Re: "Krautrock" und seine Verwandten

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nail75@Toshy: Schönen Dank für den Beitrag, Amon Düül II scheinen mir hier etwas allzuschlecht wegzukommen, aber „Phallus Dei“ liefert Verächtern auch einige Argumente.

Musikalisch gefällt mir an Amon Düül II der wirklich dichte, dynamische Sound der Gruppe. Trotz aller „mystischen Experimente“ und mancher soundtechnischen Sackgasse besaß die Band einen überzeugende musikalische Identität, die sich in der Tat gar nicht so leicht fassen lässt. „Yeti“ ist aus meiner Sicht ihr überzeugendstes Werk, ein Doppel-Album, das dennoch nie ausuftert und die geringste Zahl überflüssiger Experimente und Sackgassen enthält.

Ein konstanter Schwachpunkt bei Amon Düül sind die Vocals. Auf Phallus Dei gibt es zu viel Gesang, der schlichtweg nervt, vor allem in den kürzeren Stücken („Dem Guten, Wahren, Schönen“). Am besten gefällt es mir, wenn die Band ihrer instrumentalen Kreativität freien Lauf lässt. Dann erzeugen sie einen unnachahmlichen Fluss, ein dichtes Netz von psychedelischen und jazzigen Soundelementen.

Mit den Texten habe ich mich nie beschäftigt – es erschien mir auch nie nötig.. Am Besten man lässt sich von der Musik einfach treiben.

Die Bonus-Tracks auf „Phallus Dei“ sind nicht essentiell, aber auch nicht schlecht. Es sind mittellange oder kurze Instrumentalstücke, die dem Album nichts wirklich Wichtiges hinzufügen.

Danke nail!

Phallus Dei ist ein scheinbar launisches Biest, das die Sinne verwirren kann. Ich denke das dies der Grund ist, weshalb man sich von der Platte vordergründig abgewiesen fühlen kann. Sie bedarf einer ungewohnt hohen Aufmerksamkeit und unvoreingenommener Hörbereitschaft, finde ich.
Und noch wichtiger: Dieses Album scheint sogar besondere „atmosphärische Ansprüche“ geltend zu machen. Schön daran, ist der Grundgedanke, dass jede anspruchsvolle Musik, dies eigentlich im Übermaß verdient hätte. Aber Amon Düül II übertreiben ihre Erwartungen an die Zuhörer fast schon.
Kein Wunder, dass dies auch oft daneben gehen kann und in vielen Situationen eher abstoßend als „erleuchtend“ wirkt. Seltsamerweise ist es mir bei meinen meisten heutigen Lieblingsalben aber so ergangen. Anfangs fand ich sie seltsam und teils richtig schlecht.
Weiter oben hatte ich ja schon einen Beitrag von John Weinzierl wiedergegeben, in dem er sich zum Entstehungsprozeß äußerte. Er sprach von wohlüberlegten Strukturen bei der Herangehensweise. Aber dennoch kann auch ich mir im besten Willen nicht vorstellen, dass die Realisation frei von berauschenden Substanzen ablief. Aber die Liason fasziniert. Best of both worlds, vielleicht.

„Yeti“ finde ich genauso respektabel wie du und trotz scheinbar kompakterer Stringenz wird mir bei dieser Scheibe so schwindelig (im positiven Sinne), wie bei keinem anderen ihrer Werke. Ich empfinde da ein Toben unter der Oberfläche, eine progressive Katharsis. Psychotisch und Lsd-geladen und voller entfesselter Kraft. Außerdem fasziniert mich der imaginäre Kreis, den das Album schließt: Nämlich in den langen Schlußnummern, zu „Paradieswärts Düül“. Sogar die Urbesetzung fand dafür wieder zusammen! Ich freue mich schon auf die Rezension.

Wie Mikko weiter unten, bin auch ich, sogar besonders, Fan von A.D. II´s vokalen Klangfarben. Ich finde den Gesang sehr beschwörend und voller dunkler Magie. Er hat eine subversive Zeitlosigkeit, den man z.B. bei dem Debut von Hölderlin so nicht ausmachen kann. (Bei aller Liebe zu dem Album)
Und durch die teils, sicherlich auch, bewußten Brüche, die damit beschwört werden. Soweit, dass ich es derart wahrnehme, das Alldies einen eine stimmige Gesamtatmosphäre entstehen läßt, in dem jegliches elementare Teilchen eine Reaktion zu allen anderen eingeht. Wie eine sich endlos wandelnde chemische Reaktionskette, die immer wieder neue Facetten und Ergebnisse zuläßt.

…Am Besten man lässt sich von der Musik einfach treiben. ;-)

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