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Schon seit gestern Abend die Capitol-Aufnahmen, von April 1953 bis Mai 1955 entstanden, als Ellington anscheinend u.a. wegen der bessere Werbung, die das u.a. von Johnny Mercer gegründete und rasch gewachsene Label für seine Künstler bot (Columbia war kein auf Jazz spezialisiertes Label – das änderte sich später mit Brubeck und Miles ein wenig und als Ellington zurückkehrte, später Monk dazustiess, man sogar einen kurzen Versuch mit Mingus wagte, hatte man am Ende doch ein paar mehr als hübsche Dinge beisammen). Hodges fehlt noch immer, der junge Rick Henderson aus Washington sitzt vorübergehend auf seinem Stuhl. Tizol ist auf den Sessions zu „Premiered by Duke Ellington“ (Anfang April 1953) noch dabei, dann vorübergehend ersetzt durch einen George Jean, denn der permanente Ersatz John Sanders stand erst im zweiten Capitol-Jahr zur Verfügung. Klasse allerdings von Beginn an die Trompeten-Section, die sich jetzt aus vier Spitzenleuten und länger Bestand haben sollte: Clark Terry, Cat Anderson, Willie Cook und Ray Nance. Die weiteren Posaunisten und Saxophonisten sind längt bekannt: Quentin Jackson, Britt Woodman, Russell Procope, Jimmy Hamilton, Paul Gonsalves und Harry Carney. In dieser Besetzung – mit Hodges zurück, manchmal mit Shorty Baker anstelle von Cook oder als fünftem Trompeter – sollte die Band bis 1959 Bestand haben, erst im Herbst dieses Jahres gab es in der Trompeten-Section wieder Wechsel. Bis die Rhythmusgruppe wieder stabil wurde, vergingen jedoch noch ein paar Jahre – allerdings war Wendell Marshall lange Zeit dabei und sein Bass ist ein Fels in der Brandung.
Buddy Rich war schon etwas früher weg, auf „Premiered“ ist wieder Butch Ballard dabei, ebenso auf dem zweiten Album, eingespielt ebenfalls im April 1953, das Ellington im Trio präsentiert (weiterhin mit Wendell Marshall am Bass – dieser spielte wie man liest das Instrument, das sein Cousin Jimmie Blanton auf seinen Aufnahmen mit Ellington gespielt hatte). Das Trio-Album „The Duke Plays Ellington“ ist sicherlich eins der Highlights aus diesen Jahren – überhaupt das erste Mal, das Ellington so ausführlich als Pianist präsentiert wurde und das zu hören ist immer wieder toll! Auf CD gab es das Album in den 80ern als „Piano Reflections mit ein paar weiteren Trio-Stücken vom Dezember 1953 (eins mit Ralph Collier an Congas).
Auf der LP „Ellington Showcase“ wurde später Material von diversen Capitol-Sessions veröffentlicht, die nicht auf den anderen LPs unterkamen (so auch zwei der Trio-Stücke, die auf dem CD-Reissue des Trio-Albums zu finden sind). Ein Höhepunkt ist „Basin Street Blues“ von den nicht sonderlich erfolgreichen Sessions aus Chicago (30 Juni und 1. Juli 1953), in denen ansonsten Jimmy Grissom (Neffe des populären Lunceford-Sängers Dan Grissmon) schlechte Pop-Songs singt (Ziel war die Jukebox, doch das funktionierte nicht mit dem Material). Im „Basin Street Blues“ ist Ray Nance als Sänger zu hören (wie immer klasse, nahe bei Armstrong, aber mit Unmengen Charme, der Grissom gänzlich abgeht). Neben ihm spielen Terry, Jackson, Procoper und die Rhythmusgruppe (weiterhin Butch Ballard). Das andere gelungene Stück der Sessions fand sich auf „Showcase“, es heisst „Big Drag“ und präsentiert nebst dem piano player Hamilton, Gonsalves und Cook mit Soli, später Hamilton und Anderson über dem Ensemble.
Auf den bereits erwähnten drei Trio-Stücken vom Dezember 1953 ist dann Dave Black am Schlagzeug zu hören. Auch in der Session entstanden wieder zwei Songs mit Grissom, die nun besser zu seiner sophistication passen: „I’m Just a Lucky So and So“ (das in den 40ern natürlich Al Hibbler gehört hatte) und „It Shouldn’t Happen in a Dream“ (von Ellington und Hodges komponiert). Höhepunkt ist wohl die Trio-Nummer „Kinda Dukish“ – das Intro, das Ellington vor „Rockin‘ in Rhythm“ zu spielen pflegte, während die Band sich langsam auf der Bühne einfand – damals eine der meistgespielten Nummern und sowohl was Piano-Intro wie Band-Nummer (mit Carney an der Klarinette) betrifft, eine der aufregendsten!
Im Dezember 1953 und Januar 1954 folgten diverse weitere Sessions – von allen erschienen Stücke z.T. auf Singles, z.T. nur auf unatorisierten LPs oder überhaupt nicht. Eine Session enstand mit Ray Nance (Violine, Vocals in „Just A-Sittin‘ and A-Rockin'“) und Grissom (vocals in „Blue Moon“ und „Oh Well). Aus den diversen Big Band-Sessions (mit Dave Black am Schlagzeug) wurden die LPs „Ellington ’55“ und „Dance to the Duke“ zusammengestellt, auch hier hat die Mosaic-Box ein paar unveröffentlichte oder nicht weitherum bekannte Stücke zu bieten, die teilweise sehr hörenswert sind – auch neue Stücke wie „Serious Serenade“ (ein Feature für Harry Carney). Unter den Stücken finden sich auch diverse Cover: „Flying Home“ (Lionel Hampton/Illinois Jacquet), „Stompin‘ at the Savoy“ (Chick Webb), „In the Mood“ (Glenn Miller), „Honeysuckle Rose“ (Fats Waller – ein head arrangement von/mit Jimmy Hamilton) oder „One O’Clock Jump“ (Count Basie). Daneben Remakes alter Ellington-Klassiker („Black and Tan Fantasy“) und ein Stück von Rick Henderson, „Frivolous Banta“, in dem er und Wendell Marshall im Mittelpunkt stehen (Arbeitstitel war „Wendell and Rick“) – eine für Ellington-Verhältnisse recht ungewöhnliche Nummer mit einem leichtfüssigen Bounce.
Auf der zweiten Version von „Don’t Ever Say Goodbye“ und auf „Falling Like a Raindrop“ (auf „Ellington Showcase“ veröffentlicht) ist Billy Strayhorn am Piano zu hören. 1954 beugte sich auch der Duke der Mambo craze und spielte „Bunny Hop Mambo“ (arr. Billy Strayhorn) ein, ebenso wie „Isle of Capri“, das Gerald Wilson für die Band arrangiert hatte (er spielte auf diesem einen Stück auch in der Trompeten-Section mit). Ralph Collier spielt auf den Mambos Congas. In derselben Session vom April wurden auch „All Day Long“, „Band Call“ und eine gute Version des „C Jam Blues“ eingespielt. Dieser erschien auf „Dance to the Duke“, doch die meisten Stücke dieser und der folgenden Sessions erschienen als Singles oder erneut nur unautorisiert oder gar nicht, bis Mosaic die Box zusammenstellte.
In der nächsten Session vom Juni findet sich ein ausführliches Feature für Drummer Dave Black, „Gonna Tan Your Hide“, das ebenfalls auf „Showcase“ endete. Im Herbst war Ellington zurück in Kalifornien und immer der Jubebox-Markt noch immer ein Thema. Gerald Wilson arrangierte „Smile“ und „If I Give My Heart to You“ (und spielt erneut mit), ein seltsamer „Echo Tango“ (der davor „Tyrolean Tango“ hiess) erklingt, ebenso ein Remake von „Chile Bowl“ mit der ganzen Band. Inzwischen war John Sanders (vtb) zur Band gestossen und er ist anstelle seines Vorgängers Juan Tizol in dessen exotischem „Bakiff“ zu hören (Wilson ist hier erneut in der Section).
Zurück in Chicago im Oktober wurde noch ein Mambo-Hybrid aufgenommen, „Twelth Street Rag Mambo (von Euday Bowman 1914 komponiert), eine längere Version von „Caravan“ von der Session landete auf „Ellington ’55“ (wieder mit Sanders in Tizols Rolle). In dieser Session sprang Oscar Pettiford für Marshall ein.
Im Mai 1955 fanden vom 16. bis am 18. die drei letzten Capitol-Session statt, Jimmy Woode ist erstmals am Bass zu hören – als im Jahr darauf der phantastische Drummer Sam Woodyard dazustiess und Hodges zurückkehrte, war die klassische Ellington-Band der späten Fünfziger komplett (und reif für das „Comeback“ am Festival in Newport). Fünf der Stücke landeten wieder auf „Ellington Showcase“: Gerald Wilson zeichnete für das Stierkampf-Feature „La virgen de la macareña“ zuständig, spielte auc erneut mit, aber Cat Anderson gibt den todesmutigen Torero – den keine Stratosphären-Töne schrecken können. Zwei Mini-Konzerte von Jimmy Hamilton sind auch zu hören, „Clarinet Melodrama“, das ihn selbst präsentiert, und „Thme for Trambean“ für Britt Woodman – Hamiltons Virtuosität, sein feiner Ton, sein agiles Spiel, sind ja längst bekannt, doch Woodman erhielt leider viel zu selten die Möglichkeit, so zu glänzen wie hier! Auch das Remake von „Sultry Serenade“ (an Carney lag es nicht, vermutlich eher daran, dass man einen einheitlichen Studio-Klang auf der LP haben wollte und daher in Chicago noch eine Einspielung machte) und „Harlem Air Shaft“ (Remaker einer Nummer von 1940, hier als Feature für Clark Terry) erschienen auf der LP.
„Body and Soul“, Gonsalves-Feature, erschien damals nicht, auch „Coquette“ (ein Paradestück von Grissoms Onkel mit Lunceford), auf dem Ellington E-Piano spielt erst später. Die letzte Session blieb gänzlich im Kasten, keins der vier Stücke erschien auf Capitol, der „Discontented Blues“ war überhaupt erstmals bei Mosaic zu finden. Bei dieser Session waren nur Procope, Nance und Jackson dabi, dazu Woode, Black und Grissom – und natürlich der piano player, doch spielt dieser hier E-Piano! Zwei lange Blues-Nummern erklingen, dann „Lady Be Good“ (Procope am Alt, Grissom mit einem Scat-Solo), den Abschluss der Session und damit der Capitol-Zeit macht dann passenderweise ein Stück namens „So Long“ (wieder mit Grissom).
Auch in diese Zeit fallen ein Mitschnitt aus Hamilton, Ontario (8. Februar 1954), der 1999 bei Music & Arts af einer Doppel-CD erschienen ist (davor 1994 bei Radiex Music aus Rexdale, ON), sowie ein Konzert vom April 1955 aus Washington. Letzteres gibt es vollständig meines Wissens nur auf LP – hörenswert, aber nicht essentiell. Trivia: das Konzert aus Kanada endet mit „God Save the Queen“ – Kanada war formal noch immer eine britische Kolonie. Auf dem langen Mitschnitt gibt es auch ein boppiges Henderson-Feature in „All the Things You Are“ (auch Willie Cooks Solo in „How High the Moon/Ornithology“ verrät dessen Bebop-chops), Live-Versionen der Mambos, von „Theme for Trambean“, „Serious Serenade“ (Monate vor der Studio-Aufnahme für Capitol), „Skin Deep“ (einst Louie Bellsons Feature, jetzt gehört es Dave Black, der danach ja mit „Gonna Tan Your Hide“ sein eigenes, von Ellington/Strayhorn komponiertes Feature kriegen sollte). „Tenderly“ schliesslich gehört ganz Willie Cook. Es erklingen auch Hits, ältere und neuere: „The Mooche“, „Perdido“, „Things Ain’t What They Used to Be“, „Satin Doll“, „Caravan“, es gibt ein – noch immer mit acht Minuten recht knappes – Medley … und dieses war ja – gerade angesichts der Diskussion um Artie Shaw iinteressant – des schlauen Dukes raffinierte Lösung des Problems, dass die Leute stets auch „Mood Indigo“, „Sophisticated Lady“, „It Don’t Mean a Thing“, „Don’t Get Around Much Anymore“ etc. hören wollten. Eigentlich eine ziemlich postmoderne Idee. Auch Paul Gonsalves kommt zu seinen Momenten im Rampenlicht: „Warm Valley“ (ein Hodges-Feature) gehört ihm, ebenso spielt er ein Solo in „Take the ‚A‘-Train“ (in dem Ray Nance den Gesangspart übernimmt, Grissom war nicht mit dabei, es gibt als dankenswerterweise kaum Gesang). Cat Anderson ist ausgiebig in „Blue Jean Beguine“ zu hören, Jimmy Hamilton und Wendell Marshall zusammen in „Duet“ …
Die Band hatte auch ohne Hodges viel zu bieten, das ist klar. Dennoch bleiben wie Stanley Dance zum Ende seiner konzisen Kommentare zu den Capitol-Sessions festhält, ein paar offene Fragen: warum holte der Duke externe Arrangeure (neben Gerald Wilson auch Buck Clayton und Dick Vance)? Warum liess er Jimmy Hamilton oder Rick Henderson komponieren, während er und Strayhorn anscheinend nicht in der Lage waren, die übliche Menge an gutem Material zu liefern? Finanziell scheint die Zeit keine einfache gewesen zu sein, umso wichtiger wären gute neue Stücke von Ellington/Strayhorn gewesen (von denen es ein paar gibt, aber eben: weniger als sonst). Später im Jahr musste er einen Job annehmen, bei dem nur Mitglieder der New Yorker Musikergewerkschaft Local 802 auftreten durften, was bedeutete, dass Cook, Woodman, Henderson, Gonsalves und Black vorübergehend ersetzt werden mussten. Aufwärts ging es dann in der Tat 1956 wieder, mit der Rückkehr zu Columbia und dem Auftritt in Newport. Aber ich bleibe dabei, die Rede vom Comeback ist so falsch wie im Vorjahr hinsichtlich Miles Davis‘ Auftritt am selben Festival – man mag von einem „kommerziellen Comeback“ reden, aber musikalisch hatten es weder Miles noch Duke nötig, an ein Comeback zu denken, sie waren schliesslich beide nie weg gewesen und hatten in den Jahren zuvor hochkarätige Aufnahmen gemacht.
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