Re: Jazz-Glossen

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annamax

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Diese Debatte war mir bisher nicht bekannt. Ich bin aber auch kein Jazz-Experte.
Ich habe mich nur gefragt, wieso Joo Kraus mit dem Tales in Tones Trio und seinen letzten Veröffentlichungen ‚Songs from Neverland‘ und ‚Painting Pop‘ nicht mit diskutiert wird.

07. Januar 2012, 09:17 Uhr
Pop-Jazz-Debatte
„Highway to Hell“ als Klavier-Geklimper

Von Hans Hielscher

Darf man das? AC/DC-Hits zu verträumten Klavier-Balladen uminterpretieren? Das neue Album des Pianisten Jens Thomas erbost Jazz-Puristen und findet sich mitten in einer Debatte wieder, in der über den Zustand des Jazz in Deutschland diskutiert wird.

Wie steht es zur Jahreswende 2011/2012 um den Jazz in unserem Land? Die Unterzeichner einer „Initiative für einen starken Jazz in Deutschland“ – unter ihnen Julia Hülsmann, Nils Landgren, Angelika Niescier und Nils Wogram – finden ihn „lebendig, vielfarbig und spannend“. Anders sieht der Musikpublizist Karl Lippegaus die Lage. In der „Süddeutschen Zeitung“ beklagt er sinkende Plattenverkäufe, Desinteresse der Labels und – das regt ihn besonders auf – die Anbiederung des Jazz an den Pop-Mainstream.

Als Beispiel für diesen Trend nennt der Kritiker die neue CD des Pianisten Jens Thomas, „Speed of Grace“, die zwar erst Ende Januar auf den Markt kommt, aber Rezensenten schon vor Wochen zuging und zudem bereits auf Showcases öffentlich vorgestellt wurde. „Tiefer geht’s nimmer“, schreibt Lippegaus über das Album von Thomas mit dem Trompeter Verneri Pohjola. „Speed of Grace“ sei „eine total private, verunglückte Hommage an AC/DC, … wohl ein Versuch, sich etwas vom riesigen Kuchen der mehr als 200 Millionen verkauften Alben abzuschneiden“.

Sicher kann man Thomas‘ Pianospiel und seine Vokalkünste mögen oder nicht. Falsch aber ist, ihm kommerzielle Trittbrettfahrerei zu unterstellen. Denn der 1970 geborene Jazzer, Theater-Performer und von Schamanen beeindruckte Stimmkünstler schielt nicht auf den Markt, sondern tut, was ihn bewegt. Stücke von AC/DC hatte Thomas seit Kindheitsjahren in den Ohren. Sein älterer Bruder ließ damals Platten der australischen Popband voll aufgedreht laufen, während der Vater wütend über die Lärmbelästigung schimpfte. Dass Thomas nun „Highway to Hell“ als verträumte Ballade darbietet, ist originell. Lippegaus aber kanzelt die Umsetzung als „verkitschten Dachkammerjazz“ ab, der „das australische Schwermetall zur Unkenntlichkeit vermurkst“.

Der Branchenriese Saturn hat seine Jazzabteilungen dramatisch reduziert

In seiner Abrechnung mit dem Jazz in Deutschland erwähnt Lippegaus, dass auch Count Basie, Duke Ellington und Ella Fitzgerald „an Tiefpunkten ihrer Karriere“ populäre Songs in ihr Repertoire aufgenommen hätten. Nur an Tiefpunkten? Musiker von Charlie Parker bis Pat Metheny haben immer wieder über bekannte Stücke improvisiert. Denn Standards aus dem Great American Song Book, Beatle-Songs und Pop-Hits von heute reizen Jazzmusiker, eigene Versionen zu finden. Und dem Jazzpublikum macht es Spaß, die Stücke in ihrem neuen Gewand wiederzuerkennen.

Dieses Publikum ist nach Lippegaus‘ Beobachtung „in Deutschland älter als sonstwo auf der Welt“. Das ist schwer nachprüfbar. Aber Recht hat der Autor, wenn er berichtet, dass der Branchenriese Saturn seine Jazzabteilungen dramatisch reduziert hat. Dieser Rückgang illustriert die „Randexistenz“ des Musikgenres, ein Thema der eingangs erwähnten „Initiative für einen starken Jazz in Deutschland“. „Weder gesellschaftlich noch kulturpolitisch“ werde der Jazz „ausreichend anerkannt“, monieren die Musiker. Sie schreiben, dass Deutschland über 84 öffentlich geförderte Opern- und Konzerthäuser in 81 Städten verfüge und folgern: „Es sollte ebenso viele öffentlich geförderte Spielstätten des Jazz und der improvisierten Musik geben.“

Für Tourneen ins Ausland fordert der „JazzMusikerAufruf“ Zuschüsse, wie sie in den Niederlanden, in Frankreich und Skandinavien üblich sind.

Deutschlands Jazz will raus aus der „Randexistenz“. Happy New Year!

Gefunden und gelesen … hier:
http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,807378,00.html

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I'm pretty good with the past. It's the present I can't understand.