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nail75
Ich bin mal gespannt, was Bender zum Einfluss von Krautrock auf die Musik der späten 70er, frühen 80er zu sagen hat.
Das lässt sich unspektakulärer an, als so mancher es sich vorzustellen vermag…
Ich möchte nicht mit altbekannten Stories kommen, die schon längst Legendenstatus innehaben, so wird es wohl keine Überraschung sein, dass ich sehr wohl das musikalische Schaffen, manche Sounds, die eine oder andere Idee diverser Künstler, die üblicherweise auch unter „Krautrock“ einkategorisiert werden, in vielen Strömungen späterer Zeiten wieder erkenne, bzw. entdeckte.
Dass ich damit nicht die einfältigen Kopisten der UK-Prog-Rock-Prominenz oder irgendwelche verspulten Hippie-Kommunen-Pseudopsychedeliker meine, dürfte klar sein. Also wieder einmal die deutschen Alt-Elektroniker und -„Avantgardler“ (oder muss ich erneut wiederholen, dass „Krautrock“ eine extrem vielschichtige, zerrissene und keineswegs homogene Angelegenheit war?).
Ich will mich jetzt nicht in Fachidiotien, bzw. -simpeleien ergehen, kein ermüdendes, ellenlanges Namedropping beginnen (tatsächlich könnte ich Seiten füllen…), keine Spekulationen vom Zaun brechen, weshalb zu gewisser Zeit Mark E. Smith auf einmal Damo Suzuki war, etc.
Dass viele „neugewellte“ Bands, und – ächz – (welch inflationärer Begriff in diesem Thread…) Post-Punk-Künstler sich zu gegebener Zeit für den „Kontinent“ interessierten, war einmal en vogue – und dies darf man getrost bis zum heutigen Tage als gute Sache begrüssen.
Nur – und dies betone ich mit Nachdruck – lasse ich mich nicht dazu hinreissen, diese Faibles, Einflüsse und vielleicht auch Vorbildfunktionen als genrebildend oder in sonst irgendeiner Form überzubewerten. Auch ohne Kraftwerk hätte sich die elektronische (Pop-)Musik international etabliert, auch ohne Can, Neu!, Harmonia oder Cluster hätten Bowie, Iggy Pop und Joy Division den Ruf erlangt, den sie heute innehaben. „Krautrock“ war in vielen Teilen sicher eine interessante Facette, jedoch nicht das deutsche Wesen, an der die schräggestellte Popmusik genesen…
Und wie schon angeführt: die Inhalte und die Ästhetik waren doch immer sehr unterschiedlich…
Ausserdem waren die eher nischenrelevanten (natürlich auch auf „Krautrock“ zurück gehenden) Vorlieben diverser Post-Punk-/Wave-/Industrial-/Indie-/Techno- etc. Acts derart verzweigt und verschieden, dass ein gemeinsamer Nenner keineswegs zu bestimmen war. Während z.B. die (Noise-)Exzentriker David Tibet und Steven Stapleton eher versponnene, aber kaum als „wichtig“ zu bezeichnende „Krautrocker“ kultig verehrten, so war das „Nonplusultra“ für die Electropopper O.M.D. halt Neu! (siehe die Hommagen „4 Neu“ und „Sealand“), usw.
Und dass Joy Divisions „No Love Lost“ selbstverständlich als früher Gehversuch keine grossartige stilbildende Relevanz besitzt, geschweige denn ein besonders tolles Aushängeschild für die Band darstellt, so sollte dieses Stück auch nicht zur verquasten und allmächtigen retrospektiven Heldenverehrung für Neu! herhalten müssen. Damit wird man beiden Formationen nicht wirklich gerecht.
Übrigens: ich schätze beide Bands sehr! (aber: ich kann die Erwähnung von Joy Division im „Kraut-Rock“-Kontext hier bald nicht mehr hören – so wie ich nichts mehr davon wissen will, dass Neu! für „Post-Punk“ verantwortlich sind…)
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I mean, being a robot's great - but we don't have emotions and sometimes that makes me very sad