Re: JOHNNY CASH – American VI: Ain’t No Grave

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tolomoquinkolom

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Herr RossiZum „Entdecken“ ist das Alterswerk sehr wohl geeignet, da es eben nicht die „reine Country-Lehre“ ist. (Warum sprichst Du eigentlich von „Folkmusic“ und „Folksänger“? Weil Dir der Begriff „Country“ Unbehagen bereitet?) Neben den oft genannten Crossover-Coverversionen finden sich darauf ja auch immer wieder Eigenkompositionen und Traditionals. Dass man dabei nicht stehen bleiben sollte und das Gesamtwerk Cashs weit mehr zu bieten hat, ist doch jedem hier klar.

Man “entdeckt” womöglich nur den “falschen” Cash. “Folksänger” Johnny Cash deswegen, weil ich ihn als Singer/Songwriter der American Folkmusic sehe, der neben Country-Songs, eben auch Folk, Gospel, Blues, Rockabilly und R&R gespielt und gesungen hat. Die Beschränkung auf Country-Sänger passt hier nicht wirklich. Ist Bob Dylan ein Country-Sänger? Gewiss nicht.

Was die Johnny Cash früher auszeichnende markante Baritonstimme betrifft, war sie spätestens bei den letzten Folgen dieses “Comebacks” zerbrechlich und dünn geworden, oft entrückt, ein Schatten aus der Vergangenheit. AMERICAN III sollte das Lebenswerk abschließen; IV wurde nachgeschoben und nun wirklich als das letzte Album des todkranken Helden beworben. Dem folgte posthum mit V ein weiteres letztes Album und Ende dieses Monats folgt nochmal ein letztes Album. Und wenn man älteren Aussagen zur ursprünglichen Track-List von VI trauen darf, wird gut die Hälfte der zunächst angekündigten Songs auf VI nicht vertreten sein. Ein allerallerallerletztes Album, AMERICAN VII, scheint da nicht unwahrscheinlich. Mit Cash hat das natürlich nichts mehr zu tun; es geht um cash.

Es ging mir hier um die vermutete Verklärung des Spätwerks von Cash, insbesondere den Unsäglichkeiten der AMERICAN V (und voraussichtlich auch der VI). Vielleicht war ich tatsächlich zu Unrecht in Sorge, dass hier nur der Cover-Cash des schmerzenreichen Lebensabends in Erinnerung bleibt, Pop-Liedchen, ehemals erfolgreiches Hitparaden-Futter und ältere eigene, neu aufbereitete Aufnahmen nachsingend. Und ich halte es tatsächlich für richtig, die Leistungen eines Künstlers an den Höhepunkten seiner Schaffenskraft zu messen und nicht an der Auslaufrille seines Lebens. Auch Heesters hat seine “besten” Filme, Operetten und Liedlein vor 2000 und nicht danach gemacht. Wenn sich offenbar die Wahrnehmung dieses großen Amerikaners über AMERICAN I-V hinaus erstreckt, habe ich mir wohl umsonst Gedanken gemacht. Um so besser.

Nochmal: Für mich ist Johnny Cash nicht AMERICAN I-V, sondern u.a. ORANGE BLOSSOM SPECIAL, JOHNNY CASH WITH HIS HOT AND BLUE GUITAR, SONGS OF OUR SOIL, HELLO I’M JOHNNY CASH, ALL ABOUT THE BLUE TRAIN, THE FABULOUS JOHNNY CASH und natürlich AT SAN QUENTIN und AT FOLSOM PRISON. Anders ausgedrückt: “Mein” Cash ist jener von I WALK THE LINE und nicht der von IF YOU COULD READ MY MIND.

nikodemusDen „Folksänger“ Cash kenne ich sehr wohl, ebenso wie den späten Cash und die Künstler, die er covert. An anderer Stelle hab ich mich ausführlich dazu geäußert, warum ich „A Hundred Highways“ so schätze (sogar mehr als die anderen Alben der Reihe). Das „Meisterwerk“ hast du mir zwar auch in den Mund gelegt, ich würde das aber unterschreiben.

Den von Dir erwähnten und von mir in Frage gestellten “weiteren großen Wurf” habe ich demnach nicht missinterpretiert. Möglicherweise habe ich aber dafür Windmühlen vermutet, wo gar keine sind.

Wo finde ich diese mir vollkommen unverständliche Einschätzung von AMERICAN V?

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