Re: "Krautrock" und seine Verwandten

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Registriert seit: 16.02.2007

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Ich hatte heute Nacht eine Erleuchtung:

Ich glaube nun dem vielverbreiteten hiesigen Widerspruch zwischen diskutierter Genialtät und Dilettantismus noch näher auf die Pelle gerückt zu sein! Mal abgesehen davon, dass diese Frage auch eine grundsätzliche ist.

Es scheint mir, als resultierten diverse Vorbehalte, die eine breitenwirksamere Akzeptanz ermöglichen würden, eher banaleren Nebensächlichkeiten.

Ich denke, der Gros der krautrockenden Spielmannsleute brachte sich durch seinen nicht vorhandenen Ästhetiksinn in Sachen Selbstdarstellung, zu großen Teilen aufs Abstellgleis. Man kann das jetzt grundsätzlich in Abrede stellen, aber ganz gleich wie objektiv jeder Einzelne von uns tatsächlich ist: Das Auge isst mit! Ob bewußt oder unbewußt.
Während Engländer oder Amerikaner, schon von den Anlagen her, verstärkt auf Stilbewußtsein und öffentliche Wahrnehmung großen Wert legten, war es den hiesigen Gruppen völlig schnuppe, wie abgefuckt sie rüberkamen. Und Bilder prägen genau so, wie Musik. Siehe Jim Morrison und sein ikonisierender Aspekt.
Aber wer wäre so irre, und würde unsere Protagonisten als sexy oder gar kultig bezeichnen, unter visuellem Aspekt…
Und die „Schönen/Stilvollen“ erlangten ja den größeren Durchbruch – Kraftwerk, Can und ein bißchen vielleicht noch Faust und Tangerine Dream. Aber der Rest? Ganz im Ernst – Sahen die nicht aus wie aus dem Gulli gezogen? Und ich denke, dass sich auch diese Bilder und die hervorgerufene Unästhetik sich in das wahrnehmende Unterbewußtsein einbrannte.
Die sahen wirklich fast alle, wie total zugedröhnte, unzurechnungsfähige und völlig dilettantische Freaks oder Spinner aus.
Und da würde ich jedem „Gesamtpopularforscher“ auf der Stelle beipflichten, dass das nicht lecker gerochen haben kann…
Und alle berufenen Szenekenner liegen sicher nicht falsch mit der Behauptung, dass dies in der gesamtpopulären Wertung, weltweit, ordentliche Punktabzüge gibt, weil sich soviel Looseness wirklich sonst noch keine Kunstform geleistet hat. Gut, wir waren vielleicht stilistisch an dieser Stelle ein noch größeres Entwicklungsland mit erhöhtem Bedarf an Kultiviertheit. Aber gewährt uns dies tatsächlich einen objektiven und unverzerrten Blick in das wahre Individuum, in die Seele einer Jugendkultur?

Bei aller optischen Grausamkeit könnte hier ein unterbewußter Schlüssel zu finden sein, der ein großes Mass an Antipathien und künstlerischen Zweifeln über die allgemeine Wahrnehmung verbreitet hat und die Neigung heraufbeschwor, diesen Auswüchsen keine Bedeutsamkeit über Gebühr angedeihen zu lassen. Ich selbst hatte vielleicht das große Glück, diese ganze Musikszene fast unter Ausschluß jeglicher optischer Zusammenhänge entdecken zu können. Natürlich spürt man auch in der Musik oftmals Teile dieser Ästhetik. Ihre Transzendenz und universelle Wirkung bewahren jedoch vor voreiligen Vorurteilen und Kategorisierungen des Verstandes. Die Magie bleibt erfahrbar. Ich denke, dieser Aspekt ist auch ein unsichtbares Problem in der nachfolgenden Bewertung und Betrachtung jenes musikalischen Phänomens…

Durch den jüngsten Bericht von Can und Amon Düül II wurde ich übrigends auf eine junge Band aufmerksam, von der ich noch nie zuvor gehört habe:
Battles
…sie bringen Can-Einflüsse in einen total spannenden, zeitgemäßen Kontext.

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