Re: "Krautrock" und seine Verwandten

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Registriert seit: 16.02.2007

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otisVorsicht. Die musikalischen Düül-Wurzeln liegen in meinen Augen eher in Kalifornien als in London. Ich selber weiß nichts von einer sonderlich großartigen Akzeptanz der Düüls im UK, wohl von jener der Cans etc. Und das wäre für mich auch logischer. Durch Copes Buch ist da nachträglich aber sicherlich noch einiges in Bahnen verlaufen, die vorher so nicht da waren. Aber darüber kann ich kein fundiertes Urteil abgeben.
Die Bowie-Geschichte ist auch nicht ganz so eindimensional wie gern geschildert. Bowie war zwar angetan und hat Rother eingeladen, ihn dann aber ziemlich kalt abblitzen lassen.
Wir brauchen aber auch gar nicht über die Neuartigkeit der wirklich Neuen diskutieren, die ist unbenommen. Aber: Am Sonntag vor Roots hörte ich auf Radio Eins einen Track von Tangerine Dream. Ich habe in meinem Leben vielleicht 10-15 Stücke von ihnen gehört, die erste LP ganz und danach eher ausschnitthaft was von ihnen. Was dort gespielt wurde, war so 1:1 das immer Gleiche und Erwartete, dass ich nicht ansatzweise auf die Idee käme, solcherart Neuem Qualität zuzubilligen. Ebenso kann ich die Rother-Verehrung nicht nachvollziehen. Flammende Herzen war imO purer Kitsch und warum Neu! soviel besser gewesen sein sollen, darüber erwarte ich gern Aufklärung. Habe ihre Musik nicht mehr wirklich im Ohr. Musikalische Schönmalerei nach Zahlen.

PS: Toshey, dass du mich zuvor missverstehen wolltest, kann nur an der Stockhausen-Brille gelegen haben. Den besagten Artikel lese ich nach wie vor völlig anders als du. Und in der Joplin-Hommage am Schluss scheint mir mindestens ein Hauch von dem Frauenhelden zu stecken, der er nun mal war.

Für mich sind keine eindeutigen Wurzeln bei den Düüls auszumachen. Da könnte vielerlei reingespielt haben. Wir sollten sie befragen ;-)
Oho! Aber Hallo! Waren sie nicht, bei United Artists da, erstmal unter Vertrag?
Und sie haben einige Platten dort verkauft. Garantiert mehr als Can. Und zuguterletzt John Peel. Cope schrieb dazu: He played „All the Years round“ constantly…von daher…
Die Geschichte mit Rother ist mir auch bekannt, ich würde sie aber nicht überbewerten, da er ein sehr stiller Typ ist, ohne jeglichen Starhabitus. Ich kann mir nicht vorstellen, das da die Chemie stimmte. Bowie hat auch gerne mit Namen „geprotzt“, da war Fripp sicher die internationalere Wahl.
Andererseits ist es eine Frage der Annäherung, siehe Chilipeppers und Mars Volta live in Germany. Da haben sie ja auch mit ihm gejammt.
Rothers Solowerke sind geschmacklich speziell, da gebe ich dir recht (wobei auf allen ironischerweise Jaki Liebezeit trommelt!).
Rother hat wohl diesen dezenten „Mike Oldfield-Faktor“ im Blut.
Alleine gab er sich der Melodieseligkeit hin, aber in entsprechenden Kollaborationen konnte er der perfekte Reibungspartner sein, und das wiederum erzeugte die Einzigartigkeit von Neu! Da war viel Schrägklang und Anarchie mit im Spiel. Der Schönklang setzte an manchen Stellen die passenden Kontraste. Oder man denke nur mal an „Super 16“! Das ist ja reinste „Horrormusik“ im positiven Sinne ;-)
Tangerine Dream haben unter einem Aspekt ihre Pionierrolle verloren.
Der Synthesizer war ja damals ein ungehörtes Instrument und vielleicht ähnlich wie eine Umstellung von schwarzweiß auf Farbfernsehen. Das war das futuristischste was damals möglich war. Das ist natürlich heute verpufft.
Aber das ist auch nicht die Essenz des Ganzen. Ihre Magie ist und bleibt eine atmosphärische. Eine Art kontemplative Klangmalerei und -forschung. Man muß sich das echt in aller Ruhe anhören. Und der Albumtitel „Zeit“ ist wirklich programmatisch. Man muß in der richtigen Stimmung sein und sich sowas bewußt auflegen und darin eintauchen. Es ist auch eine Geschmackfrage, logisch. Aber da begannen auch große Teile der Ambientmusic, und unter dem Aspekt finde ich die Sachen noch immer göttlich, auch die schrägeren Tracks von Ihnen. Es gibt auch schon stark varierende Themen in ihrer Musik. Aber das erschließt sich erst mit der Zeit. Ich habe selbst auch mehrere Anläufe gebraucht, bis ich endlich den Zugang fand.

Haha, nein, ich trage keine Stockhausen Brille, ich stecke in einem regelrechten Stockhausen Astralkörper! :lol:
Aber auch da ist es wie so oft: Ein jeder möge sich selbst einmal ein Bild machen. Aber via seiner Biografie ist das inzwischen schwierig – sie ist sogut wie nicht mehr aufzutreiben…

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