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Nachdem ich nur sehr lange Zeit nur noch passiv im Forum tätig war, muss ich jetzt doch mal was loswerden, die Art und Weise wie Some Velvet Morning hier wild drauflos spekuliert bedarf nämlich des einen oder anderen Kommentars:
1. Die Rezeptionsgeschichte von Neu!
Du stellst Theorien auf, lässt aber einen entscheidenden Aspekt komplett unerwähnt: Die Beschaffungssituation. Die drei Neu!-Platten waren gut zwei Dekaden lang out of print. Mit anderen Worten: Selbst hierzulande konntest Du in den Achtzigern nicht einfach in einen Plattenladen oder auf eine Börse gehen und eine Neu!-LP kaufen. Ein Luxus, den man bei Kraftwerk (zumindest bei den Platten ab 1974) immer und bei Can die meiste Zeit hatte, von daher ist es wohl kein Zufall, dass genau jene Acts zu festen Bezugsgrößen mutierten, während Neu! (zunächst) immer obskurer wurden. Um Neu! hören zu können, brauchtest Du Connections oder das nötige Kleingeld. Als Referenz tauchten Neu! erst in den Neunzigern auf als Musiker wie Red Hot Chili Peppers, Stereolab, Tortoise und natürlich Julian Cope den Namen immer und immer wieder fallen ließen.
2. Der Sound von Neu!
Bei Deinen Beschreibungen des Neu!-Soundes frage ich mich, inwieweit Du überhaupt mit der Band vertraut ist. Dinger und Rother sind sicherlich vieles, „bassbetont“ gehört jedoch nicht dazu. Tragende Neu!-Elemente sind das Schlagzeug und die geschichtete Gitarre, kommt ein Bass dazu (was durchaus nicht in jedem Stück der Fall ist) so spielt er ein, zwei Akkorde und ist im Klangbild nicht dominant. Ausnahme: „Negativland“. Julian Cope geht in „Krautrocksampler“ sogar so weit Neu! „basslos“ zu nennen. Von daher sind Joy Division mit ihrem extrem bassbetonten Sound das diametrale Gegenteil.
3. Martin Hannett und die Wurzeln des Gothic
Mikko hat komplett Recht, wenn er The Stooges und The Velvet Underground als wichtige Wurzeln nennt, dazu kommen T.Rex, David Bowie, Alice Cooper und Dub-Elemente. Genau hier verwechselst Du nämlich was: Der Sound von Martin Hannett ist stark beeinflusst von den Produktionen eines Lee Perry oder King Tubby, hier liegt die Quelle der Reduktion auf Bass- uns Schlagzeug-Muster. Höre etwa das Intro von „Bela Lugosi“. Dass Hannett Krautrock kannte möchte ich gar nicht abstreiten aber als Produzent dürfte sein Interesse eher dem Sound gegolten haben. Von daher dürfte er sich weniger an einer speziellen Band als an einem Produzenten wie Conrad Plank orientiert haben.
4. Wer machte die kälteste, dunkelste Musik in den 70ern: Die Deutschen.
Das ist mit der größte Unsinn, den ich je gehört habe. Scheinbar stehst Du auf Verallgemeinerungen?
Fazit: Man merkt Deinen Ausführungen an, dass Du aus der Sicht des Jahres 2009 schreibst und Deine Theorien weniger an historischen Gegebenheiten ausrichtest als an Deiner subjektiven Wahrnehmung. Frei nach dem Motto: Was nicht passt, wird passend gemacht!
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