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Ach, Toshey, du und Stockhausen. Ich habe dem guten Mann nichts ans Zeug geflickt, das hat er wenn schon selbst getan (siehe 9/11).
Nein, der frühe Stockhausen war eine Ausgeburt von Arroganz und Elite-Denken, damit ein sehr typischer Vertreter der bundesdeutschen Nachkriegsintelligenz. Das ist in keiner Weise böse oder negativ gemeint, die BRD der 50s und frühen 60s hatte nichts anderes verdient. Und Stockhausen wäre nicht Stockhausen gewesen, wenn seine musikalischen Provokationen ins Leere gelaufen wären. Genau darum ging es ihm doch, Formen aufzubrechen und Veraltetes durch konsequent Neues zu ersetzen.
Ich habe im Laufe meines Lebens so einige Interviews und Filme mit und über ihn gesehen. Ich kann mich an keine Szene erinnern, in der er sich als Leidender oder Verfolgter gefühlt hätte. Natürlich war er Anfeindungen ausgesetzt, aber er suchte sie doch förmlich.
Stockhausen selbst kann sich darüber hinaus auch beim besten Willen nicht beklagen, er hatte recht optimale Arbeitsbedingungen seitens des WDR. Solche Investitionen in einen Künstler mit derart entlegener Kunst (das war sie ja nun damals), findest du heute nirgendwo mehr. Der WDR hat Unmengen Geld in das elektronische Studio gesteckt, wo keinerlei Gegenwert oder Amortisation erkennbar war.
Ich denke, du hängst einem recht eingeschränkten Bild der 50s und 60s in der BRD an. Auf der einen Seite waren Muff und Stillstand und röhrender Hirsch und Nierentisch und Wirtschaftswunder, aber dies war nur die eine, meinetwegen die vorherrschende.
Auf der anderen Seite aber war hellwaches Misstrauen, radikaler Aufbruch. Zunächst vielleicht nur in den Köpfen und passiv, dann durchaus und massiv aktiv, wenn du an die 60s denkst. (Und da nicht nur in der zweiten Hälfte, das begann viel früher schon.) Von daher ist doch auch diese elitäre Arroganz nur erklärbar und gleichzeitig völlig logisch. Einen Teufel hätte man getan und sich in dieses für miefig erachtete Nest setzen wollen. Wie anders ist denn auch die explosive Stimmung erklärbar, wenn sie nicht schon seit 10 bis 15 Jahren in den Köpfen gebrodelt hätte, um dann 67/68 auszubrechen.
Ich kann natürlich nur für meine Erfahrungen sprechen, und ich bin sogar relativ jung, was all dies anbelangt, aber nie in meiner Biografie hatte ich das Gefühl, nicht stolz sein zu können, auf der Seite der Stockhausens und Presleys und Rolling Stones‘ und Dylans dieser Welt zu stehen. Auf der anderen Seite war Feindesland, da gab es keine Kompromisse.
Das macht für unsereinen die Auseinandersetzung mit dem Krautrock doch so mühselig. Zu der Zeit waren in den Köpfen die Schlachten längst geschlagen, das war nachgeplappert, -getrommelt, -musiziert, da fehlte, bis auf sehr wenige Ausnahmen (Can, Kraftwerk, Faust…), das Aufbrechende, das Neues wollende, das Resolute, aber auch das Selbstverständliche.
Düül II gehören in meinen Ohren nicht zu den Neuerern, sie waren ganz in der angelsächsischen Tradition mit leichten teutonischen Anklängen, die allerdings kaum weitergingen, als Moniker wie Henriette Krötenschwanz zu wählen. Sorry. Dann doch viel lieber die Originale.
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