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Zum Vergleich mit einem Rembrandt-Nachpinsler: Marsalis ist kein Nachpinsler, sondern einer, der traditionelle Künste (die andere entwickelt haben) beherrscht und bewahrt. Man kann das gut finden oder nicht. Aber was machen denn die allermeisten anderen? Wenn ein bisschen alte europäische Volks- oder Konzertmusik mit Jazz-Elementen vermischt wird und einer das Ganze noch ein wenig mit „Free“-Elementen „aufbricht“, dann wird das als besonders innovativ verkauft. Oder diese nordischen Klänge und diese langweiligen Computer-Loops! Das ist doch alles zum Vergessen. Und von dieser fast ein halbes Jahrhundert alten „Avantgarde“: Was ist denn da noch spannend? Diese ganze Progressiv/Konservativ-Diskussion hat sich meines Erachtens schon längst relativiert. Es gibt schrägere Sachen und eingängigere und was davon besser sein soll, lässt sich doch nicht generell sagen, oder?
Ich denke, wir haben dieses Moderne-Kunst-Denken von der Schule mitbekommen: Wenn Kunst schwer erträglich ist oder einem absurd vorkommt, dann muss das große Kunst sein. So wie Medizin besonders hilft, wenn sie grausig schmeckt. Jazz war früher einmal ein Weg, der von dieser verkopften, lustarmen, körperfeindlichen, starren Kunst-Welt wegführte. Armstrong tat so gut und war so kunstvoll zugleich – ein Wunder, dass so etwas möglich ist. Irgendwie scheint mir, ist durch die Hintertüre dieser quälende Kunst-Anspruch wieder hereingekommen. Zum Beispiel dieses Lied von der „Änderung der Hörgewohnheiten“ – furchtbar. Was haben sich da Leute mit falschen Erwartungen abgequält, frag ich mich. Ich mich jedenfalls. Marsalis hat Recht: Wenn man dieses Feeling nicht mitkriegt, bringen einem die Mars-Menschen nicht raus aus diesem Jammer-Tal. Ich sehe da eine Botschaft darin: Wenn es nicht swingt oder groovt, wenn es nicht gut klingt, sich nicht gut anfühlt, sinnlich, körperlich … dann nützt es auch nichts, wenn es innovativ ist. Ich hab keine Lust, Marsalis in jeder Hinsicht zu folgen, und höre ihn auch nicht, aber ich finde es gut, sich ein wenig hinterfragen zu lassen.
John Zorn (!) sagte: „Vieles von dem, was Wynton anpackt, ist großartig. Dieses Solo auf Citizen Tain – hast du das mal gehört? That’s fucking smokin’! Der kann sich den Arsch abspielen.“ – Das ist doch schon mal was! Wer kann so etwas schon?
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