Re: Dead & Gone

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beatlebum

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Alice Coltrane ist tot

Sie begann als Bebop-Pianistin, brillierte an der Seite ihres Ehemanns John Coltrane und spielte vor zwei Jahren ein letztes furioses Album ein: In Alice Coltranes Leben spiegelten sich die Innovationen des Jazz.

Lange Jahre war ihr Publikum äußerst begrenzt: Wer Kompositionen von Alice Coltrane hören wollte, musste nach Woodland Hills, Kalifornien, und dort ins Vedantic Center zum Studium der östlichen Religionen. Dort kursierten Audiokassetten von Turya Sagittinanda, wie sich die Musikerin nannte, akustische Hilfen für die Meditation.

2004 spielte sie, eine der letzten Ikonen das amerikanischen Free Jazz, dann noch einmal eine Platte ein: „Translinear Light“ heißt das Album, ein meisterlicher Schulterschluss der Generationen und mit den Coltrane-Söhnen Ravi (Tenorsaxophon) und Oran (Altsaxofon) hervorragend besetzt.

Das Vedantic Center gründete sie 1975, da blickte sie bereits auf eine fulminante Karriere im Jazz und die eigene Institutionalisierung zurück. Die begann, als sie 1963 den Tenorsaxofonisten John Coltrane kennen lernte. Aus Alice McLeod, einer exzellenten Bepop-Pianistin (das Klavierspiel lernte sie in ihrem Geburtsort Detroit in der Kirche), wurde Alice Coltrane, die Ehefrau und musikalische Begleiterin des Saxofon-Genies John Coltrane.

Gemeinsam mit dem Saxofonisten Pharoah Sanders, dem Drummer Rashied Ali und Jimmy Garrison am Bass kreierte die Pianistin den Sound der letzten, großen Schaffensphase von John Coltrane. Das Album „Ascension“, einer der Meilensteine des Free Jazz, wäre ohne sie ebenso wenig möglich gewesen wie „Kulu Se Mama“ und „Om“, die hymnischen Spätwerke Coltranes.

Als John Coltrane, nur zwei Jahre nach der Hochzeit 1967 starb, wurde Alice zur Nachlassverwalterin ihres Mannes. Sein Programm eines sich von Formkonventionen radikal befreienden Jazz führte sie in insgesamt elf Solo-Alben weiter aus. Für ihre ozeanisch-spirituellen Klangwelten nutzte sie neben dem Klavier zunehmend auch die Harfe, und als sie nach einer Indienreise zum Hinduismus konvertierte, kamen Sitar und Tamboura hinzu.

In ihrer Rolle als Coltrane-Erbin war die Musikerin umstritten: Die Frauenbewegung feierte sie als genuin weibliche Stilistin des Jazz, während die Anhänger John Coltranes sie als Kitschistin schmähten. Spätestens als sie die unveröffentlichten Aufnahmen des letzten Coltrane-Quintetts als Remixe herausbrachte, wurde sie zum Hassobjekt der Coltrane-Gemeinde.

„Translinear Light“ hingegen ließ sie in einem anderen, differenzierten Licht erscheinen: als große Innovatorin, die mit virtuoser Technik und improvisatorischem Wagemut den Free Jazz noch einmal als Meilenstein der populären Musikgeschichte in Erinnerung rief.

Alice Coltranes Spiel wird weiter Anregung und Provokation bleiben, auch wenn die Künstlerin gestorben ist, am vergangenen Dienstag, im Alter von 69 Jahren an einem Lungenversagen in Los Angeles.

dan

http://www.spiegel.de/kultur/musik/0,1518,459813,00.html

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Captain Beefheart to audience: Is everyone feeling all right? Audience: Yeahhhhh!!! awright...!!! Captain Beefheart: That's not a soulful question, that's a medical question. It's too hot in here.