Re: Jazz-Glossen

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gypsy-tail-wind
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Entschuldige Alex, aber das ist wieder ein ganzer Haufen dieser pauschalen Aussagen, die ich einfach nicht mag.

alexischickeSchau,Gypsy schau doch mal was Coltrane aus „My Favourite Things „gemacht hat.Es war vorher eine reine Broadway nummer.

Das war doch nicht einfach verbessert?

„My Favorite Things“ stammt aus dem Rodgers/Hammerstein-Musical „The Sound of Music“ von 1959. Das war damals kein Standard sondern ein neues Stück Pop-Musik.
Mit „verbessern“ (was ich ja ironisch gemeint hatte) hat das nichts zu tun. Die Broadway-Musicals waren damals noch einigermassen lebendig, es gab immer noch einige der besten Songwriters der Ära und manche Jazzmusiker bedienten sich da auch bei neuen Songs (manchmal mit glücklicher Hand, manchmal – ich denke da an dieses eine seltsame Album von Clark Terry – mit weniger Glück).
Diese Musik war im Alltag noch zu hören, sie spielte – auch in den Filmen von Fred Astaire und anderen – seit Jahrzehnten eine Rolle in der US-Populärkultur.
Das ist etwas anderes als wenn Michael C. aus B. heute ein Quartett gründet, mit dem er und seine europäischen jungen Musiker nach Lehrbuch Standards spielen – denn für Michael C. sind sie nicht alltagsrelevant (gut, er mag ein Kauz sein, der jeden Abend drei Musicals hört und sonst nichts kennt in Sachen Musik) und das, worauf er sich bezieht ist schon lange tot.

Natürlich ist Coltranes „My Favorite Things“ toll – und Du weisst ganz genau, dass ich dieser Ansicht bin.

alexischickeDie Gesangsnummern von Sinatra wurden fast alle vorher eingenommen.Aber bei ihm wirken die Nummern,trotzdem wie neu aufgenommen.Daher hat er auch solch eine Ausnahmestellung wie Charlie Parker beim Jazz.

Da gilt in etwa dasselbe wie bei Coltrane: zeitliche und räumliche Distanz waren einfach viel, viel kleiner. Wenn Du sagst, die Stücke klängen „wie neu aufgenommen“ dann würd ich das anders formulieren: Sinatra eignet sie sich an, er interpretiert sie, oft auf eine Art, dass seine Versionen zu den definitiven werden. Das ist Meisterschaft, das ist klar!

alexischickeCharlie Parker hat auch „I got rhtythm“ aufgenommen,aber das klingt total anders als z.B von Glenn Miller.Ist sowas schlecht?Aber das ist in der Tat eine ausgelutschte Nummer.

Die Frage versteh ich nicht. Bebop war zu 95% oder mehr Prozent auf Standards basiert. Aber die Neuerungen des Bebop in harmonischer Hinsicht war, dass Akkorde verdichtet und verändert wurden, mit dem Resultat, dass die Musiker über dieselben Grundlagen ganz andere Dinge spielen konnten als die ältere Generation der Swing-Musiker.

alexischickeDenke schon,dass man Standards auch total neu aufnehmen kann mit einer ganz modernen Spielweise,die vorher niemand hatte.Ja ist sehr schwer,aber es geht!!

Natürlich geht das – ich hab ja Lee Konitz genannt, der macht das schon seit fast 70 Jahren. Die Krux liegt in dem, was Du „eine ganz moderne Spielweise, die vorher niemand hatte“ nennst. Das geht nur, wenn man sich der Musik persönlich annähert, mit eigenen Vorstellungen, und sich die Musik aneignet, sich in die grosse Tradition einzureihen versucht. Und das ist ja genau das, was ich oben schon sage, insofern ist Dein Einwand gar keiner, sondern eine Zustimmung, nehme ich mal an?
Es gibt übrigens auch jüngere Leute, die das versuchen, Mark Turner etwa, den ich ziemlich gerne mag.

alexischickeAuch Archie Shepp,Charles Mingus haben alte Nummern neu aufgenommen.Soll ich sie daher heute deswegen nicht mehr hören?

Darum geht’s überhaupt nicht… ich glaub ich hab alles schon gesagt.

alexischickeDarf man im heutigen Jazz keine Standards mehr spielen? Man muss also ganz neue Stücke schreiben mit Feuer.

Ebenfalls: siehe oben, in diversen Posts, auch in diesem…

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