Re: Russische Literatur

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canzione

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Der Tod des Iwan Iljitsch

Anlaß zu der Erzählung lieferte ein Fall aus dem Leben: Ein Gerichtsbeamter, ein bekannter Tolstois aus Tula, starb an Krebs.
Indessen schrieb Tolstoi nicht vom Tode des Iwan Illjitsch, sondern vom Leben des Iwan Iljitsch. Die Handlung beginnt damit, dass Menschen vom Tode des Mannes erfahren, der ihr ständiger Partner im Kartenspiel war. Sie gehen in dessen Wohnung, erblicken einen gewöhnlich Entschlafenen, den Tolstoi wie folgt beschreibt: „Der Tote lag da, wie Tote immer daliegen, besonders schwer, auf Totenart mit den Gliedmaßen im Sargpolster eingesunken, den Kopf für immer ins Kissen gedrückt, ließ er seine wächserne gelbe Stirn mit den gelichteten, eingesunkenen Schläfen und eine hervorspringende, gleichsam auf die Oberlippe drückende Nase in die Luft ragen.“
Das Gesicht des Toten ist ansehnlich und schön, es enthält eine Art Vorwurf und Mahnung an die Lebenden, und das empfand ein anwesender Amtskollege des Entschlafenen als „ungehörig oder zumindest als ihn selbst nicht berührend.“
Was wir Spannung nennen, fehlt hier ganz und gar. Wir wissen von vornherein, dass Iwan Iljitsch tot ist. Er starb, bevor wir ihn kennengelernt hatten. Erzählt wird weniger vom Schrecken des Todes als vielmehr vom Schrecken des Lebens. Iwan Iljitsch starb, während er seine Wohnung einrichtete, herumlief, um Sachen einzukaufen, und sich freute, eine Wohnung zu bekommen, wie alle Welt sie besaß; er hatte eine Tochter, die er verheiraten wollte, und einen Sohn, einen Gymnasiasten mit Augenringen, um deren Herkunft der Vater wußte, und eine mollige Frau und Dienstboten. Aber das Leben war sinnlos, und die Sinnlosigkeit des Lebens erinnert sehr an die Sinnlosigkeit in der Dolgo-Chamownitscheski-Gasse Nr. 15.
Ständig sind wir dabei, uns einzurichten, ständig haben wir vor, zu leben, wenn wir aber anderes, Großes nicht erreichen, kommen wir mit dem Leben selbst nicht zu Rande, und der Tod wird nicht nur schmerzvoll, sondern die Krönung eines bis ins Superlativ sinnlosen Daseins werden.

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