Re: "Krautrock" und seine Verwandten

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Registriert seit: 16.02.2007

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Some Velvet Morning

Ich bin ja Musiker und ich habe mal überlegt. Hey, wieso singst du eigentlich englisch? Wieso nicht deutsch? Aber es ist so schwer, wenn du selbst singst auf deutsch, dass es nicht gleich nach Schlager klingt. Bei mir ist es leider so.
Es war mal was Anderes. Das Gegenteil von cool. Nicht, dass ich jetzt fortan Schlager hören werde, aber ich will meine Grenzen nicht immer so festlegen und meinen musikalischen Geschmack, der wirklich weit reicht, immer wieder ausweiten (John Peel hat es mich gelehrt).
Juliane Werding finde ich inzwischen selber ganz gut –
Alexandra findet zudem meine Zustimmung.

Vieleicht ist es der Mut zum Trash, den Deutschland wieder finden sollte. Auch zu seinen Wurzeln, aber eben nicht rechtsgerichtet. Und so gruselig Schlager oft klingen, haben sie doch das Aufbegehren dagegen hervorgebracht wie eben Krautrock und NDW. Insofern hat der Schlager musikhistorisch ebenso seine Bedeutung.

Ich kann diese Hemmschwelle gut nachempfinden, ich tue mich auch sehr schwer damit, deutsch zu singen. Ich war immer der Meinung, dass das englische den besseren Flow hat und das geschmeidigere Feeling. Aber das kann auch Unterbewußtseinsgegaukel sein. Ein guter Freund von mir boykottiert bewußt Fremdsprachen und seine deutschen Texte sind unglaublich intelligent und griffig. Er spielt meist auf Vernissagen, aber er hätte echt richtig Öffentlichkeit verdient, so packend wie seine Sachen daherkommen. Ich war da immer „pseudoarrogant“: Mit deutschen Texten kommst du nur bis zur Landesgrenze. Es mag auch was wahres dran sein, aber ich bezweifle, dass dies der Qualität geschuldet ist.
„Lucy Jordans Dänemark Special“ neulich war das passende Beispiel: Eine fast schon bedrohlich-faszinierende Musik, die auch im eigenen Land feststeckt, in den meisten Fällen. Woran mag das liegen? Am fehlenden Selbstverständnis und -vertrauen? Was spricht dagegen solche Eigenheiten professionell zu vermarkten? Es kann nicht nur die Angst vor Verlusten sein. Da steckt eine Generalisierung dahinter, die eigentlich unhaltbar sein sollte.
Der Krautrock ist ja womöglich noch zu retten; aber diese Problematik, wenn sie auf kurz lösbar sein sollte, erscheint da schon wirklich utopisch. (Ganz wenige Ausnahmen mögen die Regel sein)
Von daher, wird der „international Orientierte“ eher das angelsächsische favorisieren, was man ja auch bei den meisten Krautlern sieht. Bei aller Nonkonformität, da waren sie dann doch auch angepaßt!

Die Coolness-gegenbeispiele finde ich gar nicht mal so extrem:
Münchener Freiheit (Eine Koordinate auf der Düül Achse) mag zwar vordergründig extrem kitschig wirken, aber sind das keine großartigen Arrangements, Gesangssätze? Ist dieser Kitsch nicht auch ziemlich solide?!
Haben nicht Blumfeld ähnliches…
Oder Hansi Last. Ein Genie in seiner ureigenen Galaxie; besser noch: Bert Kaempfert. Ein begnadeter Stilist, der den Tanzorchestern die Gänsehaut unterjubelte. Das war ein einzigartiger Swing. Coco Schumann, Jazz-/ Studiogitarrist (über 80) bekommt heute noch feuchte Augen, wenn er davon erzählt.
Oder textlich: Der Wecker, der Wader (von mir aus auch der Mey) und zig andere, auch im Pop… Da wurden schon Standards gesetzt, aber es bleibt ein innerländisches Phänomen…
Alexandra! Ja, ich bekenne mich auch zu ihr. Man versuchte auch sie in ein Schlagerkostümchen zu zwängen, aber ihre Seele fräste sich immer wieder durch, durch den Blubber der Lüge.
Oder Erika Pluher, sicher nicht aus Deutschland, aber welch anbetungswürdiges Wesen auf allen Ebenen. Ich sah mal einen Auftritt aus den siebziger Jahren von ihr. Ich war gelähmt vor schierer Intensität und Tiefe…
Haha, gruselig. Heino ist gruselig, aber würde ihm irgendwer seinen Kult absprechen, der ihm anhaftet… ;-) Oh gott, wir kommen vom hundertsten ins tausendste… :-)

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