Re: Avantgarde: Trompete

#7556369  | PERMALINK

redbeansandrice

Registriert seit: 14.08.2009

Beiträge: 13,933

wo clasjazz grad nach Woody Shaw fragt… kein Avantgardetrompeter – aber so avantgardistisch wie Enrico Rava dann wohl doch; das hier – mit dem Fokus Leaderalben – hab ich neulich einem Freund zusammengeschrieben, wollt ich eigentlich mal für hier in eine vernünftige Form bringen, aber was solls – soviel hätte es dann doch nicht geändert:

ich hab vor zwei jahren mal intensiv Shaw gekauft… kann nicht behaupten, dass es sich so richtig gelohnt hat, das meiste war zwar völlig ok, aber an seine besten Sidemanauftritte bei Blue Note reicht es nicht annähernd heran… kurzer Abriss:

Contemporary: die ersten beiden Alben, Song of Songs und Blackstone Legacy, wie alles aus dem Fantasykatalog sollte man auch mit diesen Alben nicht allzu lange warten, sozusagen Schwesteralben zu Joe Hendersons Live at the Lighthouse (auch mit epiano…), jeder hat scheinbar ein anderes ranking, bei mir Song of Songs ****1/2, Blackstone ****, Lighthouse gute ***1/2

Muse: anfang bis mitte der 70er, irgendwie seine zentralen Alben, teilweise reiner post-bop, teilweise auch weiter richtung fusion (?) bzw eher so post-coltrane hard bop mit epiano und percussion… weiß auch nicht, so alles in allem sind diese Alben nicht ganz so gut wie sie sein könnten, so ein bißchen aufgeblasen (?), kunsthandwerk… aber höhepunkte gibt es natürlich… mein liebstes ist The Iron Men, akustischer Hard Bop mit Tendenzen richtung Free, Anthony Braxton und Muhal Richard Abrams in der Band, zu finden (mittelschwer) auch auf der Doppelcd Two more pieces of the puzzle (auf der auch noch das Album Concert Ensemble At the Berliner Jazztage ist, das mir ein bißchen zu arrangiert ist, aber manche lieben es); als einziges dieser Alben leicht zu finden ist meine Nr 2 Little Red’s Fantasy ein relativ reines Hard Bop Album mit Frank Strozier am Saxophon; dann gibt es noch Moontrane und Love Dance, beides eben so epiano post coltrane; nicht so schön schlank wie Song of Songs. Love Dance ist auch auf der Doppelcd Last of the Line zusammen mit einem erst in den 70ern veröffentlichten Album (Cassandranite), das Shaw in den 60ern auf eigene Faust mit Joe Henderson aufgenommen hat, stilechter Blue Note Hard Bop, aber nicht so überzeugend wie ich gehofft hätte…

nach den Muse Alben gab es eine Serie von Studioalben für Columbia (Rosewood, For Sure, Woody III) (die sind auch im Shaw Mosaic); nur Rosewood ist davon leicht zu kriegen, wenn du mich fragst ist das hier nicht mehr nur ein bißchen aufgeblasen sondern schlicht überproduziert – hat aber schöne Momente;

ab dann (vielleicht auch schon zeitgleich) gab es Serien von Alben mit seinen beiden Working Bands, überwiegend auf kleinen Labels, vieles Live. Beides akustische Bands in so einem McCoy Tyner artigen Stil; das erste war ein Quintet mit dem Saxophonisten Carter Jefferson (gemessen an seiner Bekanntheit ist der ziemlich gut), das zweite ein Quintet mit dem Posaunisten Steve Turre. Die Band mit Jefferson kann man sehr gut auf Stepping Stones (Columbia) hören, sehr flott, schöne Trompete, fast schon zu viel, kein Meisterwerk aber man kann es sich prima anhören; die angeblichen Meisterwerke der Band mit Turre (erweitert um Bobby Hutcherson) sind die beiden Alben Night Music und Master of the Art, die kürzlich reissued wurden, noch nicht gehört, da ich kein großer Posaunenfreund bin, war ich immer etwas zurückhaltend… gibt einige Alben in dieser Besetzung; relativ leicht zu kriegen ist eine serie mit live aufnahmen auf High Note (die bei amazon einfach Live Vol 1 etc heißen), vier cds, die erste ist mit jefferson, 3 und 4 mit turre, 2 gemischt oder so ähnlich… sicher nicht schlecht…

ab irgendwann in den 80ern konnte Shaw dann scheinbar keine Band mehr zusammenhalten und spielte mit wechselnden Besetzungen, meist Quartetten, ein sehr schönes Album aus dieser Phase ist In my own sweet way, das noch relativ leicht zu finden ist…

kurz: Song of Songs, Little Red’s Fantasy, In my Own Sweet Way und wenn es geht Iron Men …

also ein zwiespältiges Thema – auch wenn Shaw einer meiner Lieblingstrompeter bleibt; dir, clasjazz, würd ich wohl vor allem Iron Men ans Herz legen, grooves-inc führt zur Zeit die Doppelcd „Two more pieces of the puzzle“, die das Album enthält, für 16 Euro, wird sicher nicht lange so bleiben (dann kannst du direkt noch für 4,59 In my own sweet way dazu nehmen und bist über den 20 Euro…)

vermutlich sind auch Night Music/Master of the Art gute Investitionen… die waren in meiner Shaw-Phase nicht zu kriegen… Night Music macht jedenfalls einen sehr starken ersten Eindruck, Shaws Soli sind für meine Begriffe nochmal eine Spur besser als sein Durchschnitt, anderswo mag er intensiver gewesen sein, hier ist er dafür enorm ideenreich und flexibel… und auch atmosphärisch tritt das Album einen Schritt aus der Tyner Ecke heraus (nicht weiter); auch Stepping Stones hab ich grad nochmal gehört, das ist schon irgendwie enorm rasant, offensichtlich ein Wahnsinnstrompeter (und ein Saxophonist der sich auf diesem Post-Coltrane-Hard-Bop Terrain vor niemandem verstecken muss) aber ich kann mir gegen den leicht schalen Beigeschmack nicht helfen – Visionen muss man wohl eher bei Miles Davis suchen… so wie die Preise momentan stehen bietet sich vielleicht auch echt ein Einstieg über In my Own Sweet Way an, ein traditionell vergleichsweise obskures Album, mit einer unbekannten europäischen Rhythmusgruppe, sehr lyrisch, hier ist Bill Evans ausnahmsweise mal genauso wichtig wie McCoy Tyner…

--

.