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Anonym
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Der Song ist das, was man singt. Deshalb heißt er auch Song.
In der Regel besteht die Grundsubstanz des Songs aus Text und Melodie, die einen Menschen packen können, selbst wenn er von Akkorden, Harmonien und ihrer strukturierenden, „erklärenden“, harmonische Zusammenhänge stiftenden Bedeutung keine Ahnung hat. Der gute Song braucht also im Grunde nichtmal eine Lagerfeuergitarren-Begleitung. Er funktioniert auch a cappella.
Spannend wird es bei besonders markanten Riffs – die Satisfaction-Version von Cat Power ist ja in der Tat erstaunlich. Aber wie Du schreibst, Gypsy Tail Wind: „kaum wiederzuerkennen, wenn man nicht aufpasst“.
Und nun die Frage: Wie singt der hier vielbeschworene „Mann auf der Straße“ Satisfaction? Ich vermute mal, er legt so los:
Räng-däng, däggedäng, gedägge-dägge, rang-däng, däggedäng, gedäggedägge, I can’t get no …
In diesem Sinne könne viele Leute den Song singen, obwohl sie des Textes höchstens burchstückweise mächtig sind.
Natürlich kann man diesen Song namens Satisfaction auch ohne Riff nachspielen – dennoch neige ich dazu, in diesem Fall die markante Gitarrenmelodie als Songbestandteil zu verstehen. Die bloße Tatsache, dass Cat Power ohne Riff auskommt, sagt da nicht viel aus. Man kann Songs ja auch covern, indem man die Melodie an manchen Stellen ändert oder Strophen umtextet oder gar neue hinzutextet.
Die Definition von Song als Text und Melodie ist also im Grundsatz sinnvoll, aber wie jede Definition formal. Wenn man sie dogmatisch verwendet, besteht die Gefahr, dass der Blick für das Besondere eines einzelnen Kunstwerks, seine normsprengende oder normerweiternde Dimension, aus dem Blick gerät.
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