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kramerNein Musik ist keine universelle Sprache, denn dann gäbe es keine landes- und sprachspezifischen Unterschiede und wir würden uns z.B. alle an traditionellen chinesischen Opern erfreuen. Musik und deren Rezeption hat immer etwas mit Bildung und Herkunft zu tun.
Überhaupt haben ja viele der Krautrock-Bands bewiesen, dass sie diese angeblich „universelle Sprache“ weder sprechen noch verstehen. Was man bei Amon Düül oder Eloy hören kann, ist ja genau darum auch so peinlich. Es reicht eben nicht Hendrix, Jefferson Airplane oder meinetwegen auch Coltrane zu hören, wenn man nicht über die muskalischen Mittel, Kenntnisse und den Background der Vorbilder verfügt.
Can und Coltrane kann man hinsichtlich ihrer Performances schon alleine darum nicht vergleichen, weil sie völlig unterschiedliche Herangehensweisen hatten und gerade der späte Coltrane von einem starken Glauben, seiner Ernsthaftigkeit und einer tiefen Spiritualität angetrieben wurde. Das sind enorm wichtige Komponenten, die in der Musik von Can keine oder höchstens eine untergeordnete Rolle gespielt haben dürften. Vergleich doch mal, wie Coltrane seine Alben eingespielt hat und wie Can an solche Produktionen herangegangen sind. In diesem Zusammenhang wird dann auch deutlich, wie unterschiedlich die musikalischen Ziele und Vorstellungen dieser Künstler aussahen.
Das ist doch ganz einfach: Bis auf wenige Ausnahmen war das, was unter dem Begriff „Krautrock“ zusammengefasst wird einfach schlecht abgekupfert und von unfähigen und bekifften Freaks eingespielter Mist.
Also ich habe kein Problem mit chinesischer Oper, aber wenn du schon diese Richtung einschlägst, dann lass mich dazu tendenziell philosophisch werden:
Wenn wir biologisch von einem unkonterminierten Menschen sprechen würden, dessen Bewußtsein nicht durch Bildung und Doktrin gefärbt wäre, quasi einer ganz ursprünglichen und natürlichen Existenzform, was glaubst du kann so ein Wesen wahrnehmen?
Es befindet sich auf einer instinktiven und gegenwärtigen Ebene, in der der Moment das Wesentliche darstellt. Und so empfindet dieser Mensch dann auch – den Augenblick. Ohne gedanklichen Ballast, ohne einzwängende Ideologien. Auch solche Kunstformen können göttlich sein, aber ist dies unsere Natur, oder ein hochgezüchtetes Spezialgenre für eine Elite?
Ich würde wetten, wenn du als halbwegs offener Zeitgenosse irgendwelche Naturvölker ganz gleich auf welchem Kontinent bereisen würdest, dass dich ihre Musik berühren würde. Du könntest dich da reinfühlen. Jetzt sind wir fast schon im „Joachim Ernst Behrend-Land“, aber das wäre quasi die Form von absoluter „Urmusik“. Koordinaten: Hingabe, Trance, Intensität, Seele, Authenzität, Einklang mit den Naturgesetzen…
Meines Erachtens versucht jeder große Künstler diesen Zustand und die Intensität der „Unschuld“ zu erreichen. Ob er sich dafür Kunstgriffen oder seiner schlichten Emotionalität bedient, halte ich für austauschbar.
Ich bin der Ansicht, dass jeder große Schöpfer dieses Ziel erreichen will, ganz gleich mit welchen Mitteln. Ob tibetischer Mönchgesang; Nusrat; Trane, Miles, Hooker, Piaf, Gustav Mahler oder Can da draufsteht ist doch völlig gleich. Natürlich hätten sich z.B. Neu! sicher schwergetan, in der Türkei mit Mustapha Kandirali orientalischen Folkjazz zu spielen, aber weggelaufen wären sie vor der Aufgabe sicher auch nicht. Oder nimm nur Embryo – die haben das ja regelrecht kultiviert. Ich finde das überhaupt nicht beschissen, sondern fantastisch. Ich kenne auch Christian Burchard ein bißchen, und wenn er z.B. sein Leben lang so bedröhnt gewesen wäre, hätte er sicher keine 40 Jahre am Stück auf diese Weise durchgehalten.
Für mich sind Can und Trane ebenbürtig. Beide haben ernst gemacht.
Bei meiner absoluten Verehrung zu Trane, wie du siehst, kann man es mit Religiösität und Ernsthaftigkeit auch übertreiben. Ich finde einen Abgang in so jungen Jahren nicht beispielhaft. Und ein bißchen Lockerheit hätte sein Leben sicher verlängern können, ohne das die Kunst darunter leidet. Er hat uns eine schiere Kraft an Output hinterlassen, keine Frage, aber mir wäre lieber er würde noch leben, dafür hätte ich gerne kleinere Abstriche gemacht.
Ich finde auch, zu deinen Hendrix und Airplane Vergleichen, dass es keine Rolle spielt mit welcher Kunstfertigkeit das ganze zelebriert wird. Man kann alles übertreiben und die Krautis hatten eine sehr gesunde Mischung, was das betrifft. Sonst müssten ja auch große Teile des schwarzen Bluesmovements völlig inhaltsleerer Schwachsinn gewesen sein, wenn diese Theorie haltbar wäre. Es geht um individuelle Empfindungen und Ausdrucksweisen. Wenn man ständig nur vergleicht und danach Qualitäten ermittelt, wozu soll das gut sein? Helge Schneider ist für mich jemand der genau diese These ad absurdum führt indem er bewiesen hat: seht euch diesen Quatsch an, den ich da fabriziere…und trotzdem funktioniert es meistens…Es lebt und berührt, obwohl er sich selbst sabotiert.
Ja und dein letzter Absatz dürfte ja inzwischen hundertfach gegenteilig belegt sein, wenn du mal genau mitliest. Außerdem wurden auch viele Trips geschmissen und die erweitern ja bekanntlich das Bewußtsein :lol:
(also echt – das sollte sich mal jemand anmaßen über die Dead oder frühen Floyd zu sagen, sowas. Und die waren auch nicht die Virtuosen unter dieser Sonne!…)
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