Re: Überregionale deutsche Zeitungen auf dem Prüfstand

#7553757  | PERMALINK

declan-macmanus

Registriert seit: 07.01.2003

Beiträge: 14,707

atomBILD gilt nicht als Tages- sondern als Boulevardzeitung.

Das ist so nicht richtig. BILD ist zweifellos eine Boulevardzeitung – aber sie ist ebenso zweifellos auch eine Tageszeitung. Was sie übrigens von den anderen überregionalen Tageszeitungen unterscheidet, ist abgesehen vom Boulevardcharakter, dass sie als einzige eine reine Straßenverkaufszeitung ist, also nicht abonniert werden kann.

Ich hatte jahrelang ein Abo der Süddeutschen. Dass ich es kürzlich gekündigt habe, hat nichts mit der Zeitung zu tun, sondern ist einzig und allein der Tatsache geschuldet, dass ich gerade nicht in einer Zeitungslesephase bin (it’s not you – it’s me!). Nach wie vor halte ich die SZ für die beste deutsche Tageszeitung. Sie hat den besten Politikteil (der mir auch deshalb gefällt, weil er nicht so tendentiös ist wie der von FAZ, Welt, FR und taz), ein sehr gutes Feuilleton, eine gute Panorama-Seite und nicht zuletzt mit Magazin und Wochenendbeilage zwei zusätzliche Highlights. Außerdem kenne ich keinen Schreiber, der so großartig wie Heribert Prantl Verfassungsgerichtsurteile erklären, einordnen und kommentieren kann. Über den Sportteil kann ich mir kein Urteil erlauben, weil ich ihn so gut wie nie lese – und über den Wirtschaftsteil erst recht nicht.

Die FAZ kenne ich nicht sehr gut. Die hier zum Konsens erklärte Begeisterung für das Feuilleton kann ich nicht ganz nachvollziehen – mir ist es oft zu verbrämt und verschwurbelt. Und den Politikteil, vor allem die Kommentare, kann ich nicht lesen, ohne wütend zu werden.

Die Welt habe ich ungefähr zwei Mal gelesen. Das Gefühl, Wichtiges verpasst zu haben, habe ich nicht.

Die taz habe ich hin und wieder als Zweitzeitung gelesen – als primäre Informationsquelle sollte man sie aber nicht ernst nehmen. Sie hat immer mal wieder lustige Titelseiten und schreibt auch über Themen, die anderswo zu kurz kommen, ist mir aber unterm Strich zu selbstgefällig und parteiisch. Außerdem finde ich es albern, wenn sich eine Zeitung für ihren Sportteil schämt, aber nicht kompromisslos genug ist, ihn abzuschaffen und ihn dann bräsig augenzwinkernd „Leibesübungen“ nennt.

Die FR hatte ich vor vielen Jahren eine Zeitlang im Abo, sie wurde mir dann aber zu dröge und sauertöpfisch. Durch die Umstellung auf Tabloid ist sie leider nicht interessanter geworden. Ich habe selten Lust sie zu lesen.

Mein Zeit-Abo habe ich wieder abbestellt, weil mich zu wenig interessierte und der Großteil der Zeitung ungelesen herumlag oder in meiner Tasche versauerte. Für längere Bahnfahrten kaufe ich sie mir aber immer noch gern. Grundsätzlich stört mich oft das elitäre Gehabe und die Checker-Attitüde vieler Autoren. Das war aber schon mal schlimmer. Gäbe es das Zeit-Magazin ohne die Zeit zu abonnieren, wäre ich dabei. Allerdings bitte ich darum, von weiteren Audienz-bei-Schmidt-Kolumnen Abstand zu nehmen.

Die FAS lese ich nicht regelmäßig, dann aber immer mit Gewinn. Der Politikteil ist mir oft zu tendentiös (allen voran die schlimmen Kommentare von Volker Zastrow), aber weitaus weniger als der des Mutterblatts. Das Feuilleton der FAS hingegen ist wirklich toll, auch Gesellschaft und Wissenschaft sind oft lesenswert. Insgesamt ist die FAS im Vergleich zur FAZ die weitaus modernere, leserfreundlichere, spannendere und frischer designte Zeitung.

(Übrigens ist Die Zeit streng genommen keine Zeitung, sondern eine Zeitschrift und müsste sich eigentlich an Focus und Spiegel messen lassen.)

--

Lately I've been seeing things / They look like they float at the back of my head room[/B] [/SIZE][/FONT]