Re: Chronological Coltrane

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gypsy-tail-wind
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Danke für die Auszüge aus Simpkins! Denke Simpkins und Porter zusammen zu lesen wäre wohl die beste Lösung! Porter hat mich jedenfalls mit seinen Liner Notes in zwei der drei Prestige/Concord-Boxen schon sehr überzeugt!

Jetzt läuft The Avant-Garde, das missglückte Album mit Don Cherry. Irgendwie kriegt Coltrane hier einfach keine Unterstützung von der Rhythmusgruppe, die groovt leicht vor sich hin (wie das bei Ornette passt) und Coltrane ist völlig auf sich gestellt. Er greift eher wieder zu sheets of sound, die allerdings streckenweise unpräzise und etwas hilflos klingen. Im Oreos-Buch von Filtgen/Ausserbauer stehen zwei interessante Punkte, beim ersten würde mich interessieren, woher diese Behauptung kommt, ob die irgendwo belegt ist:
1) das ganze Album sei eine Produktionsidee gewesen, also: Avantgarde-Bewegung taucht auf, Atlantic paart die betreffenden Musiker im Studio… Cherry und Coltrane werden dann als „Opfer“ dieser Taktik hingestellt – ob das jetzt mehr mit der schlechten Meinung der beiden Autoren über das Album zu hat oder ob das irgendwo anders belegt ist, würde mich sehr interessieren!
2) Coltrane versuche (das kann ich jetzt auch nicht hören, übrigens) über die offenen (meist auf einer Skala basierenden) Stücke Ornettes Akkorde zu legen, was meist ziemlich schief klinge und nicht wirklich gut gehe. Sie meinen, das funktioniere nur auf „The Invisible“ wirklich (und natürlich ist das Monk-Stück davon ausgenommen, wo Coltrane in der Tat selbstsicherer klingt).

Meine eigene Meinung des Albums ist auch zweigeteilt. Man könnte auch sagen – wie bei der Begegnung mit Cecil Taylor – Coltrane „röste“ einfach über die Musik hinweg, das scheint mir hier aber viel weniger zuzutreffen, denn er klingt eher ratlos-suchend, tastend. Und in der Tat kommt von Blackwell fast nichts, er begleitet äusserst dezent, lässt nur in seinen eigenen Soli wirklich lost und spielt. Das ist schade.
Cherry dagegen soliert ganz toll! Ihm ist das Umfeld natürlich vertrauter, aber Coltrane war ja (wegen seiner mangelnden Beschäftigung mit Rhythmus? s.o., 2. Zitat) irgendwie auf treibendere Drummer angewiesen, die aktiver ins musikalische Geschehen eingreifen.
Dennoch möchte ich sagen, dass ich „Focus on Sanity“ für ein sehr schönes Stück halte, grad da, wo nach dem Schlagzeug-Solo das zweite Thema vorgestellt wird. Sonst ist schon „Bemsha Swing“ das Stück, das am besten funktioniert.
Und noch was: hier spielt Coltrane zum ersten Mal Sopransax. Ich glaub die Geschichte geht so, dass Miles ihm auf der Europa-Tournee im März/April eins geschenkt habe? Im Booklet der 1994er RTE/TREMA/Pour ceux qui aiment le jazz 4CD-Ausgabe der Konzerte aus Paris (März mit Coltrane, Oktober mit Stitt) ist jedenfalls ein Foto drin von Coltrane und einem unbekannten, auf dem Coltrane ein Sopransax in den Händen hält.

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