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Bender RodriguezAusnahmen sind jedoch nicht für Grundsatzdiskussionen (siehe diesen Thread) heranzuziehen, da diese Ausnahmen letztendlich die Regel bestätigen – und sich folglich kontraproduktiv für reine kniefallende Connoisseure ausnehmen können.
Keine Grundsatzdiskussion. Kein Fachseminar. In diesem Thread werden mit Begeisterung Möglichkeiten ausgelotet und wird Wahrscheinlichkeiten nachgegangen. Das hat weder mit Kniefällen noch mit Heldendemontage zu tun. Die Auswirkungen von Werken aus einem bestimmten Krautrock-Umfeld auf eine junge britische Band sowie Bereiche anderer Musikszenen sind weder abwegig noch blasphemisch; auch keine vernachlässigbaren Minimaleffekte. Wenn von Einfluss gesprochen wird, geht es nicht um das plumpe Nachspielen, sondern das Aufnehmen einer Inspiration und deren Weiterführung.
Einige Reaktionen im Thread legten den Schluss nahe, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Folglich ging es sofort um das Einfordern von Fakten und Beweisen zu vorgebrachten Gedanken, ohne jedoch andererseits Fakten und Beweise darzulegen, weshalb diese Ansichten falsch sein sollten. Dabei spielt es doch überhaupt keine Rolle, in welchem Umfang Joy Division nun Kraut und Neu! hörten oder nicht, dem Status als einer der wichtigen britischen Bands tut das keinerlei Abbruch. Die beiden Studioalben CLOSER und UNKNOWN PLEASURES bleiben Meisterwerke und Ian Curtis bleibt das, was Morrissey so gerne gewesen wäre.
Ich halte die angesprochene Beschäftigung der Briten mit den Deutschen für logisch. Musiker die gerade dabei sind sich neu zu orientieren, achten besonders auf andere Musiker, Szenen und Entwicklungen. Joy Division und ihr Produzent wollten ein adäquates Soundkonzept ihrer Gedanken zu Moral- und Werteverfall einer Gesellschaft, der Darstellung an Maß- und Seelenlosigkeit kaputtgehender Individuen. Es galt Kälte und Monotonie in Verbindung mit der emotionalen Poesie von Curtis klanglich anspruchsvoll umzusetzen. Wer sollte da nicht automatisch auf Elemente aus der deutschen Krautrock-Szene stoßen, die dann selbstverständlich dem eigenen Anliegen angepasst wurden.
O.k., ich bin so fair (und will nicht noch mit Postrock = Tortoise und Konsorten anfangen)…
Dabei wären gerade Tortoise oder auch Isotope 217 ein feines Beispiel für die Einbindung von teutonischer Electronica und Krautrock in ein relativ aktuelles Bandkonzept gewesen.
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