Chick Corea … und die kamen alle aus Miles‘ Orbit), aber Anknüpfen, den „Fusion“, wie er dann hiess, weiterentwickeln, das gelang doch fast keinem (am ehesten vielleicht Weather Report, die wenigstens über fünf, sechs Jahre spannende Musik machten, nur Hancock war ähnlich lange gut drauf, mit Williams, Mahavishnu und anderen ging es viel schneller bergab, andere kamen gar nie richtig auf Touren (Larry Young, auch wenn da interessante Ansätze vorhanden waren und die Musik mit Vergnügen gehört werden kann). Das alles spricht aus meiner Sicht aber gerade nicht GEGEN Miles sondern FÜR ihn und seine elektrischen Jahre der Siebziger – er hat etwas Einmaliges geschaffen, etwas Nicht-reproduzierbares (und geht es nicht auch und gerade darum im Jazz?).

Das ist Post-Bebop, geht weit über Instrumentalstile und „Dialekte“, an die man Anknüpfen, die man Fortspinnen konnte (wie das z.B. Eric Dolphy mit Parker tat … und Legionen von Zeitgenossen mit Coltrane versuchten – aber nur bezogen auf das Saxophonspiel) – es geht hier wie, verdammt, was weiss ich – bei den Hot Fives, bei Beethovens späten Klaviersonaten oder Streichquartetten, bei Dylans 1966er Tour, bei Elvis‘ Sun-Aufnahmen, bei James Browns Funk-Aufnahmen der späten Sechziger … um nichts weniger als darum, der Musik als ganzer ein neues Kapitel hinzuzufügen.

Finis.

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #165: Johnny Dyani (1945–1986) - 9.9., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba