Re: Avantgarde: Trompete

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Dixon als Trompeter zu rühmen, gypsy, war gar nicht meine Absicht – das könnte ich ja auch gar nicht und das ist ja meine (Zusatz-)Frage: wie Ihr ihn beurteilen würdet im Verhältnis zu anderen? Da werde ich jetzt einmal nach den von Dir genannten Coursil, Smith und den anderen suchen – allerdings interessiert mich der elektrifizierte Miles zurzeit überhaupt nicht. Lass es mich so sagen: Man muss sich ja auch immer eine Menge vom Leib halten, um die Ohren offen zu halten für den jeweiligen Hör(zu)stand; später darf dann natürlich anderes anklopfen. (Ich weiß bspw. nicht, ob das Hill-Trio mit »Strange Serenade« vor einem Jahr ein solches Fressen für mich gewesen wäre, wie es das gerade ist.)

Mein eigentliches Interesse gilt eher Dixon als Komponist – das finde ich überhaupt eine kitzlige Frage, nämlich: Wann endet das Arrangement und wann beginnt die Komposition? – die Komposition, die sich gerne auch in der Improvisation zeigen darf. Und dann, in der Klassik ist das ja institutionell handgreiflich: Wie steht es im Jazz denn um die Unterscheidung von Komposition und Interpretation (das Arrangement ist ja nur ein Weg, diese Unterscheidung aufzuheben, oder, in anders gewürzten Worten, sie kreativ auszuhebeln). Da ist es natürlich gut, zunächst einmal viel Material – viele Aufnahmen und verschiedene Musik – präsent zu haben, um überhaupt mitreden zu können.

Auch interessant, warum ein bestimmtes Instrument eher ins Ohr zu gehen scheint (»das Saxophon DAS Instrument par excellence«) als andere. Ganz beliebt bei Instrumentalisten ist ja der Hinweis darauf, dass ihr Instrument der menschlichen Stimme so sehr ähnele. (Ich nehme an, das haben sogar ein paar Elektroniker gesagt.) Ich glaube, es war Aaron Copland, in dessen Einführung in die (klassische) Musik ich Zitate zu allen möglichen Instrumenten in diesem Sinne gefunden habe: am Ende war es dann die Orgel, die der menschlichen Stimme … Aber um den Ball, den ich mir gerade selbst ins Tor schieße, doch noch wegzufausten: Dixon hat irgendwo bemerkt, dass die Wahl der Instrumente für die Musik egal sei. Darüber kann man m. E. gar nicht ordentlich streiten, sondern es nur feststellen. Theoretisch bin ich Dixons Meinung, praktisch kann ich manchen Ton bestimmter Instrumente einfach nicht hören. Mir scheint wichtiger, den kompositorischen Impetus, der sich in dergleichen hingestreuten Meinungen äußert, wahrzunehmen. Es ist ein Unterschied, ob man »für ein Instrument« bzw. auf der Basis eines Instruments komponiert oder – ob man komponiert. Nehme ich an. Und auch da ließen sich etliche Facetten anmerken, bestimmt.

Und so frage ich mich, nail, ob Dein Eindruck, Dixon erinnere Dich nicht an Taylor oder Shepp, obwohl er mit ihnen gespielt habe, nicht auch daher rühren könne, dass Dixon weniger »Interpret« als Komponist ist? Bei dem Minimalismus als Stil dachte ich übrigens eher an Leute wie Riley, Glass und Nyman; den »atmosphärischen ECM-Jazz« (doch, Eicher hat schon eine Neigung zum Klischee, nämlich zu seinem eigenem, finde ich, allerdings ist das womöglich auch eine Voraussetzung dafür, hin und wieder echte Körner aufzupicken – das weiß ich nicht) kann ich mit Dixon allerdings gar nicht in Verbindung bringen (mag daran liegen, dass ich weder Ravo noch Stanko kenne oder sie mir noch nicht aufgefallen sind). Darüber, ob das minimalistische, fragmentierte, reduzierte Spiel den Zusammenhang verlieren lässt, muss ich noch mit Hörproben nachdenken. Gerade scheint mir, dass ein Zusammenhang genauso verloren gehen kann in der »wilden Ekstase« wie in der Zurückhaltung. Aber irgend etwas stimmt bei dieser Gegenüberstellung nicht (ich meine natürlich nicht, dass Du jene eben lieber hast), denn in beiden kann doch der Zusammenhang für den einen verloren gehen, und der andere findet es anders. Aber da Du also von wilder Ekstase sprichst: Ich hab es schon erwähnt, die Darfur-Platte ist Ekstase, wenn auch fragmentarisch, wenn auch eine Art umgekehrter Ekstase.

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