Re: Kenny Dorham

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gypsy-tail-wind
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Hab gestern – endlich! – die „Blue Spring“ erhalten… weiss nicht, was mich so lange davon abgehalten hat, die zu kaufen! Cannonball ist einer meiner ältesten Favoriten, den hab ich schon so mit 12, 13 entdeckt und damals noch vor ich aufs Sax wechselte ein Heft mit transkribierten Soli gehabt, an denen ich mich dann mit der Klarinette (!) abmühte… aber zurück zu „Blue Spring“.

Aufgenommen für Riverside Anfang 1959 präsentiert das Album Dorham nicht nur als Trompeter sondern auch als Komponist und Arrangeur. Das Programm besteht aus zwei Standards (It Might as Well Be Spring und Spring Is Here) sowie vier KD-Originals, bei denen „Spring“ stets auch im Titel vorkommt… das macht aber noch lange kein dämliches Konzeptalbum draus, denn die Originals klingen halt einfach so, wie KD-Originals klingen… also nicht nach Maiglöckchen oder so. Die Stücke sind neben dem Titeltrack „Poetic Spring“, „Spring Cannon“ (sollte ein Kanon werden, wurde es dann nicht, stattdessen habe KD das Stück Adderley gewidmet) und „Passion Spring“ – zugegeben nicht die originellesten Titel (aber vielleicht hat die ja auch Orrin Keepnews verbrochen?).

Die Band ist ein Septett, erstklassig besetzt mit Cannonball, dem neben KD zentralen Solisten, sowie Cecil Payne am Barisax und David Amram am Horn. Die Rhythmusgruppe besteht aus Cedar Walton (den man damals gerade aus der Band von J.J. Johnson kennengelernt hatte, er hatte zudem im Vorjahr schon auf KDs Vocal-Album mitgewirkt), Paul Chambers, Jimmy Cobb, sowie an Cobbs Stelle auf den letzten beiden Stücken Philly Joe Jones.

Dorham klingt kompakt und zuversichtlich, sein Ton weniger brüchig, satter und runder als üblich. Das passt hervorragend zu Cannonball, der sein „ebullient self“ ist, wie immer – ich weiss, er hat seine Mätzchen und seine Klischee-Phrasen und „hooks“, die Slurs, die rasanten kurzen Läufe zwischendurch… aber wie gesagt: ich liebe sein Spiel schon seit fast 20 Jahren – can’t help it!
Amram und Payne steuern gelegentlich Soli bei, Payne glänzt mit einem äusserst sanften, weichen Sound (Pepper Adams hätte ihm wohl geraten, Tenorsax zu spielen…), Amram klingt trocken, viel weniger melancholisch als Julius Watkins (für mich noch immer DIE Referenz in Sachen Jazz-Horn!). In der Rhythmusgruppe glänzt besonders Chambers mit ein paar schönen pizzicato-Soli, aber auch Walton steuert ein paar schöne Soli bei.

Insgesamt fehlt mir ein wenig das Gebrochene, Brüchig-Lyrische in KDs Spiel… das ist wohl das Ergebnis der kompakten Arrangements, der sehr eingespielt wirkenden Band (das täuscht wohl, denn das Album wurde in zwei Sessions eingespielt, an der ersten Session wirkte Philly Joe mit, Cobb ersetzte ihn dann für die produktivere zweite) und auch der Mischung von Musikern: bei Cannonball und Walton gibt’s nichts Gebrochenes zu hören.

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