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Hier ein Interview mit Christian Burchard von Embryo:
Christian Burchard über „World Music Made in Germany“
zum „ROCK THE INTEGRATION“ Festival in Berlin 9. – 11- Juni 2000
Ein Pionier blickt zurück
Alles scheint sich zu ändern. Jetzt müssen die Schulkinder hierzulande schon lernen, dass es Embryo mal gegeben hat, denn in einem Arbeitsbuch für den Musikunterricht ab Klasse 9 werden die 70er Jahre mit unserem Bandnamen garniert, fast mit Vorbildfunktion. Etwas rätselhaft für uns, denn die offizielle pädagogische Szene hat uns eigentlich totgeschwiegen bis zur Einstufung ins negative. Vielleicht ist es geschehen, weil vor kurzem herausgekommen ist, daß wir die einzige deutsche Band waren, die Miles Davis gemocht hatte, und dessen Urteil war besonders gefürchtet, denn der Trompeter war bekannt als oftmals sehr kritischer Kommentator seiner Kollegen. Oder weil der „new star“ des orientalischen Jazz Rabih Abou-Khalil in seinen CD Hüllentexten zugibt, dass er durch unsere Schule gegangen ist, was einige Berühmtheiten immer noch verschweigen.
Bei Miles Davis hatten wir Glück, denn sein Schlagzeuger AI Foster hat ganz viele Platten mit unserem großen musikalischen Vater Mal Waldron eingespielt, dessen Bedeutung als Komponist, Pianist und Architekt des modernen Jazz mittlerweile nicht nur von Musikern erkannt wird.
Das war auch mal anders. Ich habe Mal Waldron 1967, zwei Jahre vor der Embryo Gründung getroffen. Ganz stolz, denn ich fühlte mich wie im Paradies, erzählte ich den anderen Musikern und Leuten aus der Szene, dass ich jetzt mit ihm auftreten würde, doch da hieß es nur abfällig, den kannst du vergessen, der kann doch nicht mehr spielen. Ich war fassungslos, seine Musik war unverändert aufregend, fantastisch und neu, denn niemand spielte damals über ungerade Metren. Glücklicherweise war da noch der von allen verehrte USA Saxophonmatador Don Menza , der sie mit einem lauten „shut up“ zum verstummen brachte.
Dann ein Jahr später gründeten sich Amon Düül II, Guru Guru waren auch schon am touren und wir kannten uns alle schon seit Jahren wie eine kleine Familie. Plötzlich wurde das alles aufgeblasen, ich saß damals das erste Mal in einem Flugzeug, weil ich wegen einer Pressekonferenz von München nach Hamburg geschippert wurde, die weder unsere bescheidenen Gagen noch unser Image besser machte. Wir waren die Kellerkinder, die von der grosszügigen Musikindustrie entdeckt worden sind. Dass wir natürlich aus den Kellern herauswollten, war denen gar nicht recht, denn nichts verkauft sich besser als das hype des verkannten Genies mit all der Romantik. Wenn die Plattenfirmen einen ausgaben, stand meist was Gutes über uns in der Fachpresse, ansonsten wehe uns. Die Oud, dieses wunderbare arabische Instrument, erklang von Roman Bunka gespielt Anfang der 70er auf unseren Platten. In der Presse wurde sie dann als stumpfe Sitar bezeichnet, heute wird das wahrscheinlich nicht mehr passieren.
Die Musikerkollegen wurden auch anders. Edgar Froese kam z.B. zu einem unserer damaligen berüchtigten Berliner Quartier Latin Sessions, wo ein Sigi Schwab mit dabei war. Nach dem Auftritt meinte er zu mir, ich sei clever, ich würde mir die Leute aus den Jugendzentren mit auf die Bühne holen.
Schwab war einige Jahre älter als ich und der Gitarrist der Nation, denn er spielte u.a. bei Catarina Valente oder Wolfgang Dauner.
Klaus Doldinger, den wir immer wieder trafen, hatte nichts für uns übrig. Ende der 60er meinte er, wir wüssten nicht, wo die Eins ist. Anfang der 70er verbot er seinem Keyboarder Jimmy Jackson, bei uns mitzuspielen, angeblich würden wir seinen Sound wegnehmen. Anfang der 80er, als wir auf einem Festival der Phonoakademie zusammen mit anderen Musikern unserer Schneeballvereinigung gegen die kommerzielle Verdummung protestierten, kam Klaus Doldinger auf mich zugelaufen und meinte, wir wären die, die die Bombe auf dem Oktoberfest gezündet hätten.
Ich könnte ein ganzes Buch darüber schreiben. Wir waren Kummer gewohnt. Seit Jahren wurden wir observiert wie Staatsfeinde der schlimmsten Sorte. Obwohl wir eigentlich nur Musik machten, kaum Texte. Jede Menge Hausdurchsuchungen, Sadistischerweise in den frühen Morgenstunden, wo einer gerade eingeschlafen war, oder auf den Tourneen lauerten uns Schwerbewaffnete Uniformträger auf. Wir konnten nichts dagegen machen, lernten es sogar, uns mit der Exekutive zu arrangieren: Z.B. fragte der Gerichtsvollzieher, der uns öfters besuchte, irgendwann, ob er nicht mal privat bei uns vorbeikommen könnte und kaufte sogar eine unserer Platten. Wir hatten gar keine Zeit, darüber nachzudenken. Wir mussten Konzerte auschecken um die Miete reinzubekommen, ständig ging einer unserer Tourbusse wieder kaputt. In unserer Kommune ging es chaotisch zu, wir wurden von der Szene beklaut oder wieder mal herausgeworfen. Unterwegs waren wir am glücklichsten, und nachdem es in der damaligen BRD zu wenig Arbeit zum Überleben gab, reisten wir über die Grenzen bis in ferne Länder, um unser Musikerhandwerk ausüben zu können. Dann natürlich die Begegnung mit den anderen Kulturen, so sind wir fast zwangsläufig Weltmusiker geworden. Total überrascht waren wir über die Reaktionen in diesen Ländern. 1972 ordnete eine Zeitung in Casablanca uns als kulturellen Exportartikel neben Beethoven und Stockhausen ein, Musikprofessoren und Weltmeister wie Prof. V. J. Jog musizierten zwanglos mit uns.
Doch Dank auch an die Menschen hierzulande, die zu uns gehalten haben, wo wir immer noch und hoffentlich auch in Zukunft leben, wie an den gerade eben auf tragische Weise von uns gegangenen Joachim Ernst Berendt. Mit Professor sollten wir ihn bitte nicht anreden, hatte er uns kürzlich geschrieben.
Wir machen weiter!
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